Erstellt am: 1. 10. 2013 - 14:33 Uhr
The daily Blumenau. Tuesday Edition, 01-10-13.
Es schaut jetzt nach vorne, kinderwagenaufsatzmäßig, das Baby. Trotzdem: der tägliche Text, die tägliche ausführliche Reflexion, die Thesen-Dichte, die sich heuer bislang rein gar nicht ausgegangen ist, das wird's auch weiter nicht spielen.
Deshalb hier ein neuer Versuch, das klassische Journal in der Form von 2003, '05, '07, 2009 und 2011 durch ein kürzeres Format zu ersetzen.
Ich werde vieles halt nur anreißen und andenken und nicht wie bisher echt vertiefen können.
Whatever, wenigstens die Täglichkeit sollte gelingen mit ein paar Items aus diesen Themenfeldern; heute dominiert sowieso ein Längeres. Die sonntägliche Wahl war ein guter Anlass um zu starten - here comes "The daily Blumenau".
Das Perfide an der Reformpartnerschaft
#nr-wahl/medien
Das große Thema nach den Wahlen ist die Erosion der beiden Groß-/Staats-/Systemparteien, die vor allem in der Steiermark sichtbar wurde. Das dortige Ergebnis liefert eine reele Projektion für 2018, heißt es. Und schuld daran, heißt es weiter, sei die sogenannte Reformpartnerschaft, die streitlose, knotenförmige Kooperation von SP und VP, deren Zweck das friktionsfreie Durchbringen einer radikalen, aber dringlichen Reform-Agenda ist.
Das NR-Wahlergebnis, so heißt es, habe diesen Versuch scheitern lassen. Und würde damit auch eine Reform-Koalition im Bund unmöglich machen.
Ich bin da nicht so sicher.
Zum einen, weil diese These von einer medialen Teilöffentlichkeit kommt, deren Lust am zerfleischenden Populismus mittlerweile reines Geschäftsmodell geworden ist; und somit mehr dem Eigeninteresse als dem Gemeinwohl dient. Zum anderen, weil eine genaue Analyse diese simple Monokausalität nicht bestätigt.
Nur, um sofortige Empörung abzufedern: ich bin kein Freund der auf dem Rücken der sozial Schwächsten ausgetragegenen Budget-Kürzungs-Manie von Voves/Schützenhöfer und ich kann von Wien aus die feudale Selbstherrlichkeit riechen, mit der sie ihre Maßnahmen durchziehen.
Aber: eine Strukturreform, die ein marodes Land vor dem Kollaps retten soll, erfordert selbstverständlich Aktionen wie Gemeindezusammenlegungen und andere Einschnitte in Verwaltungs-Angelegenheiten. Das von den Bürgermeistern (und jetzt auch den Medien, im Grundton der Häme) geforderte Mitsprache-/Vetorecht ist in etwa so sinnvoll wie das der Lehrergewerkschaft in der Bildungsreform. Das basisdemokratisch lösen zu wollen ist, angesichts der vielen Einzelinteressen, unmöglich.
Außerdem haben Voves/Schützenhöfer recht, wenn sie vorrechnen, wie die 5%-Verluste wirklich entstanden sind: der lokal stark verwurzelte Benefiz-Frank (der mit 9,99 Prozent sein bestes Landesergbnis einfährt) hat ebenso geknabbert wie die FP bei den frustrierten jungen Männern in der Kernzone der Modernisierungsverlierer in der tristen Obersteiermark. Da fielen die Protestwahlgemeinden gar nicht so ins Gewicht.
Und: Graz etwa liefert auch kein anderes Ergebnis als etwa Innsbruck.
Zudem hat die Unaufgeregtheit, mit der die zwei Koalitionäre ihre Gegner behandeln, auch dazu geführt, dass sich die Protestwähler auf alle anderen Parteien verteilt haben und nicht zu einem realen Landslide in Richtung FPÖ geführt. Das rechtsnationale Lager (FP und BZÖ) ist nämlich im Vergleich zu '08 um gute zwei Prozent geschrumpft.
Weil das dann doch etwas länger wurde, kommt das mit den Sinus-Milieus erst morgen.
Natürlich ist die Reformpartnerschaft von Voves/Schützenhöfer inhaltlich kein Vorbild: da wird recht visionsarm gefuhrwerkt, das Sparen an sich gilt als Wert, die Form heiligt die Mittel, man geht vielerorts den Weg des vermeintlich geringsten Widerstands und ist dann über einen solchen erstaunt. Ein Bruchteil des Aufwands der Bürgermeister-Kampagne gegen die Großkopferten als Info-Maßnahme um die Gemeindezusammenlegungen zu erklären, hätte vieles abfangen können.
Nun schließen sich also Medienkommentatoren und Politberater und -experten kurz, sprechen vom "Scheitern" und projizieren, dass sich eine vergleichbare Reformpartnerschaft im Bund deswegen nicht ausgehen wird.
Mit dieser (von einer echten Analyse keinesfalls gestützten) Aufladung bauen sie so den nächsten Tanzbären, den sie (und sowohl Medien als auch Experten verdienen damit ihren Lebensunterhalt) johlend durch die Dörfer treiben wollen.
Die schnell gezimmerte Zwickmühle ist in ihrer Perfidie perfekt: unternimmt die GroKo (Große Koalition) aus Angst vor steirischen Erfahrungen nichts, bleibt sie die lahme Stillstandspartie, die man medial trefflich vermöbeln kann; trauen sich SP/VP in ein ähnliches Modell (kein Streit, gemeinsame Sachpolitik, die alles, was der Reformstau liegen ließ, abarbeitet) und würzen es noch mit nachhaltigem, vielleicht sogar visionären Denken, dann stempeln ihnen Medien/Experten ab Tag 1 das steirische Loser-L auf die Stirn. Jede Abweichung würde mit Hohn kommentiert, jeder Ausrutscher breit ausgewalzt.
Es wäre ein Scheitern mit Ansage und zwar mit Ansage, der Medien (und nicht nur des Boulevards, da machen immer alle mit, auch die mit dem "Qualitäts-" vorn dran), die dieses Scheitern auch dann herbeiführen müssten, wenn es gar nicht passiert - nur um recht zu behalten.
Die Regierung verliert also in jedem Fall. Gegen den gemeinsam betriebenen Sesselfurzer-Populismus von Medien und Experten und einer FPÖ, der die Früchte dann in den Schoß fallen.
Warum mich die alte Tante zucken lässt
#medien
diepresse
Heute ist es eine Woche, seit ich jedes Mal wenn ich die alte Tante sehe, zusammenzucke. Weil sie nackert ist.
Also: die alte Tante, die Tageszeitung Die Presse, inhaltlich konservativ, aber graphisch immer top, hat seit letzten Dienstag einen neuen Kopf. Und im Vergleich zu davor wo neben dem Zeitungskopf gleich eine Geschichte angerissen wurde (mit Titel und Bild und so) steht in dieser neuen Variante da: nichts. Der große blaue Balken, der nach "Die Presse" noch soviel Platz bereit hätte, bleibt leer.
Ich bin normalerweise einer, der Layout-Reformen offensiv begrüßt (frag nach im Falter als die ihre letzte, bei den Lesern so umstrittene, hatten), und auch sonst (größere Spaltenbreite, mehr Luft, mehr Graphik) gefällt's mir gut.
Nur der durch seine Rechtsbündigkeit so nackte Kopf berührt mich jeden Tag aufs Neue unangenehm. Vielleicht weil offensive Nacktheit gerade alte Tanten nicht sonderlich schmückt.
Die junge Austria macht es allen vor
#fußball
Unglaubliches geschieht bei der von Klubs und Medien (wie alles Neue) als unnötig (Stichwort: Doppel-Belastung) bezeichneten Youth-League, dem Champions League-Beiwerk für die U19: die Burschen der Austria Wien haben nach dem Auftakt-Heimsieg gegen Young Porto nun heute auch auswärts in St. Petersburg (!) gewonnen. Am Talent im Nachwuchs-Bereich liegt es also nicht.
Die (aktuell über die Doppel-Belastung stark jammernden) erwachsenen Austrianer sind ab 18 Uhr im Einsatz und werden es deutlich schwerer haben.