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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

8. 10. 2013 - 15:27

Musik-Memoiren mit Metaebene

Der Ober-Musiknerd, Roots-Drummer, DJ und Produzent Questlove blickt in seinem Buch "Mo Meta Blues" auf die ersten 42 Jahre seines Lebens zurück - viele Listen inklusive!

Tipp: Heute, Dienstag, eine Stunde Spezial zu The Roots in der FM4 Homebase. Und nachher eine Woche lang on demand.

Ich liebe Musiker(innen)biographien und pophistorische Bücher aller Art. Questlove bestimmt auch. Der Drummer der Roots, DJ und musikalische Direktor bei der Late Night Show bezeichnet sich selbst gerne als Nerd und Musik-Snob und nervt seine Idole beim ersten Treffen schon mal mit detaillierten Fragen über die Entstehung ihrer Songs. Man kann also getrost davon ausgehen, dass er seine Guralnicks, Toops, Georges etc. nicht nur gelesen, sondern studiert hat.

Grand Central Publishing

Schon zu Beginn seiner eigenen Biographie Mo' Meta Blues eröffnet uns Ahmir Thompson, wo dieser Drang, hinter die Kulissen zu blicken, herkommt: Sein Vater Lee Andrews war selbst Musiker und tourte mit seinen Doo Wop Hits auch während der 70er und 80er Jahre weiter durch die U.S.A. Young Questlove war als showbiz kid immer mit dabei, lebte Teile des Jahres in diversen Flughafenhotels und traf so noch vor dem Volksschuleintritt seine damaligen Helden KISS.

Wer die grandiose Online-Sammlung Questlove's Celebrity Stories kennt, weiß, dass der Mann diese Art von Geschichten so lustig erzählen kann wie kaum jemand anderer. Im Buch gibt es da zum Glück nur wenige Überschneidungen (Prince auf Rollschuhen ist aber wirklich eine öfter erzählenswerte Story!), dafür aber umso mehr neue Anekdoten und Nachbetrachtungen. Die Karriere der Roots ist bestimmt noch nie so detailliert und von innen erzählt worden wie hier, und auch Questos Zusammenarbeiten mit Erykah Badu, D'Angelo und J Dilla werden ausführlich beleuchtet.

Durchzogen ist das unterhaltsame Buch von Einwürfen des langjährigen The-Roots-Managers Rich Nichols, der andere Perspektiven auf die beschriebenen Situationen eröffnet oder den größeren Kontext erklärt. Und - weil das auch ein Buch vom Nerd für Nerds ist - gibt es auch Platten-Listen. Für jedes Jahr von 1971 bis 1993 (das Jahr, in dem The Roots in der Musik-Industrie ankamen) zählt Questlove das eine definierende Album auf - natürlich wieder in Verbindung mit den zugehörigen Geschichten. Und damit wir auch wissen, wie Questlove aussah, als ihm das Shampoo in den Augen brannte, während Just Like A Baby von Sly & The Family Stone lief, gibt es auch zwei Foto-Strecken zwischendrin.

Questlove vor dem Mischpult

questlove

Das Wortspiel im Titel des Buches bezieht sich übrigens auf eine Szene in Spike Lees Mo' Betta Blues, wo sich einer der Charaktere über den fehlenden Rückhalt für Jazz in seiner afroamerikanischen Community beschwert - worauf ein Kollege kontert, wenn er spielen würde, was die Menschen hören wollen, würden sie eher zuhören. Die Problematik, möglichst viele Menschen zu erreichen, ohne sich selbst zu verleugnen, hat Questlove und die Roots schon immer beschäftigt - deshalb stand dieses Zitat auch am Anfang ihres Things Fall Apart Albums. Mittlerweile kann man sagen, dass der Band dieses Kunststück gut gelungen ist - wiewohl immer noch mit etwas Luft nach oben.

Dass Questlove seine Autobiographie bereits mit 42 veröffentlicht, liegt aber bestimmt nicht daran, dass er ab jetzt nur noch zurückschauen wird. Mo' Meta Blues ist wohl realistischerweise eher Teil 1 von mehreren Bänden über sein Leben. Zudem kommt demnächst auch ein Buch heraus, in dem Ahmir Thompson die Geschichte seiner liebsten Fernsehsendung Soul Train nachzeichnet. In Kombination mit neuen Platten, DJ Gigs, einem neuen Hendlrestaurant und ab 2014 auch einem besseren Slot im Fernsehen wird Questlove also weiterhin nicht langweilig werden...

Dass er weiterhin etwas Zeit zum Schreiben beiseiteschafft, kann man nach der Lektüre seines ersten Buches auf jeden Fall nur eindringlich hoffen!