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Chrissi WilkensAthen

Journalistin in Griechenland

22. 8. 2013 - 16:27

Das Recht zu Träumen

Eine Gruppe junger GriechInnen will Auswanderungswillige motivieren doch zu bleiben um das Land neu aufzubauen. "Ich werde bleiben" ist ihr Motto.

Athen meldete die letzten Wochen positive wirtschaftlichen Signale, trotzdem ist die Arbeitslosenquote mit mehr als 27,6% auf einem Rekord-Niveau, trotzdem wird wieder über neue Hilfen heftig debattiert. Viele junge hochqualifizierte Griechen wandern aus, um Arbeit zu finden. Der Brain Drain ist eine der größten Wunden im Griechenland der Krise. Aber nicht alle wollen weg.

Leute bei einer Demo mit Transparent

Ego fa Mino

Foto aus einer Veranstaltung auf Kreta: Εγώ θα μείνω / Ich werde bleiben

Es gibt auch junge GriechInnen, die sich dazu entschlossen haben, in ihrer Heimat zu bleiben und selbst bessere Bedingungen für ihre Leben zu schaffen. Einige von ihnen haben im Frühling die Bewegung "Ego tha mino" (Deutsch: "ich werde bleiben") gebildet. Sie wollen die Jugend ermutigen, Griechenland nicht zu verlassen. Ihre Aufforderung hier zu bleiben verbreiten sie mit Veranstaltungen an mehreren Orten in Griechenland, in Hochschulsälen und Schulklassen, aber auch über die sozialen Medien wie Facebook und Twitter.

Griechenland-Karte als Zugvogelschwarm

Ego fa Mino

Δεν είναι πουλιά. Τα παιδιά μας είναι . Σκέψου / Es sind keine Vögel. Es sind unsere Kinder. Denk nach.

Es ist später Nachmittag. Auf dem Gelände der Agronomischen Hochschule in Athen findet gerade das Polit-Festival Resistance statt. Eine Gruppe von Jugendlichen bereitet eine Info-Veranstaltung vor. Auf ein großes Banner schreibt eine junge Frau mit Großbuchstaben den Namen der Bewegung, deren Idee die Medizinstudentin Elena enthusiastisch beschreibt:

“Der Kern des Gedankens ist die Notwendigkeit, dass die Jugend - dieses wissenschaftliche Potential - hier bleibt und beim Wiederaufbau des Landes hilft und dieses faule politische System, das solange in unserem Nacken sitzt, vertreibt. Dies ist unsere Vision. Wir möchten nicht einfach die alte Situation abschaffen. Wir möchten, dass jeder seiner Rolle findet beim Wiederaufbau des Landes.“ Sie ist davon überzeugt, dass in Griechenland bald eine Wende kommen wird, wegen der Solidaritätsnetzwerke und den Protestbewegungen, die sich gebildet haben. In diesem Prozess könnte zum Beispiel ein junger Arzt seinen ersten Lohn bekommen, indem er bei der Neuorganisation des Gesundheitssystems hilft, oder ein Agronom zusammen mit anderen Wissenschaftlern die Produktion stärkt, erzählt Elena. Sie transportiert mit schnellen Bewegungen Plastikstühle an den Ort wo die Veranstaltung stattfindet.

Transparent in Thessaloniki

Ego fa Mino

Foto aus Veranstaltung in Thessaloniki: Η νεολαία το μέλλον του τόπου Εγώ θα μείνω / Die Jugend ist die Zukunft des Landes

Ein paar Meter weiter steht Danaé. Die 25-jährige Psychologin ist Mitglied der Bewegung, obwohl sie in London lebt.Sie hat ein Stipendium im Bereich der Neurowissenschaft bekommen, arbeitet an einem Forschungsprogramm mit und bekommt dafür einen Lohn. So etwas wäre in Griechenland sehr schwierig, sagt sie. Dennoch ist ihr Ziel, wieder nach Griechenland zurückzukehren. Sie schickt immer noch Bewerbungen an griechische Arbeitgeber und bleibt in Kontakt mit ihren Professoren an der Uni.

Aktuell ist sie zum Urlaub in Griechenland und hilft bei der Veranstaltung. Sie beneidet und bewundert ihre Gleichaltrigen, die entschieden haben, hier zu bleiben. “Sie tun es unter extrem schwierigen Bedingungen, und das ist sehr wichtig“, so Danaé, betont aber, dass auch für GriechInnen im Ausland nicht einfach ist. “Ich mache eine Arbeit, die mir gefällt, aber dies ist das einzige, an das ich mich halten kann. Es ist sehr schwierig, in einem Land zu sein, wo du nicht deinen eigenen Bekanntenkreis hast, wo es schwierig ist, sich mit anderen Menschen zu treffen und dieselben sozialen Kontakte zu haben wie hier in Griechenland. Und dann sind noch die Arbeitsbedingungen sehr schwierig und es gibt sehr viel Konkurrenz, was mir das Leben erschwert.“

Die Veranstaltung beginnt. Danaé setzt sich neben zwei junge Männer an den Tisch, der vor dem Publikum steht. Ein Mitglied der Bewegung beschreibt mit statistischen Zahlen die Ausweglosigkeit, die viele junge Griechen erleben und sie zu der Auswanderung zwingt. Die Fakten sind hart: Die Arbeitslosigkeit in der Altersgruppe von15-24 Jahren beträgt ca. 60%. Im Alter von 25-29 liegt sie bei 40%. Ein Drittel der Hochschulabsolventen ist arbeitslos. 70% sehen ihre Zukunft im Ausland und 17% sind bereits ausgewandert.

Zur Veranstaltung wurden Jugendliche aus Italien, Spanien, Bulgarien und Ägypten eingeladen. Francesco, ein junger Mann aus Italien, beschreibt auf Englisch die Situation der Jugendlichen in seinem Land. Danaé übersetzt auf Griechisch. Evangelos, ein 26-jähriger Arzt folgt der Diskussion konzentriert. Er ist seit zwei Jahren mit seinem Studium fertig und ist arbeitslos. 50 von 80 seiner ehemaligen Kommilitonen sind ins Ausland gegangen. Im Gegensatz zu ihnen hat er sich entschieden, in Griechenland zu bleiben. “Auswandern ist die einfachste Wahl“, sagt Evangelos mit entschlossenem Blick. Er glaubt, dass im Griechenland der Krise die Jugendlichen bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen beanspruchen müssen. “Es bildet sich eine Generation, die blockiert ist, die ohne Träume da steht und denkt, dass sie nicht in der Lage ist, etwas zu schaffen. Diese Generation wird massakriert, ihre Flügel werden gestutzt. Ich denke, das erste, was wir wiederherstellen müssen, ist unser Recht, zu träumen, unser Recht, zu hoffen und würdevoll in einem unabhängigen Land zu leben.“

Transparent von jungen Ärzten

Ego fa Mino

Οι νέοι γιατροί θα μείνουνε στη χώρα. Οι μέρες τους αντίστροφα μετράνε από τώρα. / Die jungen Ärzte werden im Land bleiben. Die Tage [der korrupten Politiker] sind gezählt. (Abschlussfeier der Absolventen des Medizinstudiums auf Kreta im Juli - Foto aus der Facebook Seite der Bewegung Ego fa Mino)

Angeliki, eine 22-jährige Psychologiestudentin, steht ein paar Meter weiter und stimmt ihm zu. “Wir sind die Generation, die keine Träume haben kann, dass sie eine Arbeit findet, ein Haus baut, Urlaub machen wird. Nichts davon!”. Sie hat nie überlegt, ins Ausland zu gehen. Immer wieder packen aber Freunde und Bekannte ihre Koffer. “Man vermisst die Leute und man fühlt sich dann noch schwächer und hat weniger Hoffnungen. Denn je mehr Leute weggehen, desto weniger Chancen gibt es, etwas zu verändern.“