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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

22. 8. 2013 - 15:10

Leben in der Bar

Drei Freunde, ein Sommer in Berlin und ein Club an der Spree - die Eckdaten für einen barfüßigen Sommerroman stehen. Doch Ju Innerhofer hatte anderes vor.

Erschöpfung macht sich breit. Dabei hatte es doch aufregend angefangen: Der Prolog verspricht "keine Regeln, keinen Codex", denn es geht in den Club. Und zwar nicht in irgendeinen. "Wenn du es reingeschafft hast, bist du in einem Vakuum". Ju Innerhofers erstes Buch "Die Bar" ist ein Partybuch, das sich in Ernüchterung übt und in Berlin spielt (wo sonst auch). Die Kapitelüberschriften bilden einen Countdown. Dann wird ein Club für immer schließen und ein Mensch sterben.

Cover zu "Die Bar" von Judith Innerhofer zeigt Weltall

Metrolit Verlag

"Die Bar" von Ju Innerhofer ist im Metrolit Verlag erschienen und liest sich so.

Der Spoiler ist angebracht. Es braucht Motivation, sich Wochenende für Wochenende mit der Hauptfigur, der Barfrau Mia, in "Die Bar" zu begeben. Auf 220 Seiten will einer diffusen Sehnsucht nachgegangen werden, unter Fremden einfach sein zu können, wie man wirklich ist. Doch den ersten Einspruch legt der Türsteher ein und bald überkommt einem beim Lesen der Verdacht, dass die Sehnsucht selbst samstagabends einfach zuhause auf der Couch eingeschlafen ist.

Tagsüber und Unter-der-Woche sollten draußen bleiben. Mia wird am Eingang von anderem Personal schon mal über wartende Geste gehoben und direkt in den Club befördert. Aber kurze Anflüge von Erhabenheit bringen noch keine Fröhlichkeit mit sich. Mit Mia geht es in den Backstage-Bereich der Bar. Hallo Koks, hallo Ketamin, oder auch: Schnell dahin, wo man sich besser unterhalten kann. Wobei Unterhaltungen gar nicht vorgesehen sind und dennoch wird jedes gelungene Gespräch mit Überschwang berichtet. Ein Weiterkommen in der Handlung ist auch schwer auszumachen. Schon wieder sitzen eine erschöpfte Barfrau und ihre zwei DJ-Freunde am WG-Küchentisch. Die Frau plagt Herzschmerz, die Männer sind nicht krankenversichert.

Judith Innerhofer sitzt in einem Backsteinhinterhof

mediaconsult.tv

Ju Innerhofer ist in Südtirol geboren, hat in Wien Medizin studiert und promoviert und lebt in Berlin.

Im Loop gefangen

Wie in einem niemals endenden Loop wiederholen sich die Wochenenden in minimalen Variationen - auch sprachlich, bis sich die Erzählung erschöpft. Zustandsbeschreibungen gehen nicht selten zurück auf diverse Substanzen. Diese Mia durchläuft das bisschen Handlung mit einer Professionalität wie eine japanische Zeichentrickfigur. Die Clubwelt mit Spinds für zweite T-Shirts, Zahnpasta und -bürste für die tagelange Feierei ist für diese Frauenfigur zum Arbeitsplatz und damit Routine geworden. Der Erzählton ist kühl.

Mit ihrer Abgeklärtheit gelingt Ju Innerhofer tatsächlich zumindest eine Überraschung in "Die Bar". Wie banal dieses verklärte Ausgehen sich doch gestalten kann, führt Innerhofer ausgiebig vor. In den Popromanen der Neunziger Jahren wurde Musik als Soundtrack eines Lebens gefeiert, in "Die Bar" interessiert sie nicht. Explizit nennt Ju Innerhofer nur "Voyage, voyage" von Desireless und Britney Spears "Hit Me Baby One More Time". Die müssen nicht mehr mit neuen Geschichten aufgeladen werden. Als ob diese Mia so post allem wäre, dass es sich gar nicht mehr lohnt, die eigene Geschichte anzuerkennen.

Versuchte Reanimation einer Legende

Deutsche LeserInnen wollen "Die Bar" am Spreeufer eindeutig als die legendäre "Bar 25" ausgemacht haben. Ju Innerhofer betont, dass sie unterschiedliche Clubs in ihrer Anfangszeit in Berlin zu dieser Erzählung inspiriert hätten. In Berlin gebe es anders als in Wien keine Sperrstunde, sagt Innerhofer, "natürlich beeinflusst einen dieser Drive auf bestimmte Weise". Die Erinnerung an Nächte in Berlin tut das ihrige für Innerhofers Buch. Es liest sich an einem Nachmittag.