Erstellt am: 12. 8. 2013 - 22:05 Uhr
Lady Gagas Artpop
Wenn Lady Gaga einen offiziellen Pop-Notfall ausruft, heißt es Notiz zu nehmen. Lady Gaga, der vielleicht letzte aktuelle Popstar, der seinen Beruf noch ernst nimmt, hat "Applause" ins Netz gestellt. Ein bisschen gar plötzlich, ursprünglich war als Veröffentlichungstermin erst der kommende Montag in zig Tweets und Statusmeldungen aus dem Gaga-Headquarter versprochen worden. Die weltweite Little Monsters-Community der Fans hat schon die Tage und Stunden bis Montag gezählt und jetzt kommt das gute Stück ganz einfach so, noch ohne Video und man darf annehmen, dass schon, während ich diesen Text hier tippe, Remixe, Coverversionen, Lyric-Videos etc. gebastelt werden. Es gilt schließlich auch, die Aufmerksamkeit von der praktisch zeitgleich erscheinenden Katy Perry Single "Roar" abzuziehen. Herrlich sinnlose Pop-Kriege, ganz wie in den alten Zeiten, als sich noch Blur und Oasis um die Nummer Eins der Charts gestritten haben.
Mittlerweile ist das Lied auch auf Youtube zu finden
"Applause" kann man sich gleich hier inklusive amerikanischen Radiojingles anhören. Erster Eindruck: es sollte sich ausgehen mit dem Hit. Ihren Ruf als regierende Königin der Pop-Aufmerksamkeit hat sie vorerst locker verteidigt. Der Popstar als globale Projektionsfläche, der auch was zu sagen hat, ist heutzutage ein rares Gut. Dass Gaga sowohl in Discos wie in Genderseminaren, Kindergärten und Kunstgalerien gehört, betanzt und diskutiert wird ist eine der schönsten Widersprüche der krisengeschüttelten Popwelt unserer Tage. Die verblichenen Theorien, die Mainstream-Pop auch als Ort der Subversion deuten, sie leben in Lady Gaga noch einmal auf.
Lady Gaga @ladygaga 11 Aug
Pop culture was in Art
now ART's in POP culture,
in me!
I live for the Applause!
Nach einem kurzen cembalo-esken Intro beginnt der Song mit einer erstaunlich theatralischen Gesangs-Performance von Lady Gaga. Amanda Palmer, Nina Hagen, Siouxsie Sioux, ihr wisst schon, Pop mit Pantomime-Einschlag. Das passt wiederum - wer hätte das gedacht - hervorragend zum Covermotiv von "Applause".

Lady Gaga
Der erste Pre-Chorus kommt, mit Filter und allem drum und dran, und erinnert ein ganz klein wenig an Madonnas spätes Oevre, Marke "Girls Gone Wild", aber die Irritation währt nur kurz, denn der klassische Lady Gaga Autodrom-Refrain knallt wie eh und je, diesmal allerdings ganz ohne RahRahs und OhEhOhs dafür mit - wer hätte das gedacht - recht synthetisch klingendem Applaus. Textlich hält "Applause" ein kurzes Plädoyer für das Lesen und auch für Jeff Koons, dessen Name gleich mehrmals im Song fällt. Mit diesem Song beschreitet Gaga zwar kein musikalisches Neuland, aber davon war auch nie die Rede. Es ist ja auch nur der erste Vorbote auf etwas, das sich verdächtig nach KONZEPT anhört.
Lady Gaga @ladygaga
I CAN'T BELIEVE THEY BLEEPING OUT KOONS THEY THINK IM SAYING THE C WORD
ARTPOP wird das neue Gaga Album heißen, das im November erscheinen soll. Im Sinne Björks wird es nicht nur eine Platte werden sondern auch eine, ähm... "App". Abgesehen von den technischen Details ist eine Kollaboration mit Oligarchen-Kunst-Kitsch-Genie Jeff Koons angekündigt. Auch die via "The Artist is Present" zu breiter Berühmtheit gelangte Performance-Ikone Marina Abramovic hat sich am ARTPOP Album auf noch unbekannten Weise beteiligt. Ein recht bizarres Video von Lady Gaga, in dem sie für Abramovics neues Performance-Center Werbung macht, hat in den letzten Wochen die Netzrunden gedreht (allerdings wurde Gaga knapp von Jay Z in Sachen Marina und Kunstwelt-Vereinnahmung überrundet, mit dem noch bizarreren Video zum Song "Picasso Baby").
Das Video zu "Applause" hat das holländische Fotografenduo Inez van Lamsweerde und Vinoodh Matadin gedreht. Die beiden sind Grenzgänger zwischen Mode und Kunst und vor allem für ihre digitalen Körpermutationen bekannt. Passt gut zu Gaga und es nimmt nicht Wunder, dass Lady Gaga auf einem der neuen Pressebilder einen Prothesen-Arm in den Händen hält. Der sogenannte "Theatermagier" Robert Wilson, ein älterer Herr des durchdesigneten Zeitlupen-Avantgarde-Theaters der 80er Jahre wird sich auch vor den ARTPOP Karren spannen lassen. Die Liste der Kollaborateure liest sich jedenfalls deutlich anders als die übliche Feature-Liste aktueller Popstars von Pitbull bis Taio Cruz. Wenn Popart-Opa Warhol den Pop in die Kunst gebracht hat, will Gaga jetzt offenbar die Kunst in den Pop überführen. Das klingt zumindest am Papier und in aktuellen Interviews fast so unverschämt catchy wie der Refrain von "Applause".