Erstellt am: 22. 9. 2013 - 14:08 Uhr
Nebel, Schwindel, Rausch
Das ist die Musik, zu der man sich im Engtanz gegenseitig durch eine Kaschemme am Rande des Highways schiebt. Vielleicht schon etwas behäbig und trunken geworden, eventuell hat man Alkohol zu sich genommen und ist müde, in jedem Falle aber bleibt man zärtlich. An den Wänden hängen schwere rote Samtvorhänge, eine Tanzfläche gibt es nicht. Was es jedoch gibt, ist eine Jukebox. Es läuft "Paper Trails" von Darkside, schon zum zwanzigsten Mal.
Es ist sicherlich ein Leichtes, sich das neue Stück des Duos Darkside als Teil dieses schon hundertfach zitierten "imaginären" Soundtracks für ein nie gedrehtes Road Movie, in dem die Wüste nur so staubt, auszumalen. Inszeniert muss den Fiebertraum mindestens ein David Lynch haben. Wer sonst? Mit dem zweiten Vorboten – nach der im August veröffentlichten epochalen, 11-minütigen Nummer "Golden Arrow" – zu dem im Oktober erscheinenden Debütalbum ihres gemeinsamen Projekts Darkside nähern sich die zwei Herren Dave Harrington und Nicolas Jaar der Form "Song" und bekannten Schablonen so sehr an wie kaum zuvor in ihrem Schaffen. Es bleibt aber dennoch spannend und verwirrend in diesem wunderbaren Stück Musik.
Darkside
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Der chilenisch-amerikanische Produzent Nicolas Jaar hat 2011 mit seinem Debütalbum "Space is only Noise" elektronische Tanzmusik als weirde, an allen Enden offene Psychedelik begriffen, die gemeinsam mit dem Gitarristen Harrington aufgenommene erste EP von Darkside hat sich im selben Jahr dann mit ihrer Mixtur aus Zeitlupendisco, minimalistischem Pop und abgebremstem Funk schon etwas stärker in Richtung Dancefloor bewegt. Auf dem dann aber eher verträumt geschunkelt denn Ekstase geübt werden sollte. "Paper Trails" ist jetzt ein Popsong, der auf einer bedeutungsschwanger gezupften Blues-Gitarre und ein paar Handclaps durch den Nebel taumelt.
Chris Isaak und Chris Rea hätten sich sicherlich gefreut, wäre ihnen diese Unheil wie gleichermaßen verschwitzte Erotik verheißende Barmusik im Whiskyrausch zugefallen. Nicolas Jaar nuschelt und murmelt, das Zischeln der Becken scheint einem Höhepunkt entgegenzusteuern – eine Erlösung jedoch kommt nie. Am Ende bleiben ein Knistern und Rauschen, ein fetter Dunst steht im Raum. Schwindelgefühl stellt sich ein.