Erstellt am: 25. 9. 2013 - 15:15 Uhr
Hochbruderdeutsch
Vor genau fünfzehn Jahren verstand ich plötzlich, wie wichtig es ist die deutsche Sprache zu beherrschen. Damals lebte ich mit meiner Familie in Berlin. Ich war gerade auf dem Weg zum Deutschkurs in der Volkshochschule. Plötzlich sprang aus einem Bagger, der gerade die Straße aufgrub, ein Mann.
Er schrie „Eine Bombe war! Eine Bombe war!“. „Bombe“ war klar, aber was genau wollte der Mann sagen? Dass er eine Bombe gefunden hatte? Das eine Bombe explodiert war? Dass er Bomben mag? Sein panisches Verhalten aber trieb mich dazu, mich so schnell wie möglich zu entfernen.
Es stellte sich heraus, dass der Baggerfahrer eine nicht explodierte Fliegerbombe aus dem zweiten Weltkrieg gefunden hatte, die fast fünfzig Jahre unter der Erde „geschlafen“ hatte.

APA
Die Richtigkeit der Sprache beschäftigt die meisten Arbeiter migrantischer Herkunft wenig. Sie müssen ja nicht jeden Tag verkünden, dass sie eine Bombe gefunden haben. Mein Freund Anton zum Beispiel hat eine eigene Version der deutschen Sprache kreiert: „Der Hochbruderdeutsch“. Seine deutsche Sprache besteht vor allem aus Infinitiven und Imperativen. „Der Hochbruderdeutsch“ hat seine Ursprünge auf Wiener Baustellen, wo Anton sein Brot verdient. Das ist die Sprache, die Anton mit seinen „Brüdern“ spricht, also mit den Kollegen.
Fast jeder Satz beinhaltet einen Imperativ der Verben „holen“, „gehen“ und „machen“. „Meine österreichischen Kollegen verwenden keine anderen Wörter. Sie kommen mit nur ungefähr zwanzig aus. Mehr braucht man eh nicht.“ sagt Anton.
Multi Kulti Deutsch
In seinem neuen Buch „Multi Kulti Deutsch“ beschreibt der deutsche Sprachwissenschafter Uwe Hinrichs die Veränderung der deutschen Sprache in der Folge der Migrationswelle aus dem Osten. Die Migranten sprechen zu Hause ihre Muttersprache und in der Öffentlichkeit die Amtssprache - Deutsch.
Unter dem Einfluss von Sprachen wie Türkisch, Arabisch, Rumänisch und Bulgarisch, werden die Fälle im Deutschen immer unwichtiger. Da es in diesen Sprachen keine Fälle gibt, manchmal nicht mal Artikel, übernehmen die Kinder der Migranten das in ihre Umgangssprache.
Die Kinder mit Deutsch als Muttersprache übernehmen das, bringen das in ihre Familien, und so weiter.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die deutsche Sprache von englischen Wörtern überflutet. Heute denkt sich niemand mehr was dabei. Die Sprache hat sich unterbewusst verändert. Bringt die Migrationswelle aus dem Osten die nächste Veränderung? Ist das „Hochbruderdeutsch“ die „Bombe“, die unter der ruhigen Alltäglichkeit schläft? Und ist das überhaupt eine Bombe?