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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

9. 8. 2013 - 15:53

Fußball-Journal '13. Eintrag 33.

Boarding für Europa. Alles wird gut; oder gar besser, Teil 4. Nur die Mainstream-Medien halten niveautechnisch nicht mit und befördern dümmlichen Populismus.

Das ist das Journal '13, meine heuer (wegen Jungvater-Pflichten) im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 nicht sehr regelmäßige oder gar tägliche Web-Äußerung in ungeraden Jahren.

Heute wieder mit einem Eintrag ins Fußball-Journal 13 - heute mit einem europäischen Rückblick auf die Qualifikation und einem Ausblick aufs Play-Off.

Siehe dazu auch:

Fußball-Journal '13. Eintrag 23 vom 10. Juni: Alles wird gut. Eine unerhörte Vorschau auf 2013/14.

Fußball-Journal '13. Eintrag 24 vom 11. Juni: Alles wird gut, part 2.

Alles wird gut, part 3: Österreichs Turnaround.

Fußball-Journal '13. Eintrag 28a vom 17. Juli: Alles wird besser - Preview auf eine womöglich denkwürdige Saison.

Die Vorzeichen waren günstig; und es war schon im Juni durchaus sichtbar: der Aufschwungs von ÖFB-Team, die günstige Europacup-Arithmetik, die Ausnahmestellung der beiden Spitzenteams, all das deutete auf ein international anschauliches europäisches Fortkommen hin.

Selbst wenn man sich mit Maß und Ziel (also der heimischen Öffentlichkeit, vor allem den Medien, nicht bekannten Eigenschaften) an eine Zukunfts-Projektion wagte: für die Austria und Salzburg schien die Qualifikation für den europäischen Herbst & Winter so gut wie fix, für die anderen Teilnehmer möglich. Rapid hatte, Stand Juni, noch mit einem übermächtigen Gegner zu rechnen - auch da schieden so viele besser gesetzte Teams aus, dass es sich ohne große Hürde ausgeht.

Die Austria bekommt mit Dinamo Zagreb einen Gegner, den man besiegen muss, um championsleaguewürdig zu sein - andernfalls hat ein Antreten dort echt keinen Sinn. Das wird schwer bis ganz schwer, ist aber im Bereich des Möglichen.

Jetzt gilt: wer das nicht schafft, hat es eh nicht verdient

Salzburg und Rapid finden in der Quali für die Europa-League Kontrahenten aus Georgien und Litauen vor. Diese No-Names haben zwar bereits Lech Poznan, Hajduk Split und Aalborg entsorgt, aber auch hier gilt: wer einen solchen Gegner nicht rauswirft, hat sich's nicht verdient.

Cupsieger Pasching kann gegen GD Estoril-Praia, den portugiesischen Meisterschafts-Fünften, nur überraschen. Estoril hat mit dem beschaulichen Zweitliga-Team, das ich im April 2010 gesehen habe, nichts mehr gemein. Nur noch der brasilianische Tormann Vagner (damas Ersatz) und der eingewechselte Joao Coimbra sind noch dabei. Mittlerweile ist draus ein anständiges Mittelklasse-Team mit der landesüblichen Mischung (Portugiesen, Brasilianer und Spieler aus vormaligen afrikanischen Kolonien) geworden.

Nur das europäisch-peinliche Sturm Graz hat aktuell andere Sorgen

Und jetzt zur Mär der tollen Leistungen dieser Woche...

Die anständige Ausgangs-Position soll aber nicht von den eher unterdurchschnittlichen Leistungen dieser Woche ablenken. Denn nicht nur das von Austria Wien recht arg erzitterte Remis in Island war ein wenig beschämend (auch, weil Bjelica nicht Stöger/Schmid ist und sich coachingtechnisch fast gar nix traut), auch Rapid hatte gegen die Griechen aus Tripoli nur etwa 20 wirklich brauchbare Minuten und wackelte kräftig (was angesichts des letzten Rapid-Halbjahres auch nachvollziehbar ist).

Vor allem aber gilt das für die von den Medien in den Himmel gehievte Performance gegen Fenerbahce: bis auf den Blitzstart und die Phase nach dem 3:1, als der türkische Vizemeister den österreichischen wieder ein bisserl mitspielen ließ, war der Klassenunterschied in aller Deutlichkeit zu erkennen.

Ebenso wie schon im Hinspiel, als sich Fener, noch völlig uneingespielt, grade einmal aus der Vorbereitung taumelnd, erst nach dem Gegentor bequemte, das vorhandene Potential auch abzurufen, und die zuvor auf Augenhöhe agierenden Salzburger nach Belieben dominierte. Wie auch das gesamte Rückspiel über.

Etwas, was ein Experte wie Marcel Koller auch glasklar erkennt - was aber in der Öffentlichkeit nicht ankommt. Dort bleibt die Messege über, die ein von Hurra-Patriotismus verblödeter Boulevard und ein rein ergebnisorientierter und analysyeunfähiger Medien-Mainstream rauströten: Salzburg als eigentlich besseres Team unglücklich ausgeschieden.

Wie Mainstream-Media ein übles Narrativ fortschreiben

Ein solcher Schwachsinn schlägt in eine sehr beliebte Kerbe, reizt ein seit 100 Jahren stark besetztes Narrativ aus: den armen, oft auch dolchstoßmäßig untergebutterten Österreicher, der an der Verschwörung der Größeren scheitert; obwohl er eigentlich so ursuper ist.

Eine solche irrsinnige Verdrehung der Tatsachen befördert auch das Gefühl der Minderwertigkeit, auf dem die immer mehr werdenden Populisten dieses Landes ihre Strategie aufbauen: Bunkerstimmung gegen die Anderen, das Fremde, das sich ja selbst im Fußball erfrecht, gegen "uns" zu gewinnen.

Nochamal, zum Mitschreiben: Fenerbahçe SK Istanbul war dem FC Red Bull Salzburg in beiden Spielen klar überlegen, agierte auf einem ganz anderen Level, in einer anderen Liga. Das hat nicht nur mit Budgets, Marktwerten und der selbstverständlich deutlich höheren individuellen Klasse zu tun, sondern auch mit gewachsenen Strukturen, die eine Spiel-Philosophie auf einem ganz anderen Niveau nach sich ziehen.

Dass Salzburg im Hinspiel mithalten konnte, war einzig der Tatsache, dass Fener zu diesem Zeitpunkt noch nicht richtig im Betrieb waren, geschuldet. Allerdings konnte die Klasse-Mannschaft in jeder Situation einen entscheidenden Zahn zulegen. Es war ein bisserl wie die Katze, die mit der Maus herumspielt, ehe sie zubeißt.
Von echter Augenhöhe konnte nie die Rede sein.

Augenhöhe-Übertreibungen, um sich abschotten zu können

Das ist das Bild, das Mainstream-Media vermitteln wollen, wohl auch vermitteln muss. Fast die gesamte Sport-Berichterstattung des Landes, egal in welchem Medium, ist an einem Fortkommen der Spitzenklubs und an der Überhöhung der Leistungen interessiert, weil es Quote/Auflage macht. Man ist immer Mitspieler und nie objektiver Beobachter.

Weil die Öffentlichkeit (auch wegen des politisch und gesellschaftlich von allen Seiten tönenden Abschottungs-populismus) ähnlich gestrickt ist, und die Übertreibungen und den Quatsch mehr liked als die reelle Analyse, fällt der nach den Fener-Spiel verbreitete Schwachsinn auf fruchtbaren Boden. Und wird zum Common Sense, zur Wahrheit.

Dass RB Salzburg mit seiner aktuellen Struktur und seinem aktuellen Personal gar nicht gegen einen Verein wie Fener, immerhin Euro-Liga-Halbfinalist des Vorjahres, anstinken kann, wird ausgeblendet und zugunsten einer absurden Großmanns-Sucht verdrängt.

Dabei ist die womöglich wirklich unerhörte Saison 13/14 auch ohne den ganzen Irrealismus ein möglicher Türöffner in ein neues Selbstbewusstsein, dass aus gut angegangenen Euro-League-Spielen von Austria, Salzburg und Rapid erwachsen könnte.
Die Champions-League-Reife fehlt vor allem im Umfeld und bei den Medien - vielleicht ist es besser, es dauert noch ein Jahr.