Erstellt am: 21. 9. 2013 - 09:21 Uhr
Endlich am Ende

Die Partei
Hundertfach gestellte Prognosen, endlose Talkshows und Berliner Runden, das Kanzlerduell mit Stefan Raab als Mitmoderatoren, den dann auch noch viele ernsthaft loben. Wie tief will das Fernsehen noch sinken!
Draußen, wo man hinschaut, die inhaltsleeren Plakate. Jeden Sonntag Hüpfburgen und Luftballons mit Parteilogos auf den Berliner Plätzen. Abends im Fernsehen immer sinnlosere Talkrunden, täglich neue "Aufreger": Steinbrücks Fuck-you-Finger, die Zweitstimmenkampagne der FDP, die Pädophilen-Verstrickungen der Grünen - es reicht! Wie lange kann so ein Endspurt denn dauern?
Auch die Diskussionen im Bekanntenkreis nehmen inzwischen absurde Auswüchse an. Rot- Grün kann nix mehr werden, das weiß inzwischen jeder, Schwarz-Gelb hat nur einen hauchdünnen Vorsprung, eine große Koalition zwischen SPD und CDU zeichnet sich ab - muss man jetzt nicht strategisch wählen ?
Eine verwirrte Bekannte wollte sogar schon aus Protest gegen die SPD ihre Stimme an Angela Merkel geben und konnte nur durch das Absingen der alten Rocko-Schamoni-Hymne "Du wählst CDU deshalb mach ich Schluss" zur Raison gebracht werden. Kein Wunder, dass alle durch drehen.
Einig ist man sich bei nicht repräsentativen Umfragen im Freundeskreis (alle links von der CDU) in der freudigen Hoffnung, dass die neoliberale FDP rausfliegt, also die 5%-Hürde nicht schafft, die Grünen ordentlich abgewatscht werden, die Piraten in Bedeutungslosigkeit um 3% versinken. Aber wen sie wählen sollen, das wissen die Meisten immer noch nicht.

Die Partei
Eine große Koalition braucht eine starke linke Opposition. Linke wählen ist unter diesem Aspekt durchaus sinnvoll - darauf kann man sich wenigstens einigen. "Aber halt!", wirft einer ein. "Es gibt doch noch eine Partei, an die wir bislang gar nicht gedacht haben: Die Partei!"
"Die Partei", auch gerne als "Satire"- oder "Titanic"-Partei bezeichnet, steht für "Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative". Und sollte man nicht diese Partei mit den besten Plakaten und den tollsten Wahlversprechen wählen? Die Partei schwadroniert zum Beispiel nicht lange über Umverteilung und gerechte Löhne, sondern sucht nach einer direkten Lösung der sozialen Frage: "Wenn Sie uns wählen, lassen wir die 100 reichsten Deutschen umnieten", verspricht ein Plakat.
Auch die Slogans sind erstklassig. Während die anderen Parteien seit Monaten unsere Intelligenz mit "Gemeinsam erfolgreich", "Damit Deutschland stark bleibt" und "Das Wir entscheidet" beleidigen, sagt es Die Partei direkt und unverblümt: "Merkel ist doof!" "Inhalte überwinden!" "Das Bier entscheidet!"
Und nicht zuletzt verspricht Die Partei, dass sich nach ihrem Wahlsieg Angela Merkel – genau wie ihr Kollege Mubarak in Ägypten – in einem Schauprozess zu verantworten hat. Natürlich in einem Käfig.
Aber wenn man dann endlich weiß, was man wählen soll, steht auch schon wieder die nächste Wahlentscheidung an: Wo den Wahlabend verbringen? Angebote zum Gemeinsam-Wahl-Gucken gibt es viele. Überall dort, wo sonntags traditionell "Tatort" en famille geschaut wird, lädt man am Sonntag ab der Prognose um 18 Uhr zu Buffet, Getränken und Wahlübertragung ein.

Die Partei
In der Berliner Volksbühne werden die Bildschirme im Theaterfoyer zur Übertragung angeknipst, Radiolegende Jürgen Kuttner und andere Künstler zeigen unter dem Motto "Make Love not Wahl" lustige Videoschnipsel und spielen die Elefantenrunde mit Puppen nach. Wer will, kann auch mit den Piraten auf dem Raw-Gelände in Friedrichshain, mit der Linken in der Kulturbrauerei am Prenzlauer Berg oder den Grünen in der C-Halle am Flughafen Tempelhof feiern.
Die beste Wahlparty scheint dieses Jahr ausgerechnet im biederen Berliner Westend stattzufinden. Bei einem Herbstfest mit Rockabilly-Musik wird beherzt zum Trinken geladen. Motto der Party: "Egal, was die Wahl auch bringt – Nüchtern kann man die Regierung sowieso nicht ertragen!"