Erstellt am: 18. 8. 2013 - 16:40 Uhr
Komisch klappernde Schwermut
Vielleicht wird man in einer gar nicht mal so weit entfernten Zukunft mit einem von der historischen Verklärung ein bisschen glasig gewordenen Blick auf dieses kleine Stück Musik zurückblicken. Ein Stück, das zwar nicht den absoluten Anfangspunkt im jeweiligen Werk zweier üblicherweise getrennt voneinander arbeitenden Menschen markiert, jedoch der Moment eines frühen, spannenden, weichenstellenden Aufeinandertreffens und Ineinanderschmelzens ist. Das Zusammenkommen einer Sängerin und eines Produzenten, zweier Personen, deren Karrieren, so werden wir es später wissen, aufsehenerregend verlaufen sein werden.
„Water Me“ ist die Vorabsingle von FKA Twigs zweiter, im September via Young Turks erscheinender EP, den Beat dazu hat ihr der in den letzten paar Monaten quasi aus dem Nichts aufs Plateau relativer Hotness geflutschte Produzent Arca gebaut. Auch die erste EP der 25-Jährigen, aus dem ruralen Gloucestershire stammenden, mittlerweile längst schon in London ansässigen Sängerin FKA Twigs war ein kleines berauschendes Wunderwerk: vier verhuschte und vernebelte Stücke, die Fragmente britischer Clubmusiken, Scherben aus Dubstep und Dub, aus TripHop und Garage, kleinkrümelten und zu einer zerdehnten, neuen elektronischen Popmusik neu zusammensetzten. Darüber thronte, glitt und vibrierte die wundersame Stimme von FKA Twigs, die seinerzeit noch unter dem Namen Twigs firmierte, sich jetzt aufgrund doofer rechtlicher Scherereien in einem sympathischen, Prince-haften Move die Abkürzung für „Formerly Know As“ vor den Namen gepappt hat.
FKA Twigs
Mittlerweile wird FKA Twigs - unter anderem auch wegen ihres ausgeprägten und eigentümlichen Modesinns - als die Grimes des Jahres 2013 auf Magazincover und in große Blog-Features gehievt. Abgesehen davon, dass derlei Hype-Beschleunigung und das ständige Generieren eines nächsten Irgendwas albern sind, ist nicht zu leugnen, dass FKA Twigs das Zeug zum Star mitbringt.
Der in New York beheimatete Produzent Arca hat bislang zwei EPs und diverse Mixtapes veröffentlicht: Drauf zu hören gibt’s Quietschgeräusche, Rasseln und Poltern, Beats, die an einer Tanzbarkeit kaum noch interessiert sind; Restspuren von HipHop, kleine Stimmfetzen, sphärisches Brummen; der Sound, den man sonst nur hört, wenn jemand in Zeitlupe den Werkzeugkasten die Treppe hinunterwirft und man selbst nebenan im Badezimmer unter der Dusche steht. Der coole Indiehype hat Arca vor kurzem auf das aktuelle Album des großen Zeitgeistfressers geführt: Bei vier Tracks auf Kanye Wests „Yeezus“ war Arca maßgeblich für die Produktion mitverantwortlich, auch soll er ein Berater Wests sein.
- Alle Songs zum Sonntag auf FM4
- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Das Stück „Water Me“ ist nun nicht die erste Zusammenarbeit von FKA Twigs und Arca, in diesem minimalistisch angelegten Song kommen aber alle Komponenten erstmals ideal zusammen: Spukhafte verpitchte Vocals-Samples, Klopfgeräusche, ein Rattern und Klicken. Eine Stimme wie ein ehrfurchtgebietendes Flüstern, eine geschundene Seele, ein Tonfall der Hoffnung. Ein knapper Text über Isolation, die Kälte im Herzen und den Wunsch ein besserer Mensch zu werden. Ein Hit für Menschen, die keine Hits mögen. Wir wollen hören, lernen und wachsen. Vielleicht funktioniert das dann auch irgendwann einmal mit der Liebe.