Erstellt am: 13. 8. 2013 - 10:33 Uhr
Walter Whites Unterhosen
Am Sonntag sind beim US-Sender AMC die letzten acht Breaking Bad Episoden angelaufen. Das lange Finale ist auch im deutschen Pay-TV zu sehen.
Die Schau "From Mr. Chips to Scarface: Walter White's Transformation in Breaking Bad" läuft noch bis Ende Oktober im Museum Of The Moving Image in NYC.
Da stehe ich also vor der mittlerweile wohl berühmtesten Unterhose der Fernsehgeschichte. Das Exemplar „Opas Liebestöter“ hängt gesichert in einer Glasvitrine des Museum Of The Moving Image im New Yorker Stadtteil Queens. Es handelt sich um Walter „Heisenberg“ Whites Untergatti. Das Ding ist riesengroß. Angst!
Christian Lehner
Barbara Miller, die Kuratorin der Breaking-Bad-Schau, beruhigt mit reflektierenden Worten: „Walt trägt die Unterhose im Piloten der Serie und zwar unmittelbar bevor er in der Wüste zum ersten Mal Crystal Meth kocht. Er hat seine Lehrerkluft abgelegt und sorgsam zusammengefaltet. Walt will sie nicht verdrecken. Die Unterhose wirkt auf den ersten Blick natürlich komisch. Die blütenweißen Shorts symbolisieren aber auch Walters Unschuld, die er mit der ersten Kochsession verliert. Er wirkt verletzlich, fast wie ein Kind“.
Blauer Zucker und grüne Gier
Christian Lehner
Wie alle Schaustücke ist auch die Unterhose original. Der ausstrahlende Sender AMC hat die Objekte zur Verfügung gestellt, erzählt Miller, schließlich benötige man sie nun nicht mehr. Auf der Suche nach „ganz bestimmten Stücken“ hat die Kuratorin in Los Angeles ein ganzes Requisitenlager durchwühlt. Die Schau soll den Charakterwandel der Hauptfigur anhand von Kostümen, Farben und Alltagsgegenständen illustrieren. Was erzählen uns diese Objekte über Walts Entwicklung in der Serie? Was steht für Gut, was für Böse? Fragen, die Serienschöpfer Vince Gilligan direkt ins Herz der Serie gepflanzt hat und die mit der von Bryan Cranston im wahrsten Sinn des Wortes verkörperten Figur des Walter White beklemmend uneindeutig beantwortet werden.
Christian Lehner
Die Schau ist in einer kleinen Nische im ersten Stock des Museum „versteckt“. Dennoch sind beinahe alle wichtigen Utensilien da. Der gelbe Schutzanzug, der Heisenberg-Police-Sketch, der rosa, zur Hälfte versengte Teddybär, der wortwörtlich aus dem Himmel fiel und eben auch Walters Klamotten. Wieviel Aufmerksamkeit die Macher allein auf die Farbgebung der Serie gelegt haben, zeigt eine Schautafel mit Farbpaletten, die den Hauptfiguren zugewiesen wurden. „Grün ist die alles dominierende Farbe der Serie. Sie steht für Walters Gier, aber auch für Hoffnung, Leben und einen Neubeginn“, sagt Barbara Miller. Wir stehen vor zwei Kostümen.
Christian Lehner
„Links sehen wir Walters typische Lehrerkluft. Alle Farben sind hell. Das Button Down Hemd, die Khaki Hose. Walter verschwindet fast im Hintergrund. Daneben das Heisenberg-Outfit mit dem mittlerweile berühmt-berüchtigten Pork Pie Hat. Walt trägt Schwarz, was ihn verwegen erscheinen lässt. Und dann ist da wieder Grün, die Farbe seines Shirts.“ Auffällig: bis auf die unterschiedlichen Töne gleichen sich Schnitt und Stil der beiden Kostüme. Das eine erscheint als Negativ des anderen. Wir schlussfolgern küchenpsychologisch, dass Walt wohl schon immer den Heisenberg in sich getragen haben muss, dass er seit jeher Teil seiner Persönlichkeit war, dass wir alle unsere Heisenbergs mit uns rumschleppen und dass dieser Wesenskern symbolisch durch die Ähnlichkeit der Kostüme zum Ausdruck kommt.
Miller erzählt, dass sie Vince Gilligan bei der Eröffnung der Schau mit genau dieser These überraschen konnte. „Das hat ihm gut gefallen. Er hat uns aber erzählt, dass die Stilverwandtschaft von Walt dem Lehrer mit Walt als Heisenberg pragmatische Gründe hat. Ein radikalerer Stilbruch hätte die Figur unglaubwürdig erscheinen lassen“.
TV-Serien als Ausstellungsstrend?
Nach „Game Of Thrones“ ist „Breaking Bad“ nun bereits die zweite TV-Show, die es in diesem Jahr in ein New Yorker Museum geschafft hat. Beide Ausstellungen wurden pünktlich zum Start einer neuen Staffel lanciert und von den Fans erwartungsgemäß gestürmt. Miller erzählt von Menschenschlangen, die sich beim Eröffnungstag vor dem Museum gebildet hätten und schwärmt von einem „neuen goldenen Zeitalter des Fernsehns“: „Nicht nur die Serien sind besser geworden, sondern auch die Art, wie darüber geschrieben und nachgedacht wird. Fernsehen liefert wieder gesellschaftlichen Gesprächsstoff. Wir alle hoffen, mehr über uns selbst zu erfahren“. „Hallelujah!“, frohlocke ich also, als ich vor der mittlerweile wohl berühmtesten Unterhose der Fernsehgeschichte stehe.