Erstellt am: 16. 8. 2013 - 01:42 Uhr
Zwei Supertypen tanken super
FM4 Frequency
Samstag
- Nachtschattengewächse: Von James Blake und Nick Cave
- Rocken wie Hose: Spaß am Zeltplatz
- Bilder von Bands und Bühnen
- Video: Madsen POV
Freitag
- System Of A Down, Crystal Castles, Left Boy und viel mehr
- Schweiß vermeiden, cool bleiben
- Bilder, Bühnen, Publikum
- Video: A Tribute to Empire of the Sun
Donnerstag
- Tenacious D, Franz Ferdinand, Shout Out Louds und mehr.
- Wald und Wiesenromantik: Tierkostüme überall
- Und los! Bilder, Bühnen, Publikum
- Video: Mit der Helmkamera zum FM4 Frequency Festival
Mittwoch
Ein Headliner wie eine Beleidigung alles Musikalischen. Ein Humor, gezogen aus dem Giftschrank des frühen Dieter Hallervorden. Na gut, das sind wirklich maßlose Übertreibungen. Ein Stilmittel, das auch dem Herrn Jack Black nicht fremd ist.
Bevor spät in der Nacht das Unterfangen namens „Tenacious D“ als Headliner der Hauptbühne ein klitzekleines bisschen die Würde des Menschen in Frage stellt, ist aber am ersten Tag des FM4 Frequency Festivals zum Glück dann doch alles andere als die letzte Hoffnung verloren. Wenn man sich ein wenig bemüht, kann sehr viel Schönes erlebt werden.
Am frühen, frühen Nachmittag beispielsweise, da steht nämlich Laura Mvula mit ihrer Band auf der Hauptbühne. Wie die junge englische Musikerin und Sängerin aus Birmingham dahingekommen ist – darüber kann nur gemutmaßt werden. Laura Mvula will nämlich auf dem Papier mit ihrem vor allem auf der Kraft des Soul, genauso aber auch weihevoll in sich selbst ruhenden Salon-Pop für Edelgeschmäcker so gar nicht auf ein vor allem dem Abrocken gewidmetes Riesenfestival passen.
Wo die Menschen vor der Bühne, zum Beispiel, auf die Killerpilze, eine ein bisschen in die Jahre gekommene deutsche Teenie-Pop-Punk-Band, warten. Laura Mvula bekommt Unterstützung von einem drei-köpfigen Mini-Streicherensemble, es gibt auch eine Harfe. Eine Harfe – viele kennen das vielleicht aus dem Museum.
Das Publikum ist aber freilich begeisterungsfreudig, selbst wenn gerade nicht mit irischer Folklore durchsetzter Ska-Punk aus den Boxen kommt. Und Laura Mvula ist einnehmend. Ihr dieses Jahr erschienenes Debütalbum „Sing to the Moon“ hat in ihrer Heimat zwar Platz 9 der Album-Charts erreicht, ist dem Rest der Welt jedoch nahezu unbekannt. Es ist ein liebe- und kunstvoll aus R’n’B, Motown und der Schlafzimmermusik von Sade angerührter Kammerpop, der vielleicht besser im von Rauchschwaden durchzogenen Jazzclub aufgehoben wäre. Dennoch: Ein geschmeidiger und erhebender Start in einen Tag und einen Abend, die in weiterer Folge von gänzlich anderen Musiken dominiert werden sollen.
Richtig Gutes geschieht danach, wenn auch weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit, auf der Bühne der in einer kleinen Halle untergebrachten Weekender Stage. Dort hat man heiße up-and-coming Bands versteckt, von denen kaum ein Mensch noch je einen Ton gehört hat. Schade ist das. Bei der mit Sorgfalt abgefuckten Band Skaters weiß man nicht so recht, ob die da muszierenden fünf coolen Herren sich mit Absicht als prototypische Hipster-Combo verkleidet haben oder ob sie real sind.
Live vom FM4 Frequency
Samstag, 19 bis 22 Uhr: Livesets, Interviews, Backstage-Gossip und Reportagen vom Leben in der Zeltplatzstadt
Lange Nacht des FM4 Frequency
Dienstag und Mittwoch Nacht, ab 1 Uhr und anschließend für sieben Tage on Demand: Alle Konzerte, die wir mitschneiden durften und für die wir die Rechte erhalten haben. Unter anderem mit:
- Empire of the Sun
- Franz Ferdinand
- Casper
Das mag wohl der Witz an der Sache sein. Die Skaters tragen bunt Hawaii-mäßige gemusterte Hemden, drei von ihnen auch ein Baseballcap auf den wirren Haaren. Sie kommen aus New York. Skaters sind wild, räudig und leben vom Glam der Versifftheit. Die Strokes gibt es noch, zur Magie ihrer Debütalbums „Is This It“ haben sie nie wieder ganz zurückgefunden, die Skaters stellen sich nun mittlerweile schon ein bisschen an, einen ganz ähnlichen Acker zu bewirtschaften. Was ist Zeit? Ein ganzes Jahrzehnt scheint nicht vergangen zu sein. Die Skaters nudeln so schön hibbeligen Garagenrock mit catchy Hooks und Popmelodien aus ihrem Instrumentarium, der Sänger beherrscht die gedehnte, immer ein bisschen gelangweilte Julian-Casablancas-Nöhligkeit. Fast alle Songs sind hier Hits, auch wenn man sie eventuell gar nicht kennt. Wenn also auch freilich nur in Maßen „originell“: Skaters – kann man sich merken, kann noch etwas werden.
Auf der Green Stage zeigen Shout Out Louds (ohne“die“) - einmal mehr -, dass ihnen in diesem Leben wohl nichts mehr passieren wird. Im Negativen wie im Positiven. Das Klangdesign von The Cure haben sie von der Aura der Friedhofssympathie und der Trübseligkeit befreit und das Timbre von Robert Smith in in schwedischer Maßarbeit gefertigte Popsongs hinübergerettet. Perfekt geschnitten, sauber ausgemessen, glatt.
Risse wird man bei Shout Out Louds vergeblich suchen. Innerhalb dieses also schon bestens ausgeleuchteten Soundkosmos ist dieser souverän-solid-sympathischen Band aber kürzlich mit der Nummer „Walking In Your Footsteps“ aber doch wieder einmal ein recht prächtiger Song aus dem Ärmel geflutscht. Mit Geflöte. Sowas ist immer gut. Das nächste Mal bitte mit Saxophon. In Brauchtumspflege andere Art übt sich derweil die isländische Band Of Monsters And Men auf der Hauptbühne: Lieblich-putziger Überschwangs-Indie, den vor allem der rustikale Folk-Gott geküsst hat. Arcade Fire, Beirut oder, wait for it, Mumford & Sons stehen vielleicht auch zuhause im Plattenregal. Gezuckert ist das Ganze mit einer gehörigen Dosis, fast schon möchte man sagen, „isländischen“ Niedlichkeit.
Ein Highlight, von dem mal wieder keiner etwas gehört haben will, ist der Auftritt von Delorean auf der Weekender Stage. Delorean sind eine Band aus dem Baskenland, die vor allem mit ihrem feinen Album „Subiza“ aus dem Jahr 2010 einen wohlriechenden Eintrag ins Fußnotenregister der allseits beliebten Entspannungsmusik „Chillwave“ vollbracht hat. Musik, die davon, dass „Indie“ und „Dance“ vielleicht einmal gar einander entgegengesetzte Lager und Ideen gewesen sein könnten, noch nie etwas gehört haben will. Synthesizer, Bass und auch Gitarre, balearische Zeitlupendisco, richtig, echte Popsongs mit lieblich verquietschtem Gesang. Das hat viel von beispielsweise Primal Scream in ihrer „Screamdelia“-Phase und bisweilen New Order. Federnd, schwirrend, psychedelisch die Blitze im Hirn verwirrend. Das Leben ist dreihundert Erdbeeren.
Die australische Band/das australische Projekt Empire of the Sun zieht auf der Mainstage am frühen Abend die bombastische Space Opera auf. Überkandidelter Synthie-Pop, Glitzerpudelhosen, Gesichtsschminke, funkelnder Kopfschmuck, daft-punk-hafte Tänzerinnen. Das ist perfekt gebaut, die Tatsache, dass bei dieser perfekt stromlinienförmig hingetuneten Musik und auch Performance der eine oder andere Ton wohl vom Band kommen dürfte, egal. Immer wieder drehen Empire of the Sun ihre Bonbon-Musik auch in Richtung eines sexuell aufgeladenen, maschinellen Zukunfts-Funk des großen, kleinen Prince. Am Ende zertrümmert Mastermind Luke Steele seine Gitarre. Ein lustiger, wenngleich natürlich auch konstruierter Bruch der superslicken Popoberflächen-Inszenierung.
Der Semi-Headliner auf der großen Bühne ist Franz Ferdinand. Anhand dieses Auftritts, bei dem alles stimmt, darf man wieder einmal bemerken, was die Welt an dieser wunderbaren Band hat. Auch wenn man sich vielleicht in den letzten Jahren schon an den Sound des schottischen Quartetts gewöhnt hat. Franz Ferdinand haben das Postpunk-Revival schon vor 10 Jahren, man glaubt es kaum, angetriggert, Gang of Four wiederbelebt, den Funk und den Tanz zurück in den Gitarrenrock geführt. Heute ist das Allgemeinplatz.
Smart, aber nicht überschlau, sondern mit Eleganz und Verve, Artschool-Gehabe und Kunsttheorie in ihr System eingespeist. Aus so wenig kann so viel entstehen. Zwei sich duellierende zickige Gitarren, ein schlankes, knackig-sprödes Schlagzeug, ein Bass, der das Fundament für den Groove bereitet. Groove.
Alex Kapranos gibt den gewitzten Impresario: Er klatscht mit Pomp über seinem Kopf und vollführt mit seinen Händen, wenn er sie denn einmal frei hat, beschwörende Bewegungen, geradeso als würde ein Hypnotiseur seinem Publikum die allerbedeutendste Weltformel ins Gedächtnis zaubern. „Guten Abend!“ sagt er an diesem Abend des Öfteren, und „What a beautiful crowd you are tonight.“ Franz Ferdinand stellen erwartungsgemäß einige neue Stücke ihres sehr bald erscheinenden vierten Albums „Right Thoughts, Right Words, Right Action“ vor: Große Überraschungen gibt es hier nicht zu erfahren, eine Neuerfindung scheint hier nicht stattzufinden (sehr bald dazu Genaueres).
Das Zusammenspiel von Franz Ferdinand ist die Definition des Wortes „tight“. Das Set besteht fast ausschließlich aus Hits, Franz Ferdinand haben sie: „Do You Want To“, „The Dark of The Matinee“, „Michael“, „This Fire“, „Take Me Out“ – kaum ein Song hier hat bislang etwas von seinem Glanz eingebüßt. Ab und an werden dem Synthesizer kosmisches Fiepsen und Zischen entlockt. In das Stück „Can’t Stop Feeling“ integriert die Band Donna Summers ewigen Hit „I Feel Love“, den Abschluss des Sets macht, leider ohne Zugabe, „Ullysses“. „Alles gut, yeah?“ fragt Kapranos in die Menge. Alles gut, yeah.
„Ich muss meine alte Meinung revidieren“ sangen Tocotronic einst in einem schönen Lied. Man muss ihnen nicht in jeder Lebenslage und immer rechtgeben. Jack Black und Kyle Gass überhöhen in ihrem komödiantisch gemeinten Bandprojekt Tenacious D Formen, Formeln, Figuren und Topoi aus Hardrock und Heavy Metal bis in die Parodie. Dass sie diese Musiken aber auch sehr lieben, bleibt immer klar. Hier werden die Geister von Led Zeppelin, Black Sabbath und Ronnie James Dio angerufen, dennoch trieft Tenacious D das Wort „Ironie“ in fetten Lettern aus jeder Pore. Sie ist hier so sehr mit dem Fleischerhammer gearbeitet, dass sie gänzlich an Bedeutung verliert und sich selbst wieder auslöscht.
Jack Black unterstreicht - wie auch nicht selten in seinen Filmen - mit wirrem Blick und empathischem Zungenschlag bis in die letzten Zuschauerreihen hinein, dass hier gerade, ständig, etwas witzig gewesen ist. Man hätte es sonst vielleicht nicht bemerkt. Der Humor von Tenacious D ist zugegebenermaßen schon da und dort auch einer, der auf der Textebene kenntnisreich und mitunter auch gewitzt mit Anspielungen und Klischees der Rockgeschichte jongliert. Es ist aber ebenso einer, der sich auf einen riesigen aufblasbaren Penis im Bühnenhintergrund verlässt. Witzig gemeint aber! Dass Tenacious D der Headliner des ersten Abends sind, ist sehr, sehr befremdlich. Dass sehr, sehr viel Leute auf diesen Auftritt gewartet haben, ist ebenso wahr.