Erstellt am: 18. 9. 2013 - 15:15 Uhr
Der Laberflash
Die Lehmann-Trilogie auf FM4:
"Herr Lehmann"
"Der kleine Bruder"
"Neue Vahr Süd"
Mit der Trilogie "Herr Lehmann" ist Sven Regener ein ganz großer Wurf gelungen. Im Mittelpunkt steht der Antiheld und wohl beste Berliner Barmann - Frank Lehmann. Gleich daneben sein prächtiger Freund Karl Schmidt - im Film großartig dargestellt von Detlef Buck. Der Künstler, der letztendlich zu wenig auf seine eigene Elektrolyte geschaut hat und von Herrn Lehmann in die Psychiatrie eingeliefert wird. Während die Mauer fällt, fragt man sich, was aus Karl Schmidt wohl werden wird ...
Galiani Berlin
Zuerst die gute Nachricht: Karl Schmidt ist wieder da. Fünf Jahre nach seinem Zusammenbruch lebt er in Hamburg Altona in einer betreuten Drogen-WG und verdient sich sein Geld als Aushilfshausmeister in einem Kinderkurheim. Er ist völlig clean und hat mit seiner Vergangenheit nichts mehr zu tun.
Bis er zufällig auf Raimund Schulte trifft. Der hatte in Berlin den kleinen Bumm-Bumm-Club. Mittlerweile betreibt er mit einem Freund die Label Bumbum und Kratzbürste und ist ganz groß und schwerreich im Technogeschäft.
Mit seinem Label plant er die Magical Mystery - eine Rave-Tour quer durch die deutsche Provinz. Karl Schmidt soll die DJs fahren - eine ideale Wahl - ist er doch immer nüchtern. Nur seine Psychose kratzt immer wieder leise an der Tür. Das sei eine Abenteuergeschichte von jemandem, der einen Sprung in der Schüssel hatte, erklärt Regener im Interview. Der Sprung sei zwar geklebt, aber noch da.
Soweit so kurz zum Inhalt, der einiges hergeben würde.
Und jetzt zur schlechten Nachricht: der Roman schwächelt an zu vielen Stellen.
Da sind mal die bemüht lustigen Namen der Figuren: Schöpfi, Dubi, Flapsi oder Ferdi heißen die oder auch Holger und Basti - die sich als DJ-Duo "Hosti Bros" nennen und mit dem Hit "Hallo Hillu" beinahe jedem Nachtportier ein Begriff sind.
Dann sind da die faden kindergartentauglichen Dialoge, noch dazu mit unerträglichen Längen. Über drei Seiten dauert eine Entschuldigungsszene zwischen Raimund, Ferdi und Flapsi, die sich darüber streiten, ob das DJ-Duo "Hosti Bros" prollig ist:
"So hatte ich das auch verstanden", sagte Ferdi. "Das war nicht negativ gemeint."
"Raimund meint aber wohl!"
"Dann tut mir das leid."
"Das musst du ihm selber sagen. Geh doch eben rüber und sag's ihm", schlug ich vor.
"Der soll selber kommen, dann entschuldige ich mich."
Ich ging wieder zu Raimund.
"Ferdi will sich entschuldigen."
"Dann soll er herkommen."
"Er meint, du sollst rüberkommen."
"Ich geh doch nicht da rüber, wenn er sich entschuldigen will, das ergibt doch keinen Sinn. Wenn er sich bei mir entschuldigen will, dann muss er auch herkommen!"
Ich ging wieder zu Ferdi.
"Er meint, du sollst zu ihm kommen und nicht er zu dir. Du sollst dich entschuldigen, deshalb sollst du auch hingehen."
"Und was ist mit mir? Soll ich mich nicht entschuldigen?" fragte Flapsi.
"Das sollte man vielleicht erst mal klären", sagte Ferdi.
Ich also wieder zurück zu Raimund.
Und was wäre ein Kindergarten ohne kleine Tierchens? Genau. Da gibt es noch das Meerschweinchenpärchen mit den lustigen Namen Lolek und Bolek, das heimlich mit in den Tourbus geschmuggelt wurde.
So viel Freude mit den kleinen Nagern!
Und so viel Traurigkeit, als eines der Meerschweinchen stirbt. Übrigens einer der Höhepunkte der Geschichte.
APA / Robert Jäger
Aber gut, es soll ja auch Leute geben, die mit schenkelklopfender Heiterkeit gerne Faschingssendungen anschauen. Die lachen wahrscheinlich auch über das ewige Gequatsche, das Regener gerne "Laberflash" nennt.
Dieses Wort komme nicht nur in vielen Büchern bei ihm vor, er kriege auch in Interviews immer wieder irgendwann einen Laberflash. "Dann rede ich und rede ich und rede ich und rede ich - wie jetzt zum Beispiel. Und das geht immer weiter. Aber oft hat es natürlich was mit Drogen zu tun. Also drogeninduzierte Laberflashs sind - viel mit Hasch zum Beispiel. Hasch ist so eine Laberflashdroge. Aber auch Kokain. Glaube ich. Ist sehr gut für Laberflashs, teilweise. Aber eigentlich ist es so ein Kifferwort. Also manchmal bekommt man unter dem Einfluss bestimmter Drogen auch einen Laberflash. Ich aber bin ein alter Kontaktstonedmann, ich krieg das eigentlich öfter mal. Man hört einfach gar nicht mehr auf zu reden. Also jetzt zum Beispiel liefere ich gerade das klassische Beispiel für einen Laberflash ab, weil ich auch einfach stundenlang weitermachen könnte."
Auf meine Gegenfrage, ob man einen Laberflash auch beim Schreiben bekommen könne, schweigt Regener erst mal irritiert. "Wahrscheinlich, ja, wieso?"
Weil man hier den Eindruck nicht los wird, dass sehr viel gelabert wird. Zu viel - zieht sich dieses Gelaber doch auf über 500 Seiten und verspricht der Klappentext doch irgendwie, im Universum des Herrn Lehmann anzuknüpfen. "Auf dem Cover wird nicht mit Herr Lehmann geworben. Es wird damit geworben, dass Karl Schmidt Lehmanns bester Freund war."
Schade um Karl Schmidt, war der doch eine der lässigsten Figuren im Herr Lehmann-Universum. Seine Rückkehr hätte mehr hergeben können.
Naja, das Buch wird seine LeserInnen finden. Schon klar. Aber ebenso klar ist, dass es bessere Bücher von Sven Regener gibt.