Erstellt am: 26. 8. 2013 - 17:01 Uhr
Konsolen, Jetlag und Ausfallschritt
Spielestadt Köln 2013
auf fm4.ORF.at:
- "Spiele und Nichtspiele" (GDC Europe + Notgames Fest)
- "Kunstspielfestival" (PLATINE Cologne)
- "Konsolen, Jetlag und Ausfallschritt" (Gamescom)
Schon am Pressetag, wo die Gamescom eigentlich nur Fachbesucher in die frisch geschmückten Messehallen lassen sollte, ist viel los. Angeblich wurden im Vorfeld auch Exklusivtickets für den inoffiziellen, ersten Tag verlost. Die breiten Gänge sind gut gefüllt und die Warteschlangen bei den Spielständen lassen einen ersten Hauch von dem erahnen, was an Besucherzustrom in den kommenden Tagen zu erwarten sein würde. Die größte europäische Publikumsmesse für Computerspiele hat sich quantitativ schon wieder selbst übertroffen. Dieses Mal haben sich knapp 350.000 Gäste vier Tage lang durch die lauten Messenhallen gezwängt - das sind beinahe doppelt so viele wie die alte Games Convention in Leipzig (bis 2008) zu ihren besten Zeiten verzeichnen konnte.
Die achte Generation der Spielkonsolen
Robert Glashüttner
Obwohl die Gamescom unabhängig ihrer Inhalte mittlerweile ein Selbstläufer ist, waren die kommenden neuen Konsolen von Microsoft (Xbox One) und Sony (PlayStation 4) natürlich ein zusätzlicher Anreiz, nach Köln zu reisen. So ruhig vergangenen November der Launch der Wii U - das erste Gerät der achten Spielkonsolengeneration - über die Bühne gegangen ist, so furios und pressewirksam wird hingegen das gerne als "Konsolenkrieg" bezeichnete Anstacheln und Aufrüsten zwischen Xbox und PlayStation in Szene gesetzt.
Nach einigen Patzern hinsichtlich der geplanten Features und Restriktionen bei der Xbox One (Immer Online-Modus, Verhinderung der Weitergabe von Gebrauchtspielen, nicht abschaltbares Kinect), geriert sich Sony - bestärkt von der Presse - nun selbstsicher als Vorab-Gewinner im Kampf um die Konsolenspieler. Microsoft ist weiterhin um Schadensbegrenzung bemüht und hat die ursprünglichen Pläne nach der heftig geäußerten Kritik zurückgenommen. Dementsprechend ist der Xbox-Auftritt auf der Gamescom solide, aber nicht anmaßend. Man präsentiert alles Nötige, hält einen Showcase, bleibt sachlich und übt sich in moderater Selbstsicherheit. Sony hingegen kann der Saal für die Pressekonferenz nicht groß genug sein. Nach dem Straucheln der letzten zwei, drei Jahre wähnt man sich nun genussvoll als Publikumsliebling und lässt auch den einen oder anderen ätzenden Kommentar über den scheinbar geschassten Konkurrenten fallen.
Jetlag
Robert Glashüttner
Die PS4, sie sei die Konsole, die in ihrer Architektur maßgeblich von den Spieleentwicklern mitgestaltet wurde, die auch Indie-Games prominent auf der neuen Plattform präsentiert, die uns mit diversen Social-Features besser als früher gemeinsam spielen und Inhalte teilen lässt. Das Spiele-Lineup sieht auch durchaus attraktiv aus, und doch fehlt der Funke, der die Begeisterung überschlagen lässt. Das User-Interface sieht immer noch nicht nach bemerkenswerter Überarbeitung aus (auch, wenn die grausige XrossMediaBar mit der PS4 wohl endlich der Vergangenheit angehört), der Controller ist mehr oder weniger der Selbe wie immer, und Augmented-Reality-Spielchen mit der PlayStation-Kamera sind auf den ersten Blick im Vergleich zur neuen Kinect bloß müde Techdemos. Da schlafen nicht nur Besucher ein, sondern es fallen auch den Konzernbossen auf der Bühne gerne mal die Augen zu.
Stimmt schon, die Xbox One ist hingegen in Sachen Spieleportfolio wenig überzeugend. Bis auf den Gladiator-Blockbuster "Ryse: Son of Rome" gibt es kaum überraschende, exklusive Mainstream-Titel im Angebot. Doch auch Microsoft setzt stark auf Indies, hat Unkonventionelles (etwa "Below") im Angebot und das bei der Xbox 360 wegweisende Dashboard sowie Kinect zielgerichtet weiterentwickelt. Solange wir Ende November nicht wieder rote Ringe auf unseren Konsolen haben, könnte der derzeit viel beschworene Flop der Xbox One gar nicht stattfinden. Eurogamer.net sieht das jüngst übrigens ähnlich.
Spielkarten, Shops und Spectators
Abseits des Konsolen-Hickhacks ist es auf der Gamescom schwierig, im Tohuwabohu der Messe und der unglaublich vielen Besucher die neuen Spiele zu sichten. Auffällig ist, dass es in diesem Jahr mehr Merchandising-Stände gibt. Auch der bahnbrechende Erfolg von "Let's Play"-Videos und E-Sport-Veranstaltungen lassen die Bühnen der Profiturniere in "StarCraft II" oder "League of Legends" aus allen Nähten platzen. Wem der taktische Stress von Echtzeitstrategie-Games und MOBAs zu viel ist, kann sein Glück in den immer zahlreicher auftauchenden Kartenkampfspielen suchen. Mittlerweile ist ja sogar Blizzard mit "Hearthstone" auf den Zug aufgesprungen und auch "Minecraft"-Hersteller Mojang setzt mit "Scrolls" auf Karten.
Robert Glashüttner
Lungecom 2013
Jeder Versuch, dem strändigen Strom an Spieleankündigungen sowohl quanititativ als auch qualitativ gerecht zu werden, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Oft will man auch nicht. Was gibt's im Mainstream so Neues? - Noch mehr Autos, Kriegsshooter, Fußball. Bei Veranstaltungen wie der Gamescom ist man außerdem ständig von interessanteren Geschehnissen innerhalb und außerhalb der Messehallen abgelenkt. Da scheint es durchaus konsequent, wenn man, wie die britischen Kollegen von VideogamerTV, einfach mal davon ausgeht, dass die Gamescom in Wahrheit ein Fachevent für den gepflegten Ausfallschritt ist. Lungecom! So freut man sich gleich aufs kommende Jahr.