Erstellt am: 27. 9. 2013 - 10:44 Uhr
Paul Koller macht Demakes
Seit einiger Zeit schon muss technischer Firlefanz nicht mehr als Ersatz für spielerische Innovation bei Games herhalten. Sicher, im Mainstream-Bereich ist das Wettrüsten um die beste Engine und das detailreichste 3D-Modeling weiterhin ein Faktor. Aber in der Welt der Indie- und Off-Games basteln sich die Entwickler ihre virtuellen Welten so, wie es ihnen gefällt. Über Shader und Polygonzahlen redet hier niemand.
Paul Koller + Vlambeer
Retro-Grafik und visuelle Erinnerungen und Referenzen an Spiele aus den 80ern und 90er Jahren sind nicht nur bei alternativen Computerspielen ein wichtiges Thema. Neben Indie-Hits wie "Spelunky" oder "Hotline Miami" sind auch Blockbuster wie "Minecraft" oder Neuauflagen von Klassikern wie "Pac-Man" voll mit kreativ durchtränkten Spielideen. Technische Spezifikationen sind hier zweitrangig. Oft sind diese Spiele auch rein platztechnisch verhältnismäßig klein und nehmen keine Gigabytes, sondern manchmal sogar nur zweisteilige Megabytes am Festspeicher ein. Ideal also für unsere aktuellen Spielgewohnheiten auf Smartphones, Tablets und abgespeckten PCs.
Vom Remake zum Demake
Im Rahmen kleinerer Spiele werden aber nicht nur gerne neue Ideen ausgetestet, sondern auch mal Games von damals grafisch aufgemotzt und auf modernen Geräten wiederveröffentlicht. Retro-Remakes eben. Was aber würde passieren, wenn man es umgekehrt macht, also aktuelle Titel für überholte Hardware umsetzt? Darf ich vorstellen: Paul Koller. Er ist ein extrem talentierter Programmierer aus den Niederlanden und macht in seiner Freizeit genau das: Er portiert junge Indie-Games für den über 30 Jahre alten C64, der, so Koller, auch bei heutiger Betrachtung noch "quite a capable platform" sei.
Robert Glashüttner
Paul Kollers Demakes bleiben nicht in der Projektphase stecken oder sind bloß hübsch anzusehende Screenshots, wie sie einem oft mal im Netz unterkommen. Hier wird die zeitgenössiche Vorlage akribisch und vollständig für das archaische Commodore-System adaptiert. Bisher hat Koller den Endless Runner-Begründer und Smartphone-Hit "Canabalt" sowie "Super Crate Box" von seinen Landsmännern von Vlambeer für den C64 umgesetzt. Natürlich haben die Spiele auch neue Namen bekommen: "C64anabalt" und "Super Bread Box", letzteres auf Anspielung auf den alten Spitznamen des Commodore 64.
Paul Koller hat Ende August bei der GDC Europe in Köln gesprochen. Den Vortrag gibt es als Video, ebenso verfügbar sind die Slides.
Wenn man ein zeitgenössisches Computerspiel für ein altes System umsetzt, ist das circa so, wie wenn man einen aktuellen Film mit Super-8-Kamera drehen würde. Die alte Hardware hat zwar viele Limitierungen, aber genau darin liegt auch der Reiz - wenn man sich auf die aus heutiger Sicht krude Bedienbarkeit einlässt. Dafür verblüfft im Optimalfall das Endergebnis außerordentlich und begeistert sind nicht nur Technikfans, die die ganzen Programmiertricks nachvollziehen können. Demakes sind offensichtliche Meisterleistungen. Sie sehen gleich aus wie ihre modernen Vorbilder und sind dann aber doch anders. Selbstverständlich gilt das auch für Musik und Soundeffekte. So ist der Titeltrack "RUN!" von Danny Baranowsky bei Paul Kollers Demake nicht bloß im 8-Bit-Stil gehalten, sondern - naturgemäß - ein waschechter SID-Soundchip aus dem C64.
Spielt man "C64anabalt", bemerkt man - bis auf die Farbpalette - so gut wie keine Unterschiede zum Original von Adam Saltsman. Die Bewegungen der Figuren sind ebenso flüssig, der Hintergrund bewegt sich genauso weich wie am PC oder am Smartphone. So etwas kriegt man nur hin, wenn man maschinennah, also möglichst abstrakt programmieren kann und imstande ist, um die Ecke zu denken, um diverse Tricks anzuwenden und so die Unzulänglichkeiten des alten Computersystems zu überlisten.
Die Old School ist nicht reif für innovative Spielkonzepte
In den letzten 30 Jahren haben sich aber nicht nur die Programmierwerkzeuge und die Hardware verändert. Auch das Game Design hat sich stark weiterentwickelt. Jene Retrospiele-Fans, die immer nur ihre alten Titel von damals spielen, können mit den Demakes moderner Games trotz aller technischer Raffinesse oft inhaltlich wenig anfangen. Paul Koller erzählt im FM4 Interview, dass viele das Prinzip etwa von "Super Crate Box" nicht verstünden, wo es nicht darum geht, wieviele Gegner man tötet, sondern wieviele Waffenkisten man sammelt. Mit der Waffe, die man jeweils zugewiesen bekommt, muss man arbeiten und kann sich nicht einfach mit dem stärksten Geräte um sich schießen.
"They didn't get the concept", sagt Koller, einigermaßen belustigt über diese merkwürdige Form des Generationenkonfliktes. Innovative Spiele von heute auf alten Systemen sind auf jeden Fall bereichernder als überholte Retro-Games, deren aus heutiger Sicht meist maues Gameplay viel zu oft dogmatisch in die Jetztzeit übertragen wird.
"C64anabalt" und "Super Bread Box" kann man sich als Dateien für den Emulator runterladen. "C64anabalt" liegt sogar als C64-Steckmodul vor. Welches von den vielen zeitgenössischen Indie-Games als nächstes eine perfekte Umsetzung für den Commodore 64 erfahren wird, steht noch nicht fest. Paul Koller macht das in seiner Freizeit, hat aber höchste Qualitätsansprüche an sich selbst. "I want to copy the games as good as possible."