Erstellt am: 23. 9. 2013 - 14:07 Uhr
Es funkelt sehr schön, es brummt und summt
FM4 Artist of the Week
Alle auf einen Blick unter fm4.orf.at/artistoftheweek
Kaum weniger und nicht wesentlich mehr hat man von dieser Band erwartet, als dass sie mit ihrem jetzt erscheinenden Debütalbum endgültig zum angenehmen Konsens werden würde. Chvrches, das Trio aus Glasgow, an dem man sich nur schwer – außer man hat es nicht gar so sehr mit Quietschestimmen, Synthie-Pop und Gefälligkeit – reiben kann. Eine ganz und gar - in ihrer personellen Zusammensetzung zwar durchaus merkwürdige – altmodische Band, die in neuen Gewändern tanzt. Und keine Sensationen in die Welt bringt, sondern bloß von hinten bis vorne perfekt geschneiderte elektronische Pop-Songs.
Iain Cook und Martin Doherty, Ende bzw. Anfang 30, die bei Chvrches vor allem für die Synthesizer, die Elektronik, ein bisschen Gitarre und Bass und die Background Vocals zuständig sind, haben schon vor der Gründung der Band vor etwa zwei Jahren immer wieder mal in unterschiedlichen Konstellationen zusammengearbeitet. Vor allen Dingen waren sie aber – oder sind es immer noch - unabhängig voneinander in solch rauschebärtigen, der Melancholie verpflichteten Gruppen wie Aereogramme, The Unwinding Hours oder The Twillight Sad tätig. Richtige Bands mit Gitarren, die sich da Trübsal blasend und schnaufend an Ideen wie Postrock, Slow und Sad-Core, Rock-Rock und tendenziell wehmütigem Indie mit teils erhellenden Ergebnissen abmühten. Lauren Mayberry, Mitte 20, Sängerin und teilweise auch an den Synths tätig, war vor Chvrches in der Band Blue Sky Archives aktiv – eine Gruppe, die sich ebenfalls - in diesem Fall ästhetisch eher in den 90ern verwurzelt - an gitarrenlastigem Indie versuchte.

Chvrches
Die drei guten Menschen von Chvrches kommen nicht aus dem Club, und das kann man hören. Man kommt heutzutage aber natürlich eben nicht bloß entweder aus dem Club, wo der Beat regiert, oder der Garage mit Rockmusik drin. Chvrches haben also auch Clubmusik gehört und schmücken so die feinen Keyboard-Lieder, die sie auf ihrem Debütalbum „The Bones Of What You Believe“ versammelt haben, auch mit rudimentär abgehörten Versatzstücken von Dubstep, ein bisschen Trap und House. Das alles klingt aber bei Chvrches sehr unbedarft und von bloßem Hörensagen ins eigene Repertoire eingespeist.
Bei Chvrches werden keine klanglichen Abenteuer gesucht und es wird auch kein rhythmisches Neuland betreten, es werden Songs geschrieben. Man glaubt hier an die Kraft der Liebe und die der echten Traurigkeit, nicht an den Zynismus. Hier wird alleine und mit Tränen in den Augen zum Beat aus der Orgel getanzt und zu süßlichen Melodien geschmust.
Die Welthits „The Mother We Share“, „Gun“ und „Recover“ sowie der mittlere Hit „Lies“, die Chvrches im letzten Jahr berühmt gemacht haben, sind jetzt alle wieder auf „The Bones of What you Believe“ vertreten. Chvrches haben es sich da vielleicht ein bisschen einfach gemacht. Besser als in diesen Stücken wird es dann auch auf diesem sehr soliden bis sehr guten Album aber auch leider nicht mehr.
Hier wird Stillstand auf sehr hohem Niveau praktiziert und das Erbe der Eurythmics, der frühen Madonna und der Disco-Madonna im Kostüm von Stuart Price verwaltet. Von Everything But The Girl und Gary Numan und seiner Tubeway Army. Modernere Ideen schwappen von Acts wie M83 und Purtiy Ring über. Prunkvolle Ideen, geschichtete Stimmschnipsel, schaumbrandende Elektronik. Fanfaren des Herzschmerz, die billigste Pracht. Wenn hier gefühlt wird, wird gefühlt. Es schunkelt gar wunderbar, die ganze Welt ist ein Schaumbad in Rosa bzw. dann wieder ein Aschekeller, von draußen schlägt einer mit der Stahlrute rhythmisch ans Gitterfenster.

Chvrches
Eine leise Überraschung kommt dann doch noch auf dieser Platte, die ganz genau so herrlich blubbert und pulsiert und säuselt, wie man sich das von ihr im Vorfeld ausgemalt hat: Wenn Keyboarder Martin Doherty nämlich in zwei Songs die Lead-Stimme übernimmt. Gar so richtig gut kann er das nämlich nicht, schüchtern scheint er, nicht ganz überzeugt, wie man das eben oft nicht ist - was der Platte dann doch noch ein paar kleine schöne Sprünge und Risse verleiht. Vor allem das Stück „Under The Tide“ ist ein Höhepunkt.
Im Gegensatz zu ähnlich gelagerten Kolleginnen aus der Gegenwart wie Charli XCX, Icona Pop oder auch Sky Ferreira bemühen sich Chvrches nicht um die Magie des "Hip" und tanzen nicht auf doppelten Böden. Chvrches sind eine Gruppe, auf die man sich einlassen möchte. Schöne Lieder von lieben Menschen. Stücke, die man als schlichte Hymnen der Jugendschwermut und der jede Vergangenheit verklärenden Midlife-Nostalgie begreifen möchte. Auf dem zweiten Album wird dann aber ein bisschen riskiert, okay? YOLO.