Erstellt am: 22. 8. 2013 - 14:31 Uhr
Spiele und Nichtspiele
Spielestadt Köln 2013
auf fm4.ORF.at:
- "Spiele und Nichtspiele" (GDC Europe + Notgames Fest)
- "Kunstspielfestival" (PLATINE Cologne)
- "Konsolen, Jetlag und Ausfallschritt" (Gamescom)
Es ist, als ob Köln eine Woche im August offiziell zur stadtweiten Spielezone erklärt werden würde. Vor ein paar Jahren gab es noch kaum Alternativen zur jährlichen Hauptveranstaltung, der Gamescom (seit 2009), jetzt weiß man aber schon am Montag Nachmittag nicht, wo einem der Kopf steht und welchen der vielen Veranstaltungsorte man als nächstes ansteuern soll.
Robert Glashüttner
Hinsichtlich Spieleindustrie gibt es neben der Publikumsmesse Gamescom, die ja in erster Linie ein professioneller Show-Off, also ein riesiges PR-Event ist, vor allem die GDC Europe (GDCE), den europäischen Ableger der wichtigen Entwickerkonferenz aus San Francisco. Die beginnt immer schon am Montag und läuft insgesamt zweieinhalb Tage. Der Umfang ist bei weitem nicht so groß wie bei der Hauptveranstaltung in den USA, und doch hat die GDCE nie ein Problem damit, interessante Gäste einzuladen, die auch an der Westküste die Hallen füllen würden.
Robert Glashüttner
Da war dieses Jahr etwa Dino Dini (er heißt wirklich so), Pionier des Computerspielfußballs. Zu Zeiten, als von "FIFA" und "Pro Evolution Soccer" noch keine Rede war, hat er bereits "Kick Off" (ab 1989) entwickelt. Noch heute erfreut sich Dinis Oldschool-Fußballspielserie bleibender Beliebtheit, mit Meisterschaften, Mods der Originalspiele und Weltranglisten. "It's just about kicking a ball on a field", sagt Dino Dini zusammenfassend im FM4-Interview, angesprochen auf die befreiende Simplizität eines "Kick Off" oder auch des Konkurrenten "Sensible Soccer".
Tag der unabhängigen Spiele
Der zweite Tag auf der GDC brachte einen alljährlichen Höhepunkt aus San Francisco, den "Independent Games Summit", nach Köln. Wer vor lauter Monetarisierungsratschlägen, Teamkoordinationstipps und Shaderprogrammierstunden die Kreativität im Spiel nicht mehr fand, konnte sich hier einen ganzen Konferenztag lang ausruhen und inspirieren lassen. Leider haben die Veranstalter der GDCE das Wort "Indie" anscheinend mit "interessiert eh nur eine Handvoll Leute" gleichgesetzt, was dazu geführt hat, dass der dafür gebuchte, kleine Saal regelmäßig überfüllt war, und interessierte Teilnehmer/innen danach von den GDC-Helferleins höflich davon abgehalten werden mussten, den Raum zu betreten.
Das Indie-Summit-Programm war inhaltlich - wie die Welt der unabhängig entwickelten Computerspiele allgemein - vielseitig und reichhaltig. Da waren etwa die finnischen Coding- und Art Style-Wizards von Frogmind, die für das wunderschöne "Badland" verantwortlich sind, die heimischen Konferenzgipfelstürmer Martin Pichlmair und Felix Bohatsch von Broken Rules, die den zweiten Teil ihrer alpinen Flugtrilogie präsentiert haben ("Secrets of Raetikon") und natürlich die omnipräsenten Indie-Stars Rami Ismail und Jan Willem Nijman vom niederländischen Neo-Arcade-Studio Vlambeer. Der Union Jack der digitalen Unabhängigkeit wurde vom Ex-Spielejournalisten Tom Francis ("Gunpoint") und dem Rechteckgeschichtenerzähler Mike Bithell ("Thomas Was Alone") hochgehalten.
Robert Glashüttner
Abseits der Indie-Games sind natürlich auch die Indie-Organisator/innen wichtig. Für wichtige Konferenzen finden sich immer öfter Einzelpersonen und kleine Entwicklerstudios zusammen um mit vereinten Kräften gegen das laute Marketing-Getöse der Triple-A- und Free-to-Play-Phalanx anzuschreien. Das passiert etwa durch den "Indie MEGABOOTH", der nächstes Jahr auch auf der Gamescom Halt machen wird. Schon dieses Jahr gibt es dort übrigens die "Indie Arena", die zehn europäische Entwickler und ihre aktuellen Spiele an einem Stand präsentiert.
Pop Up Arcade
Menschen zum Spielen von ungewöhnlichen, aber in der Regel zugänglichen und geselligen Games zu bewegen, ist auch das Ziel von Zuraida Buter, Marie Foulston und Jonatan Van Hove. Die drei tun in ihrem jeweiligen Land (Niederlande, England, Dänemark) vieles dafür, digitale und auch nicht digitale Spiele wieder mehr in die Öffentlichkeit zu bringen. Wider das Zuhausesitzen! So organisieren die drei verspielte Partyabende, laden zu unkonventionellen Spieleveranstaltungen und bauen aus billigen Möbeln und alten Koffern neue Videospielautomaten (siehe oben). Diese Pop-Up-Arcade-Szene, die den lokalen Mehrspielermodus in launiger Umgebung zelebriert, ist eine interessante Bewegung, die sich immer öfter auch mit der seit ein paar Jahren ebenfalls sehr lebendigen Street-Games-Community austauscht. Übrigens gibt es mit der play:vienna schon nächste Woche ein famoses Straßenspielfestival in der Hauptstadt.
Robert Glashüttner
Das Notgames Fest läuft noch bis inklusive Freitag, 23. August.
Nach den Indies ist vor den Indies: Als der zweite Konferenztag der GDC Europe zu Ende geht, fängt an einer anderen Stelle das Geschehen erst an. Das Cologne Game Lab lädt, wie schon 2011, zum Notgames-Festival. Die hier präsentierten Spiele sind nicht in Not geraten, sondern lösen sich bloß weitgehend von formalen Üblichkeiten, die digitale Spiele sonst so mit sich bringen: kompetitive Aufgaben etwa, oder das ewige Einsammeln irgendwelcher Dinge. Wie schon vor zwei Jahren kuratiert auch dieses Mal das renommierte Kunstspiel-Duo Tale of Tales die Ausstellung. Auriea Harvey und Michaël Samyn haben schon davor beim Indie Games Summit gesprochen, dort ihre vergangenen und kommenden Spiele aufgerollt und einigermaßen theatralisch eine Art Manifest der künstlerischen Spieleentwicklung verlesen.
Helle Höhle der Nichtspiele
Robert Glashüttner
Die Notgames werden liebevoll ausgestellt, die Spielestationen stehen inmitten weißer Kabinen, geometrisch geformter Dekogegenstände, verspielter Fadenvorhänge und gemütlicher Sitzgelegenheiten. Angenehm: Es gibt bei den ausgewählten Titeln keine Aktualitätsvorgaben. Einige Spiele sind aktuell, andere wiederum werdende Klassiker, etwa das verblüffende, bunte Wurmspiel "Noby Noby Boy" (2009). Nach dem Probieren der präsentierten Spiele und Nichtspiele und der offiziellen Eröffnung der Ausstellung werden an der Kassa anschließend um wenige Euro "Wertmarken" gekauft, die flugs in Kölsch und andere Getränke getauscht werden können. Selten war bei einer Computerspieleveranstaltung das Mit-Bier-in-der-Hand-Abhängen so entspannt wie am Abend der Notgames-Party. Und doch bleibt ein leichtes Ziehen in der Brust, weiß man doch, dass zur selben Zeit auch das großartige PLATINE-Festival für Elektronische Kunst und Alternative Spielformen stattfindet. Aber das ist eine andere Geschichte. Dennoch: Wer gerade in Köln ist, sollte unbedingt noch heute (Donnerstag) Abend zur PLATINE gehen, denn: letzter Veranstaltungstag!