Erstellt am: 18. 8. 2013 - 16:58 Uhr
Ich bin dann mal kurz im All!
So ist das in Portland: Man will zu einem Konzert gehen und fragt sich, wer denn die Vorbands mit dem lustigen Namen "Spacesuit Demo" & "Dino Tarot" sind, die da am Plakat stehen.
Alexandra Augustin/ FM4
Um nur wenig später draufzukommen, dass hier nicht diverse lustig klingende Bands den Abend eröffnen, sondern dass es sich tatsächlich um eine Demonstration eines selbstgemachten Raumfahrtanzugs und wirklich um ein Dinosaurier-Tarot handelt und einem hier kleine Plastikdinosaurier die Zukunft voraussagen. Oh, du weirdes Portland.
There's a starman waiting in the sky
Dr. Cameron M. Smith war schon überall. Er hat Expeditionen in die Arktis unternommen, hohe Berge bestiegen und die Ozeane erforscht. Und nun will er sich seinen großen Kindheitstraum erfüllen, nämlich einmal ins Weltall zu fliegen, wie er mir im FM4 Interview erzählt hat:
"Seit meinem siebten Lebensjahr sammle ich Autogrammkarten von Astronauten. Ich habe ihnen damals auch Briefe geschrieben und sie gefragt, ob sie mir verraten können, wie auch ich ins Weltall fliegen könnte. Das war damals, in den 1970ern, da haben sie noch auf Fanbriefe geantwortet. Und sie haben zurückgeschrieben: 'Geh aufs College und schau, dass du einen guten Uniabschluss hast.' Die Astronauten haben mich dazu inspiriert, Wissenschaftler zu werden.
Julie Sabatier veranstaltet Destination DIY, einen Abend in Portland, wo Menschen ihre selbstgebauten Erfindungen präsentieren und Bands dazu spielen. Gibt's auch als Radioshow!
Ihre nächste Episode dreht sich um vergessene ErfinderInnen aus Oregon.
Alexandra Augustin/ FM4
- cameronmsmith.com
- Artikel auf wired.com
Mittlerweile unterrichtet Dr. Cameron M. Smith selbst an der Portland State University. Zumindest am Tag. Denn in den vergangenen fünf Jahren hat er sich neben seinem Job in der Nacht seiner Idee gewidmet: sich selber einen Raumanzug zu basteln. Für sein Projekt "Alpha" hat er sich jede Nacht nach der Arbeit hingesetzt, um herauszufinden, wie man das macht. Am Anfang stand natürlich die Recherche. Und er hat Erstaunliches herausgefunden: Es ist eigentlich verhältnismäßig einfach, sich selber einen Anzug zu nähen, und es kostet auch kein Vermögen.
Dr. Cameron M. Smith zeigt mir alte Bilder aus den 1930ern, darauf zu sehen die frühen Erfinder und Vorreiter, die mit ganz primitiven Mitteln Raumanzüge gebastelt haben:
"Für ihre Konstruktionen haben sie einfach das verwendet, was verfügbar war. In den 1930ern war ja noch niemand daran interessiert die Stratosphäre zu erforschen oder ins Weltall zu fliegen. Das war noch bevor die NASA gegründet worden ist. So mussten sie ihre Anzüge selbst entwerfen. Hier habe ich ein Bild von 1935, der Erfinder hier hat einfach einen Metallkübel zu einem Helm umgebaut. Ein anderer hat seine Handschuhe aus Schweinehaut genäht. Diese Anzüge waren natürlich nicht zu 100 Prozent dicht. Aber sie haben zumindest so gut funktioniert, dass diese Menschen bei ihren ersten Ballonexpeditionen am Leben geblieben sind."
Try this at home!
Der Raumfahrtanzug von Dr. Smith besteht natürlich nicht aus Schweinehaut und Plastikkübeln, aber die Materialen für seinen Anzug gibt es tatsächlich alle im Baumarkt - alle außer dem Helm. Der ist tatsächlich ein russisches Original aus früheren Zeiten und stammt von Ebay, wo er ihn für knapp 200 Euro ersteigert hat. Der Anzug selbst besteht aus drei Schichten. Als Grundlage dient ein ganz normaler Taucheranzug.
Alexandra Augustin/ FM4
Ganz vereinfacht kann man sich das so vorstellen: Durch die erste Anzugsschicht zirkuliert durch kleine Kanäle kaltes Wasser, um den menschlichen Körper vor Überhitzung zu schützen. Eine simple Pumpe für ein Aquarium sorgt dafür. In der zweiten Schicht zirkuliert Gas, um einen Gegendruck zu erzeugen. Die dritte Schicht ist aus undehnbarem Material, damit sich der Raumfahranzug nicht wie ein Ballon unendlich aufbläht und seine stabile Form behält.
Die Entwicklung jeder einzelnen Schicht hat jeweils ein Jahr gedauert, denn der Anzug ist handgenäht. Nochmal: handgenäht!
"Ich besitze nämlich keine Nähmaschine! Drei Jahre lang bin ich jede Nacht gesessen und habe mit der Hand, Stich für Stich, diesen Anzug genäht. Und er ist exakt auf meinen Körper zugeschnitten."
So viel Arbeit für etwas, von dem man letzten Endes gar nicht weiß, ob es dann auch wirklich funktioniert. Wieso eigentlich? Tja, nichts macht so glücklich wie die Dinge, die man mit den eigenen Händen erschafft.
"Wenn ich ihn mir nur gekauft hätte, dann hätte ich ja gar keine Beziehung zu dem Anzug. Aber dieser Raumfahrtanzug, das ist meiner! Ich habe mich sicher 1.000 Mal mit der Nadel gestochen, das war mein Blut und mein Schweiß. Dieser Anzug ist ein Teil von mir!"
Alexandra Augustin/ FM4
Der Anzug hat nicht mehr als rund 5.000 Dollar gekostet - exklusive der Arbeitszeit. Würde man so einen Anzug bei der NASA bestellen, müsste man eine Viertelmillion hinblättern, erzählt Assistent Alex. Es fließt immerhin ein Batzen Geld der Steuerzahler in die NASA-Forschung. Und so ist die Idee, einen Raumfahranzug im D.I.Y.-Verfahren zu nähen, natürlich auch ein politisches Statement. A Space Suit for the 99 Percent, nicht nur für die Elite. Ein Ausflug ins All soll genauso einfach werden wie Tauchen oder mit dem Flugzeug zu fliegen. Und da hat man ja auch einst nicht gedacht, dass das einmal für jeden Menschen möglich wird.
Für weitere Tests ist die Forschungsgruppe "D.I.Y. Space Suit" gerade in Kopenhagen bei den Copenhagen Suborbitals zu Gast - eine Gruppe von Menschen, die unabhängig, ohne staatliche Unterstützung daran arbeiten, ein Raumschiff zu bauen. In Kopenhagen gibt es eine Höhenkammer und da wird dann nochmal getestet, ob der Anzug den Bedingungen in großer Höhe standhalten würde. Wenn alles gut läuft, dann steht einem Flug ins All bald nicht mehr viel im Weg und Dr. Cameron M. Smith wird demnächst im Probelauf mit einem Ballon in die Stratosphäre reisen und vielleicht auch bald in einer Rakete der Copenhagen Suborbitals. Großartig!
Ach, und hab ich euch schon von den Rocket Mavericks erzählt? Der Haufen Menschen, die sich regelmäßig in der Wüste Kaliforniens treffen, um selbstgebaute Raketen in die Luft zu schießen? Nein? Bald.
Steve Jurvetson