Erstellt am: 23. 9. 2013 - 15:40 Uhr
Keine Experimente von "Mutti"
Gestern habei bei der deutschen Bundestagswahl die konservativen Unionsparteien CDU/CSU einen beispiellosen Wahlerfolg eingefahren. Seit der letzten Wahl hat die Partei um Angela Merkel um fast 7 Prozent zugelegt, nur knapp wurde die absolute verpasst. Der mehr oder weniger einzige Koalitionspartner FDP ist aus dem Parlament geflogen, die SPD hat weniger gewonnen als zuletzt erwartet, die Linke ist drittstärkste Kraft im Land. In Connected zu Gast war heute Cathrin Kahlweit, Österreich-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, die die Wahl analysieren wird.
SZ
Hatten sie auch, wie einige KollegInnen aus Deutschland getwittert hatten, den Artikel zum Wahlabend schon geschrieben und mussten wegen einiger Überraschungen alles neu schreiben?
Ich bin ja Österreich-Korrespondentin, nicht Deutschland-Korrespondentin, insofern hab ich nicht über Deutschland geschrieben, sondern saß wie die viele österreichische Kollegen aufgeregt vor dem Fernseher, aber um ihre Frage ernsthaft aufzunehmen, ich war überrascht, ich hatte dieses Ergebnis nicht erwartet. Ich hatte zwar erwartet - das klingt hinterher natürlich immer schlaumeierisch - , dass die CDU sehr, sehr gut abschneidet. Ich hatte aber auch vermutet, dass die FDP mit ihrer Zweistimmen-Kampagne wie immer in den letzten Jahrzehnten am Schluss reüssiert und nicht aus dem Bundestag fällt, deswegen war ich von Schwarz-Gelb sicher ausgegangen.
War der Erfolg, den die CDU eingefahren hat jetzt ein alleiniger Erfolg von Angela Merkel oder war das doch ein Zeichen der Anerkennung der Regierungsarbeit der letzten Jahre?
Weder noch. Natürlich war es ein Erfolg von Angela Merkel, die hat nicht umsonst ausgesprochen hohe Popularitätswerte hat. Und "Mutti", wie sie in Deutschland halb flapsig, halb liebevoll genannt wird, hat ja auch - je nachdem wie man das betrachtet - nicht besonders viele Fehler gemacht, sie hat sich sehr gut verkauft. Insofern ist es ein Erfolg für ihre Selbstpräsentation. Es ist aber, glaub ich, trotzdem kein Erfolg für die Regierungsarbeit, sondern für einen ganz bestimmten Kurs, den die CDU gefahren hat, nicht die FDP. Nämlich das, was sie in der Schlussphase des Wahlkampfs auch nochmal explizit formuliert hat: "Keine Experimente". Das war ein CDU-Kurs, die haben gesagt, wir verändern nicht viel von dem, was wir den Leuten zumuten, wir machen fast redundante, vorsichtige, zaghafte Politik und dafür ist die Union belohnt worden.
APA
Eine der Überraschungen des gestrigen Abends war ja auch der Erfolg der neuen Rechtspartei AfD - Alternative für Deutschland - knapp unter 5%, so schaut das endgültige Ergebnis aus. Wie erklären sie sich diesen Erfolg?
Das ist ja keine Rechtspartei, wie man sie in Österreich so verstehen würde. Also ich persönlich verstehe unter Rechtspartei mit Verlaub die FPÖ - ausländerfeindlich, antisemitisch oder zumindest mit diesen Vorurteilen spielend. AfD ist ja aus dem Fleisch der Union letztlich, so wie die Neos hier auch, kommt aber von der anderen Seite. Hatte durchaus auch Intellektuelle, Akademiker, viele Bürger zumindest als Sympathisanten auf ihrer Seite, weil man ja durchaus über die Bewältigung der Finanzkrise, den Umgang mit Steuergeldern, den ESM streiten kann. Und offenbar haben immerhin 4,7 oder 4,9 Prozent soviel Bauchschmerzen gehabt im Umgang mit Steuergeld in Europa, dass sie gesagt haben, man muss das neu denken. Ob das rechts ist, weiß ich nicht. Ich glaube nicht, dass jeder der die EU-Politik kritisch hinterfragt, sofort rechts ist.
Wenden wir uns dem Wahlkampf in Österreich zu. Merkels Erfolg wird jetzt von mehreren Seiten beansprucht, sowohl von der ÖVP als auch von Kanzler Faymann sagen, sie sehen da Parallelen zu sich selbst und zu ihren eigenen Parteien. Sie kennen ja auch die österreichische innenpolitische Situation ganz gut, kann man jetzt aus dem deutschen Ergebnis Rückschlüsse auf das Wahlergebnis in Österreich ziehen?
Ich fürchte, überhaupt nicht. Ich fürchte, alle ruhen sich jetzt auf diesen wunderbaren Blumen aus, die sie aber selber nicht gestreut bekommen werden. Die ÖVP hat mit der deutschen Union oder der CDU muss man besser sagen, relativ wenig zu tun. Die CDU hat in den letzten zehn Jahren sehr viele traditionelle Positionen aufgegeben, hat sich stark in die Mitte orientiert, hat im Grunde linksliberale Klientel eingesammelt. Ich habe zumindest bisher nicht beobachtet, dass die ÖVP das tut, sondern die sitzt in einem ziemlichen Bunker - ideenpolitisch. Insofern glaub ich, dass die ÖVP diesen großen Erfolg aufgrund ihrer Inhalte nicht erreichen wird und außerdem hat die CDU Frau Merkel gehabt. Die ÖVP hat Herrn Spindelegger. Der Kanzler sagt natürlich, die Kanzlerin war stark, ich bin ein starker Kanzler, also wählen die Leute hoffentlich einen Kanzler. Kann gut sein. Ich glaube, dass die Parallelen hier noch am ehesten zu finden sind, weil es auch hier wieder gilt: Keine Experimente, das Prinzip der ruhigen Hand. Und ich kann mir gut vorstellen, dass das sich ähnlich in den Wahlergebnissen hier niederschlagen wird.