Erstellt am: 14. 8. 2013 - 19:41 Uhr

Fußball-Journal '13. Eintrag 34.

Der letzte, womöglich nicht ausgesprochen relevante Test vor der Herbst-Mission WM-Quali: ein Match gegen Griechenland, das seinen Sinn durch seine konzentrierte Verve belegen sollte. Und die Gründe für das Versagen.

Vorrede...

Was nun bringt so ein Test vor den vier entscheidenden Spielen des WM-Qualifikations-Herbstes? Drei dieser Matches finden auswärts statt (in München, in Schweden und auf den Färöern) und das Heimspiel gegen Irland lässt sich gegen den heutigen Gegner auch nicht seriös simulieren. Das konnte allerdings der extra so angesetzte Auswärts-Test gegen Wales Anfang des Jahres aus anderen Gründen auch nicht bringen.

Ist dieser Test also nichts wert? Zumal Teamchef Koller seine Partie schon nibelungentreuemäßig zusammengeschworen hat, also gar nix mehr ausprobieren will? Geht es nur drum, dass sich die Einser-Garnitur noch einmal einspielt, gegen einen Test-Gegner, dem man auf Augenhöhe gegenüberstehen sollte?
Kann man heutzutage noch einen Länderspiel-Gegner wirklich durch einen vergleichbaren Dummy abtesten?

Der ÖFB entzieht sich diesen Fragestellungen durch die Fortsetzung der Heimspiel-Politik. Draußen in die Fremde zu gehen, das kommt nur alle heiligen Zeiten vor, da hat sich unter Koller nichts geändert.

Ein kurzer U21-Exkurs um 19.30...

Nicht zum reinen Spaß ist die U21 nach Albanien gefahren - dort startet die neue Qualifikation für die Euro 2015. Und es ging so los, dass sich drauf aufbauen lässt, 1zu0-Sieg, Tor durch Robert Zulj, der überraschend gar nicht von Start weg dabei war, in der 54. Minute.

Die Mannschaft, im bei Gregoritsch jetzt üblichen 4-2-3-1: Riegler; Farkas, K. Wimmer, Neuhold, Hinteregger; Holzhauser (76. Schaub), Ziegl; Sabitzer (85. F. Kainz), Offenbacher, K.Stöger, A. Schöpf (2H R. Zulj).

Österreichs A-Team spielt strukturell ja durchaus ähnlich und wird heute auf eine zwar nominell erneuerte, aber auf die vorhandenen Tugenden (aus einer sehr gesichterten Defensive heraus eine Art Konterspiel entwickeln) setzende griechische Mannschaft treffen.

Alles soll also gleich bleiben bei dieser Generalprobe...

... ist das aber genug? Keine Unwägbarkeiten auschecken, sondern nur via Resultat Selbstvertrauen tanken? Wir werden sehen. Und vielleicht ist diese Ansage von Marcel Koller auch nur als Beruhigung für die ruhesuchende Öffentlichkeit und die von komplexeren Zusammenhänge gern verwirrten Medien gedacht, vielleicht wird man frühes, hohes Pressing oder etwas ganz anderes testen...

Man erwartet im Salzburger Stadionrund in Wals-Siezenheim also...

... Österreich in rot-weiß mit 1 Almer; 2 Garics, 3 Dragovic, 4 Pogatetz, 5 Fuchs (K); 14 Baumgartlinger, 8 Alaba; 11 Harnik, 10 Junuzovic, 7 Arnautovic; 9 Weimann.
Das sind elf Legionäre.

Bank: 12 Lindner, 23 Özcan; 17 Klein, 15 Prödl, 22 Ortlechner, 13 Suttner, 18 Leitgeb, 16 Jantscher, 6 Ivanschitz, 20 Hosiner.
Da sind dann ein paar Spieler aus der Liga mit drauf.

... Griechenland in blau mit 1 Karnezis; 15 Torosidis, 19 Sokratis Papastathopoulos, 3 Siovas, 20 Holebas; 2 Maniatis, 21 Katsouranis (K); 8 Kone, 23 Tachtsidis, 16 Lazaros Christodoulopoulos; 9 Mitroglou.

Bank: 13 Sifakis; 11Vyntra, 7 Fytanidis, 5 Manolas, 4 Spyropoulus; 6 Tziolis, 19 Fetfatzidis, 14 Dimoutsos, 22 Fortounis, 18 Ninis; 17 Athanasiadis.

Der Schiri ist aus der Slowakei und heißt Trutz.

Auf dem Papier sehen die beiden Teams recht ähnlich aus - wie sich die beiden 4-2-3-1 dann aber auf dem Platz darstellen/auswirken werden, ist eine andere Geschichte.

Erste Eindrücke, zweite Blicke, Pressing und Standards...

Alaba beginnt auf halbrechts in der Zentrale, Baumgartlinger links neben ihm - ungewöhnlich, vielleicht nur Zufall. Alaba orientiert sich in der Folge eher vor seinem Kollegen, und hat einen großen Radius - er stellt sich also als Achter vor. Nach drei Minuten ist er wieder halblinks gelandet, es bleibt also auch hier alles wie gehabt; aber die beiden in der Zentrale sondieren ihr gemeinsames Terrain recht forsch.

Die Griechen sehen ihre Außenspieler nicht so sehr als Flügel, die zur Grundlinie gehen, sondern als äußere Glieder einer mittleren Kette; so rückt Kone, an sich rechts außen eingesetzt, gern mit in die Mitte.
Maniatis, den Junuzovic in der siebten Minute ko schießt, spielt halbrechts im Zentrum neben Routinier Katsouranis, ist aber ein klein wenig vorstoßfreudiger als sein Nebenmann. Beim Pressing steht er sogar sehr weit vorne, halbrechts neben Mitroglu, der Spitze. Und da Tachtsidis, der eindeutig offensivere Grundaufgaben hat, in diesen Fällen halblinks neben dem Neuner steht, unterstelle ich einmal Absicht. Da sieht mir das griechische System nach einem 4-1-4-1 aus.
Man kann aber auch schlicht 4-5-1 dazu sagen.
Das Pressing der Griechen beginnt erst so zehn, fünfzehn Meter vor der Mittellinie, deshalb geht es sich dann auch aus, dass Maniatis letztlich beide Jobs (Sechser und wühlender Halbstürmer) erfüllen kann. Dass die Österreicher dies zulassen, spricht nicht für ihre strategische Cleverness.

Das griechische Spiel ist, so stand es auch zu erwarten, von seiner grundsätzlich abwartenden Haltung geprägt. Gegen schnelle Vor/Gegenstöße bei Ballfehlern des Gegners will man sich aber nicht verwehren.

Frappant: die Ideenarmut der Österreicher bei den Standards. Man muss ja nicht gleich Thomas Hickersberger hinzuziehen, aber ein bisserl Fantasie bei Freistößen und ein wenig Abwechslung bei Cornern wäre schon eine tolle Sache.
Diese Kritik muss sein, auch wenn Alaba in der 18. einen Direktfreistoß indirekt an die Stange setzt. Wer durch forsches Vorpreschen einige Free Kicks bekommt, sollte sich besser auf die Ausführung vorbereiten.

Dafür ist der Ideenreichtum bei eben jenen forschen Vorstößen durchaus sichtbar - das fällt in dieser 1. Halbzeit vor allem auch deswegen so ins Auge, weil von griechischer Seite diesbezüglich nichts zu sehen ist. Das ist ein reaktives Team, das immer noch unter den Nachwehen der Rehakles-Verheerung, der Philosophie von der Verherrlichung des grausigen Götzen Destruktion leidet.

Die erste ÖFB-Halbchance ist der Auftakt ... für die anderen

In der 24.Minute, nach dieser gutaussehenden Halbchance von Junuzovic, denke ich mir, könnte das Spiel nun schön langsam beginnen. Interessanterweise kommt danach aber Team Griechenland zu seinen ersten echten zusammenhängenden Szenen. Hm.

Bei Team Österreich sieht sich Alaba manchmal gezwungen auf seine linke Flügelseite zu gehen, auch weil das dort eigentlich angedachte Doppelspiel Fuchs-Arnautovic nicht hinhaut. Dass es auf der anderen Seite nicht hinhaut, ist angesichts der Formkurve von Harnik kein Wunder. Garics wirft viel nach vorne - er muss sich ja gegen zwei Teamkollegen aus Bologna (Kone und Lazaros) bewähren, ist extramotiviert.

Junuzovic hängt unerwartet stark in der Luft, zwischen ihm und dem Duo Baumgartlingr-Alaba funktioniert der Austausch noch nicht so recht. Unter anderem deshalb ist auch Andreas Weimann recht wirkungslos als reiner Prellbock vornedrin.

Dann geht das griechische Kalkül auf: Mitroglu erwischt einen Katsouranis-Longpass-Lupfer zwischen die beiden Innenverteidiger und lässt sich, mittlerweile alleine vor Almer, diese Chance nicht entgehen.
1zu0 also in der 38. Minute, und natürlich hat sich dieser Spielstand abgezeichnet, alles andere ist hurrapatriotische Verblendung.

Das Halbzeit-Fazit

... und da haben wir den Salat. In einem Spiel, in dem es um nichts geht, bei dem niemand Vorgaben hat, keines der vier anstehenden Spiele simuliert wird und wo der Teamchef dann auch noch den puren Stillstand ausruft, können sich einige der Österreicher nicht so motiovieren, dass sie wirklich funktionieren.

Nicht dass Arnautovic und Co die echten Wettkampftypen sind und dort dann immer glänzen - aber bei dieser eher an eine Playstation gemahnende Nichtigkeit fliegt einfach kein Funke. Und das betrifft Harnik und Junuzovic genauso. Dass sich Dragovic/Pogatetz beim Gegentor zu überlaufen/tölpeln lassen - kann passieren. Wäre aber nicht passiert, wenn Team Österreich den Gegner in den ersten 25 Minuten gezeigt hätte, wer den Willen hat hier mit der doppelten Brust vom Feld zu gehen. Erst das anfängliche Wisch-Waschi, das sich auch durch den möglichen Chancen-Kick nicht zu etwas Größerem auswuchs, brachte Griechenland überhaupt in die pyschologische Möglichkeit so einen Konter auszuspielen. Wenn du unter Druck spielst oder einem Treffer hinterherläufst, gelingt dir sowas nämlich nicht.

Es geht mir nicht um eine Schuldzuweisung, aber: Koller hätte ein Motto ausgeben müssen. Das reine Beharren auf dem Status Quo mag anderswo als Ansporn durchgehen, im Land der Schlamperdatsche führt es zu automatischem Schon-Modus und Stillstand. Und die konzentrierte Verve kann er sich dann aufmalen.

Der leise Aufschwung in der umgestellten 2. Hälfte...

Die zweite Halbzeit beginnt mit 15 Prödl (für Pogatetz), 18 Leitgeb (für Baumgartlinger) und 6 Ivanschitz (für den noch zu matten Harnik). Das bedeutet, dass Arnautovic jetzt rechts (eben statt Harnik) und Ivanschitz links (statt Arnautovic) spielt; eine durchaus sinnvolle Maßnahme, um die Offensive zu rebooten.

Und zu Beginn spielt Arnautovic auch einen echten rechten Flügel, während sich drüben Junuzovic und Ivanschitz und Weimann die Räume im linken Halbfeld und im Zentrum teilen. Dazu der weiter überall auftauchende Alaba - das sieht doch gleich besser aus. Fraglich nur ob Leitgeb, aktuell nur im Salzburger B-Team, der stabile Sechser ist, den man in so einer Phase braucht. Im übrigen teilen sich Leitgeb (links) und Alaba (rechts) die Seiten in der Mittelfeld-.Zentrale strikter als in Halbzeit 1; und Alaba bleibt als Aufpasser hinter Arnautovic..

Dessen gute Zufalls-Schusschance in der 57. Minute könnte/sollte/müsste die Initialzündung für mehr sein. Andererseits: das ging in Halbzeit 1 schon einmal schief.

Und es wird auch diesmal schwer, es sei denn der Zufall hilft. Denn natürlich lässt das griechische Spiel wenig zu. Das Mittelfeld steht so eng an der Abwehr, ist aber durch sein forsches Pressing auch so nah am gegnerischen Aufbau, dass es kaum ein Durchkommen gibt. Das Netz ist engmaschig festgezurrt; und das nicht durch puren Beton, sondern mittels viel Laufarbeit und einiger Doppelbelastung vor allem für die Mittelfeldspieler in Blau.

Zudem fahren sie ihre Konter zunehmend fächerförmig und mit vier, fünf Leuten - so mutig war man in Halbzeit 1 nie.

In der 62. Minute: 18 Ninis kommt für 2 Maniatis, 5 Manolas für 3 Siovas (ein IV-Wechsel) und 6 Tsiolis kommt für den Kapitän. Das bedeutet eine doch offensivere Ausrichtung, weil Ninis (ein echter Zehner) der deutlich offensiver orientierte Mann als Maniatis ist.

... und der unaufhaltsame Untergang in der Endphase

Bei Österreich wird 16 Jantscher kommen, das bedroht - zurecht - Arnautovic, in Minute 64. wird es Wirklichkeit. Davor hat Ivanschitz die beste Möglichkeit aus dem Spiel bis dato eingeleitet. Viele werden nimmer folgen.
Hingegen werden die Griechen-Konter immer gefährlicher werden.

Gesagt, passiert; Mitroglu macht in der 68. Minute nach einem schönen Querlauf das 0:2. Und vier Minuten später ein Lattenschuss für Tsiolis.

In der 74. Minute kommt 13 Suttner für 5 Fuchs und 20 Hosiner für 8 Alaba. Das bedeutet: Ivanschitz ist der neue Kapitän und Koller stellt auf ein 4-1-3-2 um, zwei Spitzen und nur noch ein zentral-defensiver Mitelfeldspieler.
In der 77. kommt Levante-Kollege 11 Vyntra für Torosidis,. nehme ich an.

Die sichtbare Veränderung: mehr Flanken (aus dem Halbfeld, von den Außenverteidigern) auf die nun zwei vorderen Spitzen.

Noch zwei Wechsel machen alles noch verwirrender: 4 Spyropoulus und 22 Fortounis kommen für 8 Kone und 16 Lazaros, die beiden Außen.

Diese Wechsel, die Unruhe und auch die zu kurze Zeit machen ein Comeback des ÖFB-Teams fast unmöglich, auch weil die Verve fehlt, und die Stimmung im gewohnt stimmungslosen Stadion auch nicht von Null auf Hundert zünden kann.

Deshalb ist das Spiel nach dem 0:2 auch ein einziges Jammertal, aus dem keiner rausfinden kann,

Ein Fazit ohne Beschönigung und Gejammer

Wenn ein Verantwortlicher einer aus einer langen Tradition der Launenhaftigkeit, Wehleidigkeit, Owezahrarei und des identitätsstiftenden Fatalismus kommenden Truppe in einem wenig wichtigen Spiel das reine Nichts vorgibt, dann fordert das den Absturz in die alten Untugenden auch ein wenig heraus. Koller hat die österreichische Seele noch nicht wirklich verstanden, sonst hätte er ein Motto ausgegeben, Ziele gesteckt, Konkretes verlangt.
Vorher so überdeutlich anzumerken, dass alle safe sind, dass sich auch Akteure, bei denen die Formkurve runterzeigt, ihrer Position sicher sein können, ist in einer funktionierenden Einheit in einer erfolgsorientierten Sport-Nation möglich, in Österreich aber brandgefährlich.
Nicht dass es ein Heimischer besser gemacht hätte - im Gegenteil, der würde sich im selbstverschuldeten Elend mitsuhlen.

Wichtiger wäre es gewesen sich konzentriert mit dem Knacken der griechischen Taktik zu beschäftigen, sich gegen die Mittelfeld-Stategie was zu überlegen und so ein Testspiel wie ein Sudoku zu nutzen, als Gehirntraining und -nahrung; um die Flexibiliät zu testen, um sich auf Situationen einstellen zu können. Das wäre bei der quasi inexistenten Vorbereitung Coaching-Job mit klarer Aufgaben-Verteilung gewesen. Dazu kam es nicht, weil zwar die (bis auf Janko) erste Elf spielte, da aber mehr als nur ein Spieler nicht auf der Höhe ist.

Ein Testlauf für die Einser-Panier ist nur dann sinnvoll, wenn alle gut drauf sind und einem Gegner ihr Spiel aufzwingen können. Davon ist Österreich noch einen Schritt entfernt. Den Luxus des als Sicherheit missverstandenem Stillstands kann sich dieses Team noch nicht leisten. Das hätte auch Koller besser wissen können.

Das Gute daran: all das kann in den kommenden Quali-Spielen nicht passieren: da weiß auch der dümmste Marko, worum es geht.
Das Schlechte: der Plan, sich mit einem lässigen Test Sicherheit zu holen, ist krass gescheitert - weil auch der lässigste Test nicht ohne Zielvorgabe möglich ist, wenn man aus dem alten Österreichertum endgültig raus will.
Das Gute daran: das dürfte jetzt auch Koller anschaulich gesehen und verstanden haben. Ich denke nicht, dass ihm sowas nochmal passiert.

Das denken andere über dieses Spiel: der Taktikcorner bei laola1.at und die Standard-Situation bei derstandard.at. Hier noch ein Kommentar von nach dem Spiel, der entweder haarscharf diesselben Schlüsse zieht wie ich oder sie recht schnell adaptiert hat.