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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

21. 8. 2013 - 15:48

Kartelle an der Schwarzmeerküste

Ausländische Supermarktketten und ihre Preisabsprachen in Bulgarien.

Im Dorf Obzor an der Schwarzmeerküste sah ich zum ersten Mal in Bulgarien ein Geschäft der Supermarktkette "Spar". Das erfüllte mich mit Neugier. Nachdem mein Heimatland mit Filialen von "Metro", "Billa", "Kaufland", "Carrefour", "Lidl" und "Penny" überflutet wurde, war es an der Zeit, dass auch ein "Spar" eröffnete. Als ich mich dem Geschäft näherte, sah ich, dass es nicht "Spar", sondern "Sparm" heißt. Das gleiche Logo, aber ein Buchstabe Unterschied.

Weil ich gelesen habe, dass die Wettbewerbsbehörde in Österreich die Supermarktkette gerade wegen Preisabsprachen prüft, entschied ich mich dazu, die Lage beim bulgarischen "Zwilling" zu prüfen. Im Dorf gilt das Geschäft als das Günstigste und das am besten Sortierte. Ich sah mir die Preise von Fleisch, Melonen und Käse an - Melone mit Käse ist in Bulgarien ein Sommerspezialität. Danach besuchte ich die kleinen Läden und Lebensmittelstände im Dorf. Die Preise von Bai Goscho aus dem unteren Viertel in Obzor waren gleich wie die Preisen von Bai Pescho aus dem oberen. "Aha", dachte ich mir, "das ist das Kartell, über das die österreichischen Medien schrieben".

Hauptplatz von Obzor an der Bulgarischen Schwarzmeerküste

gemeinfrei

Zentraler Platz in Obzor an der Bulgarischen Schwarzmeerküste

Im Artikel "Die großen Supermarktketten in Bulgarien arbeiten als Kartell" auf www.mediapool.bg geht es um eine Standnahme der bulgarische Wettbewerbsbehörde, das genau das feststellt.

Das ist natürlich ein Scherz, aber die Preisabsprachen der großen Supermarktketten auf Kosten der Konsumenten sind in Bulgarien eine Tatsache. Die Menschen hofften, dass die Konkurrenz der Ketten die Preise senken wird. Das ist aber nie passiert. Es ist bewiesen, dass die großen ausländischen Supermarktketten die Hersteller erpressen. Um eine langfristige Verbreitung ihrer Waren zu sichern, sind sie gezwungen, ungünstige Verträge mit den Ketten zu schließen.

So kommt es zum folgenden Paradoxon: Die Ketten kaufen die Produkte auf einem sehr günstigen Preis - fast dem Einkaufspreis - und verkaufen sie sehr teuer weiter. Sie machen so einen Riesengewinn. Wer die Preise wie bestimmt, bleibt ein Geheimnis. Die Hersteller haben es sehr schwer, auf dem Markt zu überleben, und sie haben kein Geld um zu investieren. Die Konsumenten sind gezwungen, die Lebensmittel überteuert zu kaufen. Deswegen ist die Bevölkerung sehr unzufrieden mit den großen Supermarktketten.

Die ultranationalistische Partei Attaka (viertgrößte Kraft in Bulgarien, nach den letzten Wahlen, unterstützen die jetzige Regierung im Parlament) hat in ihren 20 Programmpunkten z.B. das Verbannen ausländischer Konzerne in Bulgarien

Die populistischen und nationalistischen Parteien benutzen das geschickt. Sie sprechen von der "kolonialen Politik" der westlichen Unternehmen. Das bringt vor allem Euroskeptizismus und Hass. Die Schaufenster der Geschäfte sind voll und die Taschen der Konsumenten leer. Von hier bis zur Nostalgie für den Kommunismus ist es nur ein kleiner Schritt.

In Obzor hat jemand mit einem roten Spray "Schluss mit der Ausbeutung, alle Macht dem Volk!" geschrieben. Die Urlauber beachten das Graffiti nicht, sie haben es eilig, den Strand zu erreichen. Und der Strand ist nicht schlecht. Es ist August und die Menschen denken nicht an Kartelle. Die Aufschrift "Sparm" leuchtet fröhlich am Sommerhimmel.