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Roland Gratzer

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6. 9. 2013 - 15:47

Schwankungsbreitseiten

Eine Berufsgruppe steht in jedem Wahlkampf im öffentlichen Interesse: Die MeinungsforscherInnen. Ein umkämpfter Markt, auf dem die Genauigkeit manchmal auf der Strecke bleibt.

Die aktuelle Stunde - FM4 im Wahlkampf.

In der Sendung heute:

Was sagt die ÖVP zu ihrem eigenen Wahlkampf? Was sagen Khol und Blecha beim Kuchenessen? Welche -ismen regieren in der KPÖ, und vieles mehr.

Freitag, 6.9., 20.15 Uhr, auf FM4 und danach für 7 Tage on Demand.

Zwei Aussagen fallen an jedem Wahlabend gerne: "Es ist ein Sieg der Meinungsforschung" (vorgetragen von Medien und Meinungsforschern) und "Der große Verlierer ist die Meinungsforschung" (vorgetragen vom Polit-Personal). Kleinparteien ärgern sich darüber, dass sie meistens unter "Sonstige" zusammengefasst werden, viele andere müssen ihre dezenten Koalitionshinweise auf die aktuellsten Sonntagsumfragen abstimmen. Aber wie genau sind die bunten Balken in Print und TV wirklich? Hier ein paar Antworten auf gern gestellte Fragen.

Wahlzettel 2013

APA/GEORG HOCHMUTH

Die echte Sonntagsfrage wird dann am 29. September weder via Telefon noch bei Straßenumfragen gestellt, sondern mit einem amtlichen Stimmzettel.

Wieviele Menschen werden befragt?

Das ist eine Information, die bei Umfragen in Österreich nicht automatisch angegeben wird. Zu Wahlkampfzeiten sind es in den meisten Fällen 400 Menschen, in Deutschland sind es immer mindestens 1000. Das hängt aber nicht mit der Größe der Länder zusammen. Eine Umfrage mit 1000 Menschen in Österreich hat laut Statistik die selbe Genauigkeit wie eine Umfrage mit 1000 Menschen aus Deutschland. Bei der klassischen österreichischen Sonntagsfrage liegt die Schwankungsbreite bei 4 bis 5 Prozent. Das ist eine Ungenauigkeit, die bei österreichischen Wahlen schon über Sieg oder Niederlage entscheiden kann.

Steve Schwarzer

Steve Schwarzer

Für diesen Artikel habe ich ein ausführliches Gespräch mit Dr. Steve Schwarzer geführt. Der gute Kenner der österreichischen Meinungsforschung arbeitet als Direktor für Methoden und Statistik bei TNS opinion in Bruessel und betreut Projekte für die Europäische Kommission, die Weltbank, international-operierende Nichtregierungsorganisationen und akademische Einrichtungen. Er beschäftigt sich seit mehreren Jahr mit internationaler Politik- und Wahlforschung.

Warum fragen viele österreichische Institute nur 400 Menschen?

Im Wahlkampf ist der hierzulande ohnehin schon sehr umkämpfte Meinungsmarkt noch brutaler. Nicht alle Institute haben fixe Vereinbarungen mit einzelnen Medien. Deshalb machen sie immer wieder Umfragen auch ohne konkreten Auftrag, um ins Gespräch zu kommen. Die Umfrage an sich ist in den meisten Fällen natürlich die berühmte "Sonntagsfrage" und dient den Instituten als Marketinginstrument. Und weil jede Woche neue Zahlen geliefert werden müssen, ist das eine Kostenfrage. 400 Menschen zu befragen kostet weniger, als 1000 Menschen zu befragen.

Welche Daten werden dargestellt?

Auch das ist eine Information, die bei vielen Umfragen fehlt. Es gibt einen signifikanten Unterschied zwischen Rohdaten und korrigierten Daten. Die Rohdaten sind - najo eh - genau die Daten, die das Institut erhoben hat. Manchmal müssen diese aber korrigiert werden. Wenn bei einer Umfrage zum Beispiel mehr Männer als Frauen befragt werden, dann wird dieses Verhältnis auf 50/50 korrigiert. Kurz erklärt: Um auf ein ausgeglichenes Verhältnis zu kommen, sind die Stimmen der Frauen ein wenig mehr wert als die der Männer, also reine Mathematik. Manche Antworten sind nicht ganz wahrheitsgemäß, sondern fallen unter die Kategorien "das kann ich sagen, das kommt gut an", bzw. "das traue ich mich nicht zu sagen". Um das zu korrigieren, werden die Ergebnisse der letzten Wahl herangezogen und ein sogenannter "Korrekturfaktor" berechnet. Das heißt: Im Endergebnis wird die Stimme für die eine Partei ("das traue ich mich nicht zu sagen") höher berechnet als eine Stimme für die anderen. Diese Vorgangsweise wird aber meistens nicht angegeben. Was ebenfalls oft fehlt: Der Prozentsatz der Befragten, die mit "ich weiß nicht" antworten.

Wie werden die Menschen befragt?

Die aussagekräftigsten Methoden sind face-to-face-Befragungen und solche per Telefon. Mittlerweile wird aber auch vermehrt online gefragt. Meinungsumfragen im Internet sind allerdings weniger korrekt, da ein Internetzugang nach wie vor keine Selbstverständlichkeit ist und somit viele Gruppen automatisch ausgeschlossen sind.

fm4.ORF.at/wahl13

Die Nationalratswahl auf FM4

Woher kennt dieses Institut meine Telefonnummer?

Die angerufenen Nummern werden von einem Computerprogramm automatisch generiert. Wenn es sie gibt, kommt es zum Gespräch, wenn nicht, dann nicht. Für eine präzise Umfrage müssen sowohl Festnetz, als auch Mobilfunknummern angewählt werden. Wenn nämlich nur über Festnetz angerufen wird, wären damit ältere Menschen und solche, die nicht im urbanen Raum leben, überrepräsentiert.

Eine Übersicht über alle aktuellen Umfragen gibt es auf neuwal.com

Sind diese Umfragen nicht eh alle von politisch gefärbten Instituten manipuliert und überhaupt?

Nein. In den letzten Jahren haben jene Institute die meiste mediale Präsenz, die nicht im Dunstkreis einer Partei stehen. Diese gibt es natürlich immer noch, sie arbeiten aber in erster Linie nicht für die Öffentlichkeit, sondern tatsächlich für die Parteien. Außerdem kann es sich ein Institut heute nicht mehr leisten, schlechte Ergebnisse abzuliefern. Als der große internationale Konzern Gallup die Umfragen im letzten US-Präsidentschaftswahlkampf etwas vergeigt hat, musste Gallup sich öffentlich dafür rechtfertigen und hat auch einige große Kunden verloren.

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