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Roland Gratzer

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4. 9. 2013 - 12:29

Rollentausch

Gestern im Fernsehen: Faymann und Stronach überraschen, Spindelegger und Bucher kämpfen. Mit Fotos von überraschenden Tieren.

Die aktuelle Stunde - FM4 im Wahlkampf

Mitarbeit: Johanna Jaufer

Erstmals nahmen gestern die Regierungsparteien an den ORF-Konfrontationen teil. Kanzler Werner Faymann überrollte BZÖ-Chef Josef Bucher und Vizekanzler Michael Spindelegger kann mit einem gänzlich veränderten Frank Stronach einfach nicht umgehen. Die Fotos sind zusammenhangslos, aber schön.

Bucher

Josef Bucher hat es nicht leicht, denn sein BZÖ ist ein dankbares Opfer. Die Partei ist im Wahlkampf wenig präsent, verfügt über keinerlei regionale Hausmacht mehr und wird von vielen bereits totgesagt. Sein Profil sucht das BZÖ immer noch in der Abgrenzung zu schärfen. Abgrenzung von der FPÖ, von der schwarz-orangen Regierung, von allen Vorkommnissen in Kärnten. Inhaltlich bietet das BZÖ vor allem ein Thema an: "Genug gezahlt". Oder: "Runter mit den Steuern", wie es in der Diskussion mit Faymann heißt. Für einen Oppositionellen muss sich Bucher ungewöhnlich oft verteidigen. Das liegt nicht nur am "schlechteren" Platz rechts der Moderatorin. Seine Strategie, das Hypo-Desaster der Bayerischen Landesbank und damit den Deutschen umzuhängen, wird auch durch Bekräftigungen wie "Das ist die größte Lüge der Republik" nicht erfolgreicher.

Mit Fortschreiten des Duells passieren immer mehr Pannen. Bucher nennt sich selbst gleich zweimal einen "Sozialdemokraten" (zur Erinnerung: so heißt schon die Partei seines Kontrahenten), kopiert mit "Politik raus aus der Bildung" eine Forderung, die zuallererst Frank Stronach zugerechnet worden ist. Er lässt sich einem Wortspiel zuliebe zum Ausruf "Wir wollen die Vermenschlichung des Staates" hinreißen. Doch einen Mangel an Menschlichkeit kann man der österreichischen Realpolitik mit all ihren Netzwerken, Populismen und Unvereinbarkeiten wirklich nicht vorwerfen. Bucher will außerdem wie Spindelegger die Wirtschaft entfesseln und verlangt mehr für die klassischen österreichischen Wahlkampffiguren "Oma" und "Häuslbauer". Er wirkt dabei weiterhin sprunghaft und nervös, da hilft auch die anwesende Fanschar nicht: Nach einem ersten Unentschieden gegen Stronach verliert Josef Bucher das zweite Qualifikationsspiel. Insgesamt könnte es damit knapp werden.

Hund jagt Fisch

intrnt

Faymann

Ein angriffiger Bundeskanzler, der sich nicht auf die traditionell österreichische Herrscher- und Verwalter-Rolle beschränkt. Werner Faymann ist die Überraschung des Abends. Großkoalitionär, in den richtigen Momenten höchst emotional und vereinzelt persönlich beleidigend. Damit überrascht er sein Gegenüber. Die dezent untergriffige Meldung, die FPÖ in Kärnten sei doch "die Familie" Buchers gewesen, lässt dieser völlig perplex unbeantwortet. Faymann geht es nicht um Ideologie, sondern um die eine einfache Botschaft: "Wir sind eh für euch da". Der wichtigen Zielgruppe PensionistInnen wird ausführlich gehuldigt, bisweilen lacht der Kanzler sogar über Buchers Meinungen. Wenn den Grünen gerne Oberlehrertum vorgeworfen wird, dann ist Faymann im TV-Duell ein Landesschulinspektor. Er ist sich seiner Macht so sicher, dass er sogar Josef Pröll loben darf, ohne dafür Kritik einzustecken. Bucher lässt ihm alles durchgehen, selbst die Ansage, die Griechenlandhilfe wäre "für die Menschen in Griechenland da". Faymann leugnet sämtliche Probleme der rot-schwarzen Koalition (oder schiebt sie auf seinen früheren Koalitionspartner Wilhelm Molterer). Eine Flanke weiter offen als die andere, aber Bucher schweigt und wartet, bis er seinen nächsten Stehsatz abliefern darf.

Die durchaus gewagte Taktik, das Gegenüber einfach nicht ernstzunehmen, geht bei Faymann völlig auf. Nicht einmal die berechtigte Anmerkung, dass die SPÖ schon das ein oder andere Mal mit dem BZÖ kooperiert hat, reißt ihn aus der Rolle "impulsiver Staatsmann". Statt wie sonst oft eine Art von Stillstand zu symbolisieren, greift er an. Wenn er angegriffen wird, wirft er mit Begriffen um sich, die zwar viele Menschen nicht verstehen, die aber doch irgendwie wichtig klingen. Bei der Kritik an der Bankenrettung wirft er Bucher vor, sich nicht auszukennen und kommt damit durch. Ein einfacher, aber in seiner Deutlichkeit doch überraschender Sieg.

Kamel sitzt lustig

intrnt

Stronach

Fast zwei Drittel der Zeit vergehen, bis Frank Stronach seinen ersten lustigen Versprecher liefert: "Zivilisisten". Stronach, der von so vielen nicht ernst genommen und dennoch von so vielen anderen gewählt wird, ist heute ein anderer Mensch. Dass man sich auf ihn schwer vorbereiten kann, war klar. Aber der gestrige Stronach war wie ausgewechselt. Allerdings nur formal. Inhaltlich präsentiert er sich banal und nichtssagend wie gewohnt. Die erstmalige Frage nach seinen außenpolitischen Standpunkten beantwortet Stronach mit einem Schwenk zu politisch besetzten Schuldirektoren. Gleich darauf beschwört er ein Szenario, in dem uns die Chinesen angreifen. Was genau es jetzt bedeutet, dass jedes Land "seinen eigenen Euro" haben soll, erklärt er nicht. Alles, was ihm sein Team an Zahlenmaterial mit auf den Weg gegeben hat, hält er via Taferl in die Kamera. Eine davon ist so ausführlich bedruckt, dass die Zahlen darauf nicht mehr erkennbar sind. Die Taferl sehen so aus, als wären sie Deko-Material in einem Einrichtungshaus für Firmenchef-Büros. Rote Linien, die nach oben oder unten gehen. Stronachs Welt in Bildsprache.

Aber die Überraschungen sind auf seiner Seite. Keine Schimpftiraden gegen "die Medien", keine persönlichen Untergriffe, kein Du-Wort, Antworten auf Fragen und geschickte Selbstverteidigung mit zum Beispiel dem Hinweis darauf, dass die Österreicher die Außenpolitik sowieso nicht verstehen. Jedem Vorwurf, keine Ahnung von Politik zu haben, begegnet Stronach mit dem Gegenangriff, Spindelegger sei ein Teil des Systems. Ein Quereinsteiger, der wenig Sachkenntnis zeigt und eigentlich nur da sitzt und zuhört? Normalerweise sollte das nicht für ein Unentschieden reichen. Aber der Gegner hieß heute Michael Spindelegger.

Python in the Car Engine

intrnt

Spindelegger

Für Michael Spindelegger beginnt der Abend mit einem ordentlichen Selbstbewusstseins-Boost. Laut einer Umfrage trauen 47 Prozent der Befragten der ÖVP eine Ankurbelung der Wirtschaft zu. Dem Team, also Frank Stronach, trauen das nur acht Prozent zu. Die inflationäre Verwendung des kaum noch unironisch konnotierten Wortes "entfesseln" scheint Wirkung zu zeigen. Und dann hat der Vizekanzler an diesem Abend einen Gegner, dessen einziges Alleinstellungsmerkmal sein unternehmerischer Geist und daraus abgeleitete Fähigkeiten sind (die dann aber nur von acht Prozent anerkannt werden). Einige Male nutzt Spindelegger diese Steilvorlage. Etwa, wenn er Stronach anbietet, der könne gerne die ÖBB übernehmen, möge aber bitte sonst die Finger von der Politik lassen. Dem oppositionellen Gegner eine regierungsinterne Baustelle anbieten? Gute Idee.

fm4.ORF.at/wahl13

Die Nationalratswahl auf FM4

Doch so gut Spindelegger auch geschult sein mag, es reicht nicht. Sein zappeliger und überakzentuierter Habitus waren für den Frank Stronach von letzter Woche bestimmt. Spindelegger hat sich darauf vorbereitet, dem Dauerredner ins Wort zu fallen, ihm Inkompetenz vorzuwerfen und sich über ihn lustig zu machen. Doch diesen Stronach hat es gestern nicht gespielt. Spätestens als Spindelegger sich in Rage redet und Stronach genüsslich fragt, ob er dann fertig sei, müsste der Vizekanzler seine Strategie eigentlich völlig umwerfen und ebenfalls den Staatsmann mimen. Einen, der immerhin Außenminister ist. Doch er tut es nicht.

Marder

intrnt

Die Pointen sind gut einstudiert, die mitgebrachte Fanbase klatscht intensiv. Spindelegger beleidigt ein ganzes Bundesland, indem er sinngemäß sagt, die Österreicher müssen für das zahlen, was die Kärntner angerichtet haben. Außenpolitisch will er "die Karten auf den Tisch legen" und erzählt stolz, dass Nato-Flugzeuge nicht über Österreich fliegen dürfen. Da hat die österreichische Außenpolitik doch schon mal stärkere Karten auf den Tisch gelegt. Obwohl Stronach sogar so wirkt, als würde er nicht wirklich wissen, was Neutralität bedeutet und sein "Ihr zitiert mich falsch"-Mantra per Videoeinspielung widerlegt wird, kann Spindelegger nicht gewinnen. Sein oft von Menschlichkeit befreit wirkendes Agieren, sein einstudiertes Stehsatz-Timing, schließlich das bis in die Haarspitzen gecoachte Gesamtbild reichen für ein Sommertheater, nicht aber für die große Bühne. Michael "Kanzleranspruch" Spindeleggers Auftreten ist zu sehr eines, das sich seine Berater auf einer der zahlreichen Reisen in die USA in einem Campaigning-War-Room abgeschaut haben. Im Wahlkampf ist die Politik ein Krieg der Meinungen. Bei Spindelegger ist da nie klar, wer ihm jetzt vorher welche aufgeschrieben hat.