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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

15. 9. 2013 - 21:47

Zurück in den Ulkwald

Die bunte Welt von "Rayman Legends" ist eine überdrehte Version von Alice im Wunderland: Kuriose Monster mit Breitmaulfrosch-Grinsen, knorrige Soldaten, kugelige Viecher.

Trotz fehlender Beine und Arme ist er einer jener Wesen mit den geschmeidigsten Bewegungen der Computerspielgeschichte. Rayman, der nur aus Kopf, Rumpf, Händen und Füßen besteht, war früher kein den Mainstream durchdringender Star, aber doch ein respektabler Held der 1990er Jahre.

Rayman im Originalspiel aus 1995.

Ubisoft

Rayman in seinem originalen Abenteuer aus 1995.

Eine kurze Zeit lang hat Rayman recht zuversichtlich am Thron von Super Mario genagt, doch dann wurde das originale Flair des vom französischen Designers Michel Ancel entwickelten Charakter mit der Popperfrisur recht schnell verwässert. Schon der zweite Rayman-Teil musste sich 1999 der damaligen 3-D-Manie unterwerfen. Seitlich scrollende Plattform-Spiele galten (außer auf tragbaren Konsolen) als unmodern und technisch überholt. Das Interesse am Extremitäten-losen Helden schwand und wurde erst durch die Spin-Off-Serie "Raving Rabbids" 2006 wieder zurückgeholt. Dabei ging's aber immer mehr um die doofen Hasen und viel weniger um Rayman selbst.

Vom Rabbid zum Reboot

Rayman führt einen Kung-Fu-Tritt an einem Monster aus.

Ubisoft

Die Hasen haben sich lange gehalten, nach fünf Jahren ist aber auch ihnen langsam die Luft ausgegangen und der nun schon etwas betagte Röntgenheld und seine Freunde standen am Scheideweg. Doch dann kam der Jahrzehntewechsel und mit ihm die immer stärkere Abkehr von der bei Computerspielen historisch gewachsenen Formel: neues Spiel = bessere Technik. Es war der Start der zeitgenössischen Indie-Games-Bewegung, bei der gute Ideen und innovative Spielkonzepte im Vordergrund standen. Nintendo hatte sich ja schon 2006 mit der anfangs belächelten Wii zum puren Spielspaß ohne technisches Wettrüsten bekannt. Super Mario war in 3-D schon bald ebenso beliebt und populär wie in 2-D. Gleichzeitig hat der heute immens wichtige Markt der mobilen Spiele auf Smartphones und Tablets die Relevanz der seitlich scrollenden, zweidimensionalen Games neu manifestiert.

Der Nährboden für eine Rückkehr von Rayman hätte also besser nicht besser sein können. 2011 hieß es deshalb: zurück zu den Ursprüngen. Der originale Rayman wurde glorreich aus der Versenkung gehoben und hat uns in einem wunderschön gezeichneten und aufwändig animierten Jump'n'Run-Abenteuer namens "Origins" verzaubert. Auf unterschiedlichen Plattformen erschienen, hat sich der Rayman-Reboot quer über die Systeme über zwei Millionen mal verkauft. Das ist kein ausnahmsloser Verkaufserfolg, aber bei weitem Grund genug, einen weiteren Teil nachzureichen. Schon im Frühjahr 2012 sind erste Information über den Nachfolger der Neuauflage nach außen gedrungen. Ursprünglich hätte dieses neue Spiel noch exklusiv für die zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschienene Konsole Wii U veröffentlicht werden sollen. Die frisch erstarkte Massentauglichkeit von Rayman hat sich aber bei den Vorstandsmitgliedern vom zuständigen Vertrieb Ubisoft wohl schon bald mit der etwas unglücklichen Position der Wii U (geringe Marktdurchdringung, wenig Spiele) gespießt. So wurde "Rayman Legends", das kürzlich veröffentlichte, aktuelle Abenteuer der arm- und beinlosen Figur, ebenso wie der Vorgänger für quasi alle zeitgenössischen Spielsysteme veröffentlicht.

Beeindruckende Produktionsqualitäten

Ein bisschen sieht in der Welt von Rayman alles so aus wie in einer visuell und auch sonst überdrehten Version von Alice im Wunderland: Kuriose Monster mit Breitmaulfrosch-Grinsen, knorrige Soldaten, kugelige Viecher, die ihre Stacheln ausfahren, wenn wir uns ihnen nähern. Wir laufen und springen mitten durch dieses schrille Tohuwabohu auf der Suche nach unseren gefangenen Freunden. Die Produktionsqualitäten von "Rayman Legends" sind - ebenso wie schon bei "Origins" - unglaublich hoch. Die Landschaften wirken wie ein riesiges, lebendiges Comic-Gemälde und die Animationen der Figuren muten so flüssig und detailreich an, dass man glaubt, man spiele einen Disney-Film.

Die Eingabemöglichkeiten sind simpel: laufen, springen, hauen, sprinten. Klingt einfach, die Feinheit liegt aber darin, die Geschwindigkeit der Bewegung der jeweiligen Situation entsprechend anzupassen. Ansonsten springt man nicht grazil über einen Abgrund sondern verhungert in der Luft, bevor man an der anderen Seite ankommt. Das mag bei Plattform-Spielen auf der Hand liegen, bei den aktuellen Rayman-Games steht diese Herausforderung aber mehr im Mittelpunkt als sonst.

Eine Besonderheit an "Legends" sind die Levels, wo man seine Figur indirekt steuert und stattdessen eine Fliege namens Murphy lenkt, die Rayman (oder einer der anderen spielbaren Wesen - vom langnasigen Kleinling bis zu einer widerborstigen Jeanne d’Arc-Variation - den Weg freimacht. Am besten funktioniert das auf der Wii U (und der PS Vita), weil wir auf dem Bildschirm des Tablet-Controllers intuitiv per Fingerbewegungen Seile durchschneiden, Plattformen bewegen und Lichtkegel drehen. Erst, wenn wir die Landschaft richtig manipulieren, läuft unsere Figur automatisch weiter. Die Murphy-Abschnitte sind eine gut gelungene Abwechslung zu den normalen Levels.

Figuren aus dem Rayman-Universum in einem mysteriösen Zauberwald. Eine knorrige Figur jagt einen Kleinling.

Ubisoft

"Rayman Legends", entwickelt und vertrieben von Ubisoft, ist für Windows, PS3, PS Vita, Xbox 360 und Wii U erschienen.

"Rayman Legends" hat eigentlich keine Fehler: es sieht fantastisch aus, spielt sich wunderbar flüssig und präzise, hat dutzende Levels und bietet viel Abwechslung. Es ist dennoch schade, dass sich das ganze Spiel - schon wieder - um das Einsammeln von lebendigen Münzen, den sogenannten Lums, dreht. Je mehr Lums, desto mehr Welten können wir spielen, desto mehr Bonusgegenstände werden freigeschalten, und so weiter. Das Leveldesign ist deshalb in erster Linie so gestaltet, dass wir versuchen sollen, möglichst viele der manchmal gut versteckten und schwer zu erreichenden Lums zu ergattern. Es geht weniger um trickreiche Architektur und das Bezwingen des virtuellen Raums an sich, was ja die grundlegende Herausforderung eines guten Jump'n'Run sein sollte.

"Rayman Legends" ist natürlich trotzdem super. Wegen der Murphy-Levels, die mit einem Touch-Display am besten funktionieren, und dem ursprünglichen Plan, das Game exklusiv für Wii U herausbringen zu wollen, spielt sich der neue Rayman auf der Nintendo-Konsole besonders gut.