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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

13. 9. 2013 - 17:58

A Case for Shame

Moby vergibt uns unsere Schuld.

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Einsamkeit und Verantwortung auf der einen, Glück und Unschuld auf der anderen Seite: Die Fragen, die Moby in seiner Musik behandelt und uns vor den Latz knallt, scheinen immer in einem Koordinatennetz dieser vier Punkte zu pendeln. Moby versucht moralisch zu handeln in einer amoralischen Welt.

Der Wahlkalifornier Moby hat ein neues Album gemacht und sein Wohnort hat, wie er sagt, sein Denken geprägt. Er nennt sich selbst einen südkalifornischen Hippie mit abgeschlossenem Philosophie-Studium.

Cruelty is unacceptable

Auf seinem Album "Animal Rights" brachte er eine Auflistung von Fakten, die untermauern, was für ein ökologischer und moralischer Fehler es ist, Tiere in industriellem Ausmaß zu halten und zu töten, egal was eine auf Profit ausgerichtete Industrie als normal und natürlich etabliert hat.

"One of the main reasons I'm vegan is because I'm ethically lazy. My friends who eat meat or who eat eggs have to sometimes wrestle with the ethical consequences of their actions. By being vegan, I take the easy way out. I truly don't judge other people's actions. But I think that factory farming is an abomination."

moby

Nachdem jetzt ein Moby-Album mit dem Namen "The Innocents" erscheint und ein Foto von Moby mit einer Bärenmaske in seinem Pool auftaucht, das sehr an das Cover von "Everything Is Wrong" erinnert, da ging ich davon aus, dass für Moby die Begriffe Unschuld und Menschheit nicht vereinbar sind und er an "Animal Rights" anknüpft. Ich freute mich auf Plädoyers für politische Verantwortung, die Pflicht zum Widerstand, wenn alles falsch ist und brennende Schlachthöfe.

Moby ist allerdings auf einem anderen Weg: Bei all den furchtbaren Dingen, die wir als Spezies getan haben, hätten wir uns Unschuld bewahrt, weil dahinter immer unsere Suche nach Glück stehe.

moby

Innocents erscheint am 30. September.

Unsere Konversation verlief wie folgt:

Hallo Moby, wer oder was ist unschuldig in dieser Welt?

"For me being human means being innocent because we don't fully understand the world we live in, and we don't fully understand our significance. It´s not to excuse the bad things people do. I just feel like as humans we don´t really understand what we do. Every human being is just trying to make some sense for their lifes and trying to figure things out and that leads to a lot of bad decisions and bad behaviour but ultimately I think people are just confused."

Schweigen auf meiner Seite. Wir sind unschuldig, weil wir als Menschen so klein, unbedeutend und verwirrt sind? Damit komm ich nicht zurecht. Ich dachte immer, wir müssen versuchen, soviel wie möglich zu verstehen, zu widersprechen und zu handeln, weil uns das zu Menschen macht, nicht die Kapitulation vor Größe und Allmacht.

"To be honest with you, I don´t know. I look at some of the things people do and they just seem evil. There are things people do I cannot understand because they are so bad and so wrong that the only explanation is that they are evil, but as far as I know I'm not god so I don't have the objective awareness, so I honestly don´t know."

Aber für meinen nach Südkalifornien gezogenen Hippie-Freund mit dem Philo-Abschluss ist Gott nicht gestorben, so um 1882 rum, und wir sind jetzt alleine und müssen selbst und als Menschen mit der ganzen Scheiße zurechtkommen - wer wischt dies Blut von uns ab?

Moby erzählt mir, dass das Universum 15 Billionen Jahre alt ist und dass wir mit unserer begrenzten Lebensspanne so gut wie es in unserem Ermessen liegt handeln sollten, aber nie voll und ganz das Level von Objektivität und Bewusstsein haben werden zu verstehen und deshalb unschuldig sind.

Ich beschließe mit meiner begrenzeten Objektivität und begrenztem Bewusstsein zu akzeptieren, dass Moby Frieden gefunden hat, was wahrscheinlich in den Hollywood Hills einfacher ist als in Compton, Damaskus oder Traiskirchen, und dass alles ganz einfach und gut wird, wenn man in Richtung Unendlichkeit blinzelt. Findet übrigens auch die Wikipedia: "Unschuld bedeutet den Zustand eines unbefangenen oder unwissenden Menschen, der moralisch nicht als schuldig betrachtet werden kann."

Bitte bitte Moby, mach dass ich das glauben kann, und die Welt tatsächlich so wird.

Erwähnte ich es schon irgendwo? Ich bin Opportunistin. Ich kann mit Mobys Konstrukt Innocents nicht so viel anfangen, aber das Album, das das Resultat diese Denkens (oder ist es mehr ein Fühlen?) ist, beruhigt mich. Es ist ein Musik gewordenes Selbsthilfebuch. Moby will uns glücklich machen und vielleicht ist auch das sein Job und nicht mit mir zu debattieren. Die Schönheit, Gelassenheit und Ruhe von "Innocents" funktioniert teilweise. Pop-Harmonien treffen auf elektronische Beats. Das Album ist symphonisch. Streicher umgarnen die gelassene Melancholie der Stimmen.

Moby hat auf "Innocents" einige Gäste geladen: Mark Lanegan von den Screaming Trees, Wayne Coyne von den Flaming Lips oder auch die Musikerin Cold Specks sind mehrfach zu hören.

A beacon will send you home

Cold Specks singt auch auf der ersten Single "A Case for Shame", von der es aber auch einen Honor Detroit Remix gibt, den Moby der bankrotten Metropole gewidmet hat, die die Heimat von ihn seit Jahrzehnten inspirierender elektronischer Musik ist.