Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Casual Hardcore Fingerballett"

Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

6. 10. 2013 - 12:37

Casual Hardcore Fingerballett

Das Schwertkampf-Epos "Infinity Blade" verwischt auf Apple-Geräten die Grenzen.

Mindestens drei Meter hoch, von Kopf bis Fuß in schwarzes Metall gepanzert und mit einer riesigen Keule bewaffnet versperrt mir mein Gegner den Weg. Mit Gebrüll und beängstigender Geschwindigkeit lässt er die stachelige Waffe auf meinen im Vergleich winzigen Ritter herabsausen, der in letzter Sekunde zur Seite springen kann. Zeit zum Verschnaufen bleibt mir wenig, denn wieder und wieder prügelt der gepanzerte Riese auf mich ein - so lange, bis ich zum Gegenangriff ansetzen kann und dem Hünen mit ein paar eleganten Schwerthieben in einem wahren Klingenballett zu Fall bringe. Die Erde bebt, als der Riese ächzend zu Boden geht - Größe ist eben nicht alles in Infinity Blade III.

Es gab Zeiten, in denen es die Unterscheidung zwischen "Casual" und "Hardcore" - hier die "ernsthaften" Gamer auf Konsolen und PC, dort die von Ersteren verachteten "Zwischendurchspieler" auf Facebook und Handy - in Spielen nicht gab. In Zeiten schwächerer, aber dafür als ausgleichende Ungerechtigkeit viel teurerer Spielcomputer entwickelten sich manche Spielideen zu hochgelobten Megasellern für die gesamte Spielergemeinde, die heutzutage von diversen Hütern der heiligen Ernsthaftigkeit des TRUE GAMINGS nur mit verächtlichem Naserümpfen von ferne als Casual-Kinderkram gedisst würden.

Zur Erinnerung: Das war nicht immer so - manches, was zu 8- und 16-bit-Zeiten als Gipfelpunkt des Spielens galt, fällt heute in die Kategorie "Zeitvertreib" am Handy.

Infinity Blade 3

Epic Games

Geschicklichkeitsspiel plus RPG-Innenleben

Die "Infinity Blade"-Reihe, deren dritter Teil vor kurzem für iOS-Geräte erschienen ist, kann man sich im Kern als Erben dieser frühen Gamesgeschichte vorstellen. Dreh- und Angelpunkt des Spiels sind die Mann-gegen-Mann-Duelle, in denen man in fixer Schulterperspektive gegen bedrohlich vor der eigenen Spielfigur aufragende Monster antritt. Mit Wischen und Tippen pariert man Hiebe, weicht aus oder blockt - sobald eine Schlagfolge des Gegners erfolgreich durchbrochen ist, hat man selbst Gelegenheit, zurückzuschlagen.

Neben (und hinter) diesem Spielskelett aus sich wiederholenden Kämpfen sorgt ein rudimentäres, aber solides Rollenspielsystem für zusätzliche Gamification: Alle Ausrüstungsgegenstände lassen sich aufleveln, der Held sowieso, es gibt massig kaufbare Gegenstände, Juwelen zum Sockeln, Tränke zu brauen und, und, und. Mit dem Management des Charakters und des Kriegsgeräts verbringt man gut und gern ein Viertel der gesamten Spielzeit; dass im dritten Teil per In-App-Kaufmöglichkeit in Form regulär unleistbarer Waffen mehrere Karotten aufgehängt wurden, die nur Zahlungswilligen erreichbar sind, ist dabei nicht besonders störend.

Permadeath light

Normale Gegner können beliebig oft erfolglos attackiert werden, die Bossmonster allerdings werfen uns beim Versagen zurück an den Anfang des jeweiligen "Erwachens" - eine eigentlich recht clevere Metafiktion, die das Spieldesignelement des Strebens und Wiederantretens durch die etwas wirre, aber passabel unterhaltsame Hintergrundstory aus SF-Fantasy begründet. Damit das garantiert nötige Wieder- und Wiederbesiegen der Gegner auf dem Weg zum Obermotz nicht allzu öde wird, hantiert "Infinity Blade" smart mit Zufallsmomenten: Nicht nur das Aussehen, auch der Typ der jeweils antretenden Gegner sowie deren Waffen und Levelstärke sind jedesmal neu. So bleibt zumindest die potente Illusion des ständigen Fortschritts, auch wenn darunter die Nüchternheit des Levelgrinds nur notdürftig verborgen ist.

"Infinity Blade" verbindet auf bewundernswerte Weise Einfachheit und Komplexität. Es ist somit die im wahrsten Sinne des Wortes "bleeding edge" zwischen "Hardcore" und "Casual" - ein klassisch-simpler Geschicklichkeitstest für zwischendurch gepaart mit dem komplex-motivierenden Charakter- und Inventory-Management eines Rollenspiels, verpackt in ein Hochglanz-Grafikgerüst aus dem Hause Epic, unterstützt von gamifiziertem Mikromanagement samt Pay2Win-Option. Kein Wunder, dass dieser nur von außen simpel erscheinende Megamix für die "Gears of War"-Macher im Verhältnis zu den Kosten das profitabelste Spiel überhaupt ist.

Infinity Blade 3

Epic Games

The bleeding edge

Wer die ersten Teile kennt, wird auch in Teil drei spielerisch nur wenig Neues zu sehen bekommen. Trotzdem zeigt sich wieder, dass die gängigen Trennwände zwischen “Casual” und “Hardcore”-Spielen mehr und mehr an Bedeutung verlieren. “Infinity Blade” reizt die mobilen Geräte bis zum Äußersten aus und zaubert tatsächlich Grafik wie auf aktuellen Konsolen auf die mehr oder weniger kleinen Bildschirme. Zugleich ist es simpel genug, dass man schnell einmal eine Runde spielen kann, dabei aber so herausfordernd und dank Crafting und Rollenspieleinsprengseln auch ausreichend komplex, um nicht nur Gelegenheitsspieler zu faszinieren.

"Infinity Blade III" ist für iOS - also aktuelle iPhones, iPods und iPads - erschienen.

Diese clevere und nur selten in solcher Perfektion zu sehende Mischung hat die “Infinity Blade”-Reihe zu Recht zum Must-have für spielende Besitzer von Apple-Geräten gemacht - und das nicht für Casual-Freunde oder Hardcore-Gamer, sondern für alle, die gern spielen.