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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

25. 8. 2013 - 15:34

Kunstspielfestival

Die PLATINE in Köln bringt Medienkunst und Computerspiel zusammen. Es ist ein wohltuend andersartiger und unkommerzieller Zugang zu Games-Kultur.

Spielestadt Köln 2013
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In eineinhalb Wochen startet in Linz das alljährliche Ars Electronica Festival. Die Ars ist gewissermaßen das Kreuzfahrtschiff der digitalen Medienfestivals, ein internationaler Hub, eine Schnittstelle für Kunst aller Art, die sich mit zeitgenössischen Technologien, Zukunftsperspektiven und moderner Aufarbeitung von Vergangenem beschäftigt. Die Relevanz der Ars ist schwer zu überschätzen, und doch sind das Sammelbecken und die zusammenlaufenden Fäden hier so groß, dass man sich als Besucher/in manchmal nach einem kleinen Rahmen sehnt. Wer vergangene Woche in Köln war und die Vorgängergeschichte auf diesen Seiten gelesen hat, konnte diesen kleineren Rahmen - und damit eine perfekte Einleitung auf das kommende Festival in Linz - genießen.

Alternative Spielformen

Eine Frau spielt an der Installation "Pyramid Cascades". Sie bedient ein Touchpad, das Spiel besteht aus kleinen Pyramiden aus Karton und kleinen digitalen Kugeln, die mit den Pyramiden interagieren.

Robert Glashüttner

"Pyramid Cascades"

Während östlich des Rheins sich zunächst Computerspieleentwickler trafen und zwei Tage später die Messehallen der Gamescom gestürmt wurden, ging es hingegen weiter westlich, im Kölner Stadtteil Ehrenfeld, lässiger und gemütlicher zu. Das PLATINE-Festival lud dort bereits zum vierten Mal in Serie zu interaktiven Installationen und audiovisuellen Kunstwerken, die mehr oder weniger mit Spielkultur in Verbindung stehen. In den Jahren 2010 und 2011 sah das etwa so und so aus. In sechs nahe beieinander liegenden Orten - von der coolen Bahnhofsbar bis zum Design Quartier - werden bei der PLATINE die ausgestellten Werke nahtlos in die jeweiligen Räumlichkeiten eingebettet. So lässt es sich mit Getränk in der Hand entspannt von Venue zu Venue schreiten - ganz ohne drängende Gamer-Massen und prätentiösem Kunstbetriebsdünkel.

Wir fahren mit dem Auto

Obwohl man merkt, dass sich die PLATINE langsam auch digitaler Kunst abseits der Spieleaffinität öffnen muss, um genügend Werke zusammen zu bekommen, waren auch dieses Jahr wieder brillante Projekte mit ludischem Hintergrund ausgestellt. Mein persönlicher Höhepunkt war die interaktive Installation "Auto", wo ein Autorennspiel nicht mittels Computer sondern mit Hilfe eines Hybrids aus Walzen, einem umgebauten Drucker sowie einem Overhead-Projektor angetrieben wurde. Die Illusion des analogen Rennspiels funktioniert perfekt und erinnert frappant an die ganz frühen Arcade-Racer aus den 70er Jahren (Vormikrochip-Zeitalter), die teils mit ähnlicher Technik funktioniert haben.

Ein gezeichnetes Auto und eine Straße auf einem Overhead-Projektor, darüber die Projektion.

Robert Glashüttner

"Auto"

Wie fast immer, wenn digitale Kunst und Computerspielkultur ineinander überführt werden, steht der "Play"-Aspekt - also das freie Herumspielen - im Vordergrund. Regeln und Grenzen im jeweiligen Gamespace gibt es natürlich, doch die audiovisuelle Erfahrung und das aktive Eingreifen ins Geschehen, die persönliche, individuelle Manipulation, steht gegenüber etwaigen Regelwerken eindeutig im Vordergrund. So haben wir bei der diesjährigen PLATINE auf die hübschen, geometrischen Berglandschaften in "Light Form" gegriffen, haben in "Black & White" den Paradigmenwechsel zwischen Konkurrenz und Symbiose erlebt, mit "Little Boxes" aus dem iPad eine kurbelbetriebene Musikbox gemacht, in "Duality" zwei Jump'n'Runs zur selben Zeit mit nur einem Eingabegerät gespielt und im fantastischen und unaussprechlichen "@><#!!!" eine goldene Folie zum Ausrasten gebracht.

Dicke, gezackte, verschlungene Schlangenlinien in schwarz und weiß auf einem liegenden Bildschirm.

Robert Glashüttner

"Black & White"

ASCII-Art

Zwei Besucher in der Bar, darüber und dahinter hängen Prints von ASCII-Art. Im größten Bild steht geschrieben: "Graffiti is not a crime".

Robert Glashüttner

Amiga ASCII-Art Sonderausstellung

Am Donnerstag hat nach vier Tagen abendlicher Kunstpräsentation dann der Abschlussabend in der Bar "Zoo" stattgefunden. Dort haben diverse Chipmusiker/innen aufgespielt, zusätzlich ist modifizierte Spielkonsolenhardware zur visuellen Bespielung des Raums zum Einsatz gekommen. Weil der "Zoo" bis in die frühen Morgenstunden geöffnet hatte, konnten die dort prominent ausgestellten ASCII-Art-Werke noch eine Weile länger betrachtet werden. Interessant war in diesem Zusammenhang, dass die Schriftzüge und Figuren, die rein aus Buchstaben und Symbolen des Computer-Zeichensatzes bestehen, nicht - wie sonst üblich - hauptsächlich mit der Demoszene in Verbindung gebracht wurden. ASCII-Art ist hier mehr als digitales Graffiti verstanden worden, als ein in Computern und Computersubkulturen lebender Teil von zeitgenössischer Street Art.