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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

2. 10. 2013 - 16:25

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 02-10-13.

Sebastian Kurz, die unversorgten Adaptiv-Pragmatiker und warum die Austria Kalsdorf ist.

Es blickt jetzt nach vorne, kinderwagenaufsatzmäßig, das Baby. Trotzdem: der tägliche Text, die tägliche ausführliche Reflexion, die Thesen-Dichte, die sich heuer schon bislang rein gar nicht ausgegangen ist, das wird's auch weiter nicht spielen.

Deshalb hier der Versuch, das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen. Ich werde vieles halt nur anreißen/denken und nicht wie bisher auch vertiefen können.

Wenigstens die Täglichkeit sollte gelingen, immer mit ein paar Items aus diesen Themenfeldern; manchmal auch mit einem längeren, dominanten. Und die NR-Wahl von Sonntag war ein guter Anlass für den Start - here comes "the daily Blumenau".

Kurz und die angepissten angepaßten Pragmatiker

#nr-wahl

Um kurz an gestern und die dort behandelte perfide Strategie der Mainstream-Medien anzuschließen: das fiese Doppelspiel zeigt sich auch an einer anderen Facette der NR-Wahl: während einige Stimmen/Prozent-Zugewinner taxfrei als Loser diskreditiert werden, gehen epische Verlierer völlig watschenfrei davon: die ordentlich vermöbelte Wiener Stadt-ÖVP etwa. Der ins Höllenfeuer geschickte Sebastian Kurz profitiert da nämlich von einer klassischen Logik der Faulen und Feigen: das zweimal falsch wieder richtig ergeben würde. Kurz, der bei seinem Amtseintritt von allen Seiten aufs Widerlichste angeschlatzt wurde (ich kann mich nur an ein einziges Plädoyer für ihn erinnern) wird jetzt - aus schlechtem Gewissen - verschont.
Bloß: eine solche Handlungsweise ist keine Berichterstattung, sondern Politik. Womit sich viele Polit-Redaktionen des Landes wieder einmal decouvrieren.

Natürlich trägt Kurz tatsächlich keine persönliche Schuld am Wiener Ergebnis: die Gründe dafür, dass es in Wien nicht so aussieht wie bei den Unter30jährigen oder in Graz oder Innsbruck oder Salzburg (je 20 Prozent für Rot, Schwarz, Blau und Grün, der Rest verteilt sich sonstwie), liegen in einer hirnlosen Konzentration auf eine Zielgruppe in vielleicht drei Bezirken in den letzten Jahrzehnten.

Wobei auch Kurz dieser prinzipiellen Denke nicht abhold ist: sein auch im Zusammenhang mit seinem Staatssekretärs-Job für Integration in jedem dritten Satz hervorgeholten Diktum der "Leistung" erreicht (auch weil er als aktuell einziger frei und sinnstiftend sprechender Regierungspolitiker auch tatsächlich Menschen erreichen kann) sehr sehr viele. Und weil man das schnell als Worthülle erkennen kann (schließlich zählt die Leistung nicht einmal im eigenen, quoten- und hausmachtverstrahlten VP-Haus etwas), die maximal für die High Perfomer mit Startvorteil gelten mag, bleibt schnell Unbehagen über.

Das ist jetzt das mit den Sinus-Milieus, zumindest einer der dort empirisch rausgeschälten Gruppen.

Und es gibt eine - recht schnell wachsende - Gruppe an Menschen, die sich über genau dieses Unbehagen definiert: die Adaptiv-Pragmatiker; kommt manchen aus dem letzten Profil vor der Wahl vielleicht bekannt vor. Das sind vor allem jüngere Menschen, die sich über Fleiß definieren, eine Gegenleistung erwarten und wissen, dass sie das nicht (alle) kriegen werden; der brave, angepasste Mittelstand-Nachwuchs.
Von ihren Eltern/Großeltern haben sie mitbekommen, dass sich früher die großen Parteien (im urbanen Bereich vor allem die SP) um die Lebensentwürfe (Schule, Wohnung, Job, Karriere) gekümmert haben und es jetzt nicht mehr tun (weil sie es aus strukturellen Gründen, auch wegen Globalisierung nicht mehr können). Deshalb: Protest. In dieser Gruppe ist der FP-Wähleranteil überproportional hoch, erreicht mit 36% den Spitzenwert aller zehn Milieus der gesamten Untersuchung.

Die Aufgabe der Regierungsparteien dieser von Angst geprägten Gruppe klarzumachen, dass die rechtsnationalen Heilsversprechen (besseres Leben wenn Ausländer wieder draußen) keine reale Basis haben (schließlich ist Österreich ein Einwanderungsland), tangiert dann wiederum auch den Kurz-Job. Und weil er als Intregrations-Staatssekretär den konservativen Leistungs-Aspekt (den das eigene Klientel hören will) überbetont, anstatt den Davonrennenden, die es danach drängt Chancengleichheit in echt zu erfühlen, einfangen zu wollen, ist er schon auch mitgefangen; in der selbstreferenziellen Denke, die die Regierungsparteien so antiauszeichnet.

Die Austria Wien ist Kalsdorf und kein global player

#fußball/medien

Noch einmal Champions League: jetzt gerade live auf Eurosport die Übertragung des Youth-League-Matches von Manchester City gegen Bayern München. Mit den jungen Österreichern Sinan Bytyqi (Linksaußen, Nr. 11) auf der einen und Stefan Hager (Nr.4, linker Innenverteidiger), Oliver Markoutz (Nr.2 2, linkes Mittelfeld) sowie Patrick Puchegger (Nr. 16, Ersatz) auf der anderen Seite.
Ich empfehle den Stream von British Eurosport und das Meiden der deutschen TV-Version.

Bytyqis Coach bei Man City ist übrigens Patrick Vieira.

Irgendwer muss es der Austria Wien sagen; und natürlich (auch hier wieder) auch den übergeschnappten Mainstream-Medien: der österreichische Champions League-Teilnehmer ist im Konzert der Großen ein Regionalligist, der bestenfalls als Haxelsteller fungieren kann. So wie Pasching oder wie Kalsdorf, die das der Austria ja jüngst vorgeführt haben.

Solange Verein und Medien die Mär von der Augenhöhe, in der man den drei Gruppen-Gegnern (und das sind die Gewinner der Euro-League von 08, 10, 11 und 12) gegenüberstünde aufrechterhalten, wird keine nachhaltige Besserung eintreten. Und die tut Not.

Solange die mediale Geschichtsschreibung gefälscht wird, und Auftritte wie der von Salzburg gegen Fener oder der der Austria gegen Zagreb als Schlachten Gleichwertiger beschrieben werden, solange man eine größenirrsinnige Form der Realitätsflucht lebt, wird eine groteske Erwartungshaltung geschürt, die zu nichts führt. Nur ins klassisch-österreichische manisch-depressive, das jeden Erfolg überfeiert und nach jeder Niederlage abstürzt.

Nur der realistische Ansatz, den die Vereine vorgeben, die Mainstream-Medien aber auch akzeptieren müssten (was wiederum Druck einer kritischen Öffentlichkeit, die sich dem vorgesetzten Schmarrn widersetzt, bedarf), kann aus diesem Dilemma führen.

Also: die Austria ist in dieser Gruppe von globalen Playern ein netter Tupfer Lokal-Kolorit. Mit der Chance an einem guten Tag, bei guter Führung (die gestern gegeben war, das defensive 4-4-1-1 war erstklassig) und bei Schwächen bzw. Schwächungen des Gegners (wie dem absurden Ausschluss von Taktgeber Witsel durch den Schiri) etwas zu erreichen. Kein Tor (davon war der Meister so weit entfernt wie von einer realen Chance im ersten Spiel gegen Porto, das einen Zwei-Klassen-Unterschied offenbarte), aber - durch braves Laufen einen Punkt immerhin. Wie Kalsdorf. Und vielleicht ja noch einmal wie Pasching. Das ist toll, hat aber nichts mit Augenhöhe zu tun.

Was ich nicht verstehe: gerade das Kleiner gegen Große-Thema ließe sich medial doch echt gut aufbereiten. Wenn die Fußball-Berichterstattung in diesem Land (nicht nur die eh immer jenseits der Wirklichkeit angesiedelten Fantasien der Host Broadcaster, auch das hysterische Gezappel der Print-Medien) schon ein eigenes Narrativ erfinden muss, um das Publikum mit Dramatisierung zu versorgen, anstatt einfach der Berichterstattungs- und Analyse-Pflicht nachzukommen, dann wäre es doch logischer das Vorhandene zu verstärken anstatt etwas völlig Überzogenes neu zu erfinden.