Erstellt am: 2. 9. 2013 - 15:17 Uhr
Fuck Forever
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Seit dem 30. August ist das neue Babyshambles-Album "Sequel To The Prequel" erhältlich. Zuvor hat Pete Doherty schon mal die Single "Nothing Comes To Nothing" auf den Weg geschickt, um die Lage zu sondieren. Ein hübsches Indie-Rock-Lied mit einer für Doherty typischen auf den ersten Blick simplen aber dann doch raffinierten Melodie. Auch inhaltlich kommt "Nothing Comes To Nothing" gut getarnt daher. Das Lied könnte auf den ersten Blick ein vertontes Goodbye an eine ehemalige Liebe sein. Ist auf den zweiten Blick dann aber viel mehr und bringt Art und Weise des Ausdrucks der neuen Babyshambles-Platte und eigentlich Dohertys gesamten Schaffens gut auf den Punkt.
Babyshambles
"Nothing Comes To Nothing" spielt auf ein Zitat des griechischen Philosophen Parmenides aus Elea an. Der sagte: "Nothing Comes From Nothing" - "Aus dem Nichts entsteht Nichts". Parmenides hat nur ein einziges Werk geschrieben, ein Lehrgedicht namens "Über die Natur". Ich habe seine Betrachtungen radikal abgekürzt so verstanden, dass Permenides zu der Überzeugung gelangt, dass das Sein jeglicher Möglichkeit zur Veränderung enthoben ist. Weil die einzige Form der Veränderung für das individuelle Sein die ist, "Nicht-Sein" zu werden, sich also aufzulösen.
Aber eigentlich ist das jetzt auch egal. Pete Doherty wirft seit jeher in seinen Liedern mit Andeutungen und Zitaten aus Literatur und Geschichte lustvoll und auskennend um sich und zeichnet damit oft Bilder fragilster Erkenntnis und Schönheit. Meisterhaft, wie er beispielsweise mit dem antiken Begriff für Großbritannien, "Albion", eine nostalgische und gleichzeitig sarkastische Sehnsucht abgebildet hat und damit eine von den Kinks oder The Clash gelebte Tradition wieder aufnahm. Allerdings tarnt Doherty seine Meisterwerke stets mit Rost und Grind.
Wo hier der Schwanz der Schlange beginnt oder aufhört, vermag ich nicht zu sagen. Denn gleichzeitig speist sich die Schönheit seiner Lieder aus eben dieser Ungenauigkeit und manchmal radikalen Hässlichkeit.
Fall From Grace
2013 scheint Pete Doherty ein gewisses Maß an Stabilität im Chaos gefunden zu haben. Im Angesicht des Untergangs werden windstille Momente halt große Siege.
Gio Goi
Sechs Jahre nach dem letzten Studioalbum ist so geordnet wie noch nie eine neue Babyshambles-Platte erschienen. Große Verantwortung für dieses geordnete Chaos trägt der britische Produzent Stephen Street. Der hat in seiner Karriere einen ganzen Sack voller Brit-Pop-Klassiker, wie beispielsweise Parklife von Blur, produziert. Und hat auch ArtistInnen, die als herausfordernd gelten, wie Morrissey, erfolgreich gehandhabt.
Stephen Street hat schon die letzte Babyshambles-Veröffentlichung "Shotter's Nation" zusammensetzen können und agiert auf "Sequel To The Prequel" wieder ähnlich. Er begegnet dem waidwunden Rock'n'Roll der Babyshambles nüchtern und konzentriert und bändigt ähnlich wie ein Dompteur durch Güte aber notwendige Strenge das wilde Tier.
Was der neuen Babyshambles-Platte psychologisch möglicherweise auch gut getan hat, war eine Band-Umbesetzung. Schlagzeuger Adam Ficek spielte auf nahezu allen Babyshambles- und Doherty-Aufnahmen seit 2005, war also jahrelang in einem alle Lebensaspekte durchdringenden Hurrikan gefangen. Vor zwei Jahren hat er die Band verlassen und wurde durch einen Mann namens Danny Goffey ersetzt. Der war schon einmal mit der Brit-Rock-Band Supergrass ein Star. Also ein mit vielen Wassern gewaschener, zuverlässiger Rockmusiker mit viel Erfahrung aber dennoch jungfräulich in der unsteten Welt des Pete Doherty.
Stranger In My Own Skin
Für den 10. Dezember ist ein Konzert der Babyshambles im Gasometer Wien angesetzt.
Wie mit den zuvor erwähnten literarischen Aspekten, spielt Pete Doherty in seinen neuen Liedern auch musikalisch mit jeder Menge Referenzen. Dub und Ska spielen wieder eine wichtige Rolle, Folk und Country sowieso und manchmal rennt Doherty sogar in Richtung amerikanisch anmutenden Noise-Blues. "Sequel To The Prequel" kommt dem meisterhaften Debüt der Babyshambles "Down In Albion" sehr sehr nahe. Die aggressive und verzweifelte Lebenslust von der ersten Babyshambles-LP kann es freilich nicht evozieren, dafür ist es gelassener und humorvoller. Die heilige aber brüchige Ruhe nach dem Sturm.
Babyshambles
Aber natürlich wird die Kunst des Pete Doherty immer von seinem berühmt-berüchtigten Lebenswandel überschattet werden. Allerdings muss man zugeben, dass die Wahrhaftigkeit in seinen Arbeiten eben auch durch seinen Lebenslauf bedingt wird. Wir sind wieder bei der Schlange und ihrem Schwanz.
Auch darf man nicht vergessen, dass er seine andere große Band "Libertines" getauft hat. Der fast schon transzendental wirkende Weg eines Freigeistes, der seinen Willen über jede Ethik stellt, ist das wichtigste oder vielleicht das einzige große Thema im gesamten Schaffen von Pete Doherty. In seinem Leben sowieso. Geschmackvoll ist das natürlich nicht. Und sympathisch meistens auch nicht. Aber Geschmack und Demut waren im Rock'n'Roll auch noch nie große Themen.