Erstellt am: 29. 9. 2013 - 14:39 Uhr
Legende der Leidenschaft
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Warum Prefab Sprout nicht wesentlich weltberühmter sind, liegt im Dunkeln und ist vielleicht bloß mit einer grundsätzlichen Vorliebe des Menschen für das Schlechte und Mittelmäßige zu erklären. Seit Mitte der 80er veröffentlicht die englische Band rund um Mastermind Paddy McAloon - unregelmäßig zwar, aber doch immer wieder - fantastische Alben. Keine einzige Platte von Prefab Sprout ist schlecht, nein, nicht mindestens sehr gut. Besäße man alle, es wäre kein Schaden, zum endgültigen Kanon aller Zeiten gehören aber wohl die beiden Alben "Steve McQueen" aus dem Jahr 1985 und das 1997 erschienene Meisterwerk "Andromeda Heigths".
So werden Prefab Sprout teilweise zwar kultisch – und hier passt dieses Wort ausnahmsweise schon einmal – verehrt und sind durchaus in finanzieller Hinsicht erfolgreich gewesen - tatsächlich müsste ein Mann mit den außerweltlichen Songwriterqualitäten eines Paddy McAloon aber von jedem Billboard und jedem Magazin der Welt blicken. McAloon schreibt nichts weniger als perfekte Pop-Songs einer zerbrechlichen Sophistication. Songs, in denen sich ein großes Gefühl für Soul ebenso schillernd zeigt wie ein feingliedriges Händchen für Broadway- und Showtunes. Etliche Klassiker der beschwingten Melancholie sind Prefab Sprout so im Laufe der Jahre gelungen, mittlerweile hat sich McAloon eine gewaltigen Bart und eine weiße Mähne stehen lassen, um jetzt auch optisch, nicht nur stimmlich, Gott noch ein bisschen ähnlicher zu werden.
Paddy McAloon
Im Oktober soll unter dem Titel "Crimson/Red" das neunte reguläre Album von Prefab Sprout erscheinen. Die Vorabsingle ist abermals eine Hymne auf, für und durch den guten Stil. Sehnsucht, Verzweiflung und grandiose Selbstüberschätzung entwerfen hier wieder einmal ein Bild, auf dem zu sehen ist, dass das Leben zwar freilich ein schwieriges und zerknirschendes ist, oft jedoch auch voller Grandezza und triumphierender Violinen brummen kann.
"The Best Jewel Thief in The World" nennt sich das Stück und ist so etwas wie die zu spät gekommene akustische Begleitung zu Alfred Hitchcocks Klassiker "To Catch A Thief" mit Cary Grant. Über solche Themen wird auch viel zu wenig gesungen. Soviel Würde, spritzenden Witz und Charisma wie Cary Grant als verschmitzter Gentleman-Dieb über den Dächern von Nizza im Film mit sich trägt, bringt auch der Song mit. Das Stück swingt majestätisch, geschmeidig singt ein Orchester, Paddy McAloon malt mit seiner Stimme einen pastellfarbenen Sonnenuntergang in den Himmel.
"Watch Your Legend Grow" singt McAloon angesichts der Fähigkeiten und der Reputation des sicherlich nicht weniger als formidablen titelspendenden Juwelendiebs – es fällt schwer, diese Zeilen nicht ebenso als Selbstbespiegelung des alterweise gewordenen, gleichzeitig selbstzufriedenen wie vielleicht auch ein bisschen verbitterten Künstlers zu lesen. "The Best Jewel Thief In The World" hat so viel wunderhübschen Esprit und Paddy McAloon ohnehin so viel Eleganz, dass er gar das unedle Wort "assholes" ohne Schaden in dieses Stück einbauen kann.
Es ist beinahe so erhebend, wie damals, als man Jochen Distelmeyer das erste Mal das Wort "Geil" singen hörte. Man hätte das im gerne spröde und verkopft daherkommenden Werk seiner Band Blumfeld zuvor eventuell nicht erwartet. Vulgär oder gar billig wird auch "The Best Jewel Thief In The World" natürlich nie, der Song gewinnt so bloß an noch mehr überraschendem Witz.