Erstellt am: 28. 9. 2013 - 13:16 Uhr
Alpine Albträume
Schon häufig wurde hier an dieser Stelle geraunzt: Warum beschränkt sich der österreichische Spielfilm immer nur auf dysfunktionale Sozialstudien, Sexualtristesse, Gemeindebau-Portraits und ländliche Leere?
Bei allem Respekt für die Arbeiten von beispielsweise Michael Haneke, Ulrich Seidl, Barbara Albert, Götz Spielmann und all ihre Schülerinnen und Schülern - geben sowohl die dunklen Wiener Gassen als auch die atemberaubende heimische Landschaft nicht auch Stoff für dringliche Genrewerke her? Für hypnotische Thriller etwa? Oder gar für handfestes Horrorkino?
Es scheint, als würde der Ruf nach anderen filmischen Zugängen, die keinen Unterschied zwischen Kunst und Kommerz machen, in letzter Zeit etwas erhört. Der etablierte Regieprofi Andreas Prochaska, der mit den beiden „In drei Tagen bist du tot“ Streifen im Alleingang den Austro-Schocker kreierte, hat mit dem Alpenwestern „Das finstere Tal“ einen der vielversprechendsten Filme des nächsten Jahres abgedreht. Inklusive Britstar Sam Riley („Control“) und Bildern, die an Sergio Corbucci und die Coen Brüdern zugleich erinnern.
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Ein Berg sieht rot
Und dann ist da der junge Wiener Filmemacher Marvin Kren, der sein Handwerk in Hamburg studierte, mit „Rammbock“ das Zombiekino um einen deutschsprachigen Zugang erweiterte und der für sein eben angelaufenes Werk dem Zuschauer ebenfalls die eisige Höhenluft um die Ohren bläst.
Das Szenario kennt man aus etlichen Horrorfilmen: Eine einsame Forschungsstation, ein Haufen neurotischer Wissenschaftler, eine mysteriöse Gefahr, die draußen im Dunklen lauert. Das Neue an „Blutgletscher“ ist eben der Ort, die Sprache, die Stimmung. Die entlegene Klimaforschungsstation liegt nämlich in den österreichischen Alpen. Die zunehmend panischeren Protagonisten sprechen, je nach Herkunft, Hochdeutsch und heimischen Dialekt. Die Atmosphäre ist eigen und unverwechselbar und weit weg von lieblosen Kopien amerikanischer Erfolgsfilme.
Marvin Kren hat damit das Überfällige geschafft. Es gibt einen österreichischen Film abseits von Sozialporno und Alltagsanalyse, der alpines Lokalkolorit ganz locker mit Monster und Mutationen verbindet. Da muss die Story dann gar keine großartigen Überraschungen bieten. Wie in diversen Genreklassikern spielt die Natur wieder einmal verrückt. Eine rote Flüssigkeit im Gletscherwasser färbt die Berge ein und lässt die Tierwelt Amok laufen.
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Oldschool-Monster statt Computerungetümen
Genetische Mißbildungen attackieren das Forschungsteam und die zufällig im falschen Moment eintreffende Frau Umweltminister. Deren Darstellerin Brigitte Kren sticht aus dem soliden Cast rund um Gerhard Liebmann oder Edita Malovic übrigens nochmal hervor. Mit einer derartigen Leichtigkeit vermischt die toughe Regisseursmama komödiantische Momente mit hysterischem Ernst, dass sie auch an der Seite von Arnold Schwarzenegger auf Predatorjagd gehen könnte.
Die offensichtlichen und sehr klassischen Referenzen Marvin Krens – von John Carpenter und Joe Dante bis David Cronenberg - vermischen sich unaufdringlich mit dem alpenrepublikanischen Flair. Besonders sympathisch an „Blutgletscher“ auch: Der Regisseur macht aus dem geringem Budget eine Tugend. Statt sterilen (und in absoluter Perfektion auch unleistbaren) Computerungetümen sind die alpinen Monster liebevoll selbstgebastelte Puppenkreaturen.
Applaus also bitte für das erste österreichische Monstermovie! Und auch für den Regisseur, der sich im Interview als charmanter Enthusiast erweist. Was Marvin Kren über die Produktion des Films, die Tricks, seine ungewöhnliche Mutter und sein nächstes Projekt erzählt, könnt ihr hier nachhören. „Blutgletscher“ ist soeben in den heimischen Kinos angelaufen und ein monströses Vergnügen.
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PODCAST: Marvin Kren im Interview
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