Erstellt am: 21. 9. 2013 - 07:42 Uhr
Komani-Strategie macht Schule
Zwei kleine Mädchen sitzen in dunkelrosa Kleidern auf einem Fensterbrett vor gepackten Umzugskartons. Die Bilder der Komani-Zwillinge aus dem Kosovo, die mit ihrem Vater abgeschoben wurden und dann zurückkehren durften, sind im Herbst 2010 durch Österreichs Medien gegangen.
APA/HANS KLAUS TECHT
Der erfolgreiche Protest gegen diese Abschiebung ist auch einer der größte Erfolge des Freunde-Schützen-Hauses. Ein Haus für AsylwerberInnen in Wien, das von der Abschiebung bedrohte Familien aufnimmt, um beim Anrücken der Fremdenpolizei schnell und effizient Protest organisieren zu können.
Die Betroffenen ins Bild rücken
Wenige Jahre zuvor war eine junge Asylwerberin namens Arigona Zogaj untergetaucht und hatte medienwirksam dramatische Appelle gegen ihre Abschiebung versandt, die die Herzen der ÖsterreicherInnen und sogar der kleinformatigen Medien rühren konnten.
2010 hat FM4 im Rahmen von Licht ins Dunkel für das Freunde-Schützen-Haus gesammelt.
"Wie wir das Haus im Jahr 2010 eröffnet haben, war es noch nicht so, dass man Familien in den Medien gesehen hat, sondern da gab es immer Bildberichte ohne Bild, Aussagen von Rechtsvertretern, aber es gab die Betroffenen nie!", sagt Karin Klaric vom Freunde-Schützen-Haus. Die Betroffenen ins Bild zu rücken, anstatt über sie zu sprechen, war auch von Anfang an eine Strategie des Freunde-Schützen-Hauses: "Wir haben das immer in Kooperation mit dem Betroffenen gemacht. Weil die gesagt haben: 'Wir wollen! Wir wollen das einmal zeigen und wir wollen auch einmal sprechen!'"
APA / HELMUT FOHRINGER
Und so sind dann die Bilder von den Komani-Zwillingen durch die österreichischen Medien gegangen. Aber auch die von der Abschiebung eines behinderten Mädchens, wo die Polizisten mitten in der Nacht ins Freunde-Schützen-Haus kommen. Für solche Medienaktionen hat es auch Kritik gegeben: dass die Kinder medial vorgeführt würden und dass auf die Tränendrüse gedrückt werde. Karin Klaric kann diese Kritik nicht verstehen. "Für die Bilder bei den Abschiebungen können wir nichts", sagt Karin Klaric. "Diese dramatischen Ereignisse haben wir nur dokumentiert." Und Kurosch Allahyari ergänzt: "Ich wüsste nicht, was es daran zu kritisieren gibt. Mich als Staatsbürger interessiert es sehr, wie so eine Amtshandlung vor sich geht und wie man in meinem Land mit anderen Menschen umgeht. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass das andere Staatsbürger nicht interessiert!"
Die Klage der Polizei
Für das Freunde-Schützen-Haus bzw. den Verein Purple Sheep hatte das Filmen allerdings ein Nachspiel: Zwei Polizisten klagten den Verein, weil sie bei dem Abschiebeversuch gefilmt wurden und die Bilder im ORF-Fernsehen zu sehen waren. Die Polizisten argumentierten, sie und ihre Familien hätten Schaden genommen, weil sie bei "von der Bevölkerung als mehrheitlich inhuman angesehenen Amtshandlungen" gezeigt wurden. Außerdem - so argumentieren sie in der Klage - wurde ihnen durch diese Bilder die Möglichkeit genommen, verdeckt zu ermitteln.
"Man hat uns am Anfang geraten, uns mit den Polizisten zu vergleichen", erzählt Karin Klaric. "Wir haben darin ganz klar einen Angriff gegen uns und gegen jeden anderen gesehen, der versucht eine Amtshandlung zu filmen. Deswegen haben wir das nicht gemacht." In diesem Fall hat der Verein Puple Sheep mittlerweile in letzter Instanz Recht bekommen. "Leider ist das Urteil nicht so eindeutig ausgefallen, wie wir es uns gewünscht haben", sagt Karin Klaric. "Aber immerhin konnten wir verhindern, dass hier ein Präzedenzfall geschaffen wird."
Komani-Strategie macht Schule
Beim Freunde-Schützen-Haus kann man gerne vorbeikommen und sich selbst ein Bild machen, täglich von 16 bis 20 Uhr ist geöffnet! Sachspenden werden auch immer gebraucht. Da aber bitte zuerst auf der Purple-Sheep-Seite vorbeischauen und anmelden, was man anzubieten hat.
Immerhin, die Strategie des Zeigens der Betroffenen hat Schule gemacht: bei der Refugee-Bewegung oder bei ganzen Gemeinden, die sich gegen Abschiebungen einsetzen. Und das hat wiederum Auswirkungen auf die Behörden: Mittlerweile kommen die Polizisten bei Familienabschiebungen in zivil und nicht bis an die Zähne bewaffnet. Die abgeschobenen Familien werden auch nicht mehr in Schubhaft, also im Gefängnis untergebracht, sondern in einer eigenen Einrichtung.
Kleine Verbesserungen, findet Karin Klaric. "Dass man da jetzt zufrieden sei kann, nach menschenrechtlichen Aspekten, davon ist natürlich nicht zu reden." Denn überflüssig ist das Freunde-Schützen-Haus nicht, im Gegenteil: 118 Menschen werden derzeit im Haus und in Wohnungen betreut und es könnten weit mehr sein. "Wir sind ursprünglich mit dem Ziel angetreten: nach zehn Monaten sperren wir zu und das Aslygesetz ist geändert. Das war sehr idealistisch, das konnten wir nicht schaffen."