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Alexandra Augustin

West Coast, wahnwitzige Künste und berauschende Erlebnisse. Steht mit der FM4 Morningshow auf.

8. 9. 2013 - 18:30

Tempest Storm: Die Königin der Burlesque

Tempest Storm hatte Affairen mit Elvis und John F. Kennedy und war einst die bestbezahlte Tänzerin Amerikas. Mit 85 Jahren steht sie immer noch auf der Bühne. Ein Interview und die Geschichte einer Ikone.

Ich knie am Boden auf einem weißen Haufen Tüll. Vor mir sitzt auf einer weißen (geschlossenen) Kloschüssel Tempest Storm. Wir befinden uns in einem klitzekleinen Backstageraum hinter der Bar im Star Theatre in Portland. Die Haare von Tempest Storm sind tiefrot gefärbt und um den schlanken Schwanenhals trägt sie schwere Juwelen. Man munkelt, dass sie echt sind und einst ein Geschenk von John F. Kennedy waren.

"The Great Return Of Tempest Storm" – unter diesem Titel ist hier im Star Theatre in Portland ein Burlesqueabend abgehalten worden. Tempest Storm war einst der Star hier, ihre Shows waren 1953 gut besucht, lange bevor sie sich in Kalifornien und Las Vegas einen Namen gemacht hat. Und Portland, das war damals wie heute auch, Amerikas Stripclub-Hochburg.

Tempest Storm

Xilia Faye

Eine Audienz bei der Königin

Man sieht es ihr nicht an, aber Tempest Storm ist 85 Jahre alt. Und ohne Tempest Storm gäbe es keine Madonna, keine Lady Gaga, keine Dita Von Teese. Wer den Comic "Roger Rabbit" kennt, weiß nun, wer als Vorbild für Jessica Rabbit gedient hat. Tempest Storm ist die "Queen of Burlesque" und hat diese Kunst gesellschaftsfähig gemacht. Mit sich einfach schnell auf der Bühne die Kleider vom Leib reißen hat ihre Kunst wenig zu tun. Das hier ist eine Lady. Eine Ikone. Und sie ist die letzte ihrer Art, die noch am Leben ist.

"I hope you have tough knees, my dear", meint sie fröhlich und kaum ist das Mikro an, erzählt Tempest Storm über ihr Leben, als wären all die Dinge erst gestern passiert.

Tempest Storm

Jo McCaughey

Tempest Storm, the Queen of Burlesque

The Tempest in a D-Cup

Die Stars der Burlesquekunst kennt man: Da wären Bettie Page und Gypsy Rose, dann auch die leider vor Kurzem verstorbene Dixie Evans. Auch wenn im Nachhinein in der Rezeption Stars wie Bettie Page größer und bedeutsamer erscheinen mögen: Zur ihrer Zeit in den 1950ern und 1960ern war Tempest Storm die bedeutendste Burlesquetänzerin Amerikas. Es war ihre wohlgeformte Oberweite, weswegen sie das Publikum magisch angezogen hat. Aber nicht nur: Ihr Lifestyle, ihr ganz eigener Tanzstil: Wenn Tempest Storm performt hat, dann hatte das eine wunderbare Eleganz. Einen Handschuh ausziehen - das konnte einige Minuten dauern und wurde zelebriert.

Tempest Storm

Tempest Storm

Und nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Film war Tempest Storm präsent: 1950 hatte sie in "French Peep Show" von Russ Mayer eine Rolle, 1955 hat sie gemeinsam mit Bettie Page in "Teaserama" von Irving Klaw performt, ein Underground- und einer der Schlüsselfilme der modernen Burlesquekunst. Bettie Page hat sich übrigens 1957, kurz nachdem dieser Film gedreht worden ist, ins Privatleben zurück gezogen, um sich der Religionsarbeit zu widmen. Tempest Storms Karriere hingegen erreichte damals ihren absoluten Höhepunkt:

1956 unterschrieb sie einen 10-Jahres-Vertrag mit Bryan-Engels, der damals berühmten Burlesque-Theaterkette von Frank Bryan und Frank Engels, der ihr pro Jahr 100.000 Dollar eingebracht hat und sie zur bestbezahlten Burlesquetänzerin Amerikas gemacht hat. Höchstwahrscheinlich auch zu einer der bestverdienenden Frauen Amerikas überhaupt. Nicht zu vergessen: Das war in einer Zeit, in der Frauen das Heimchen am Herd sein sollten und sie ohne Zustimmung und Unterschrift ihres Ehemannes nicht einmal einen Nebenjob in Supermarkt annehmen durften. Nicht schlecht für ein Landei aus Georgia.

Von der Bauwollpflückerin zur Stripteasekönigin

Geboren wurde Tempest Storm am 29. Februar 1928 unter dem Namen Annie Blanche Banks in Eastman, Georgia, einer Kleinstadt im Südosten Amerikas. Hineingeboren in die Zeit der großen Depression war ihre Kindheit von Armut und Arbeit geprägt. Baumwolle pflücken, Baumwolle aufbereiten.

"Ich wusste schon früh, dass ich da raus wollte aus dieser armen Umgebung. Das Leben musste doch noch mehr zu bieten haben, als das. Ich wollte etwas aus mir machen. Ich war oft im Kino und wollte unbedingt nach Hollywood", erzählt sie mir im Interview.

Die Flucht in die Scheinwelt auf der Leinwand bot Abwechslung vom brutalen Leben in Georgia. Ihren richtigen Vater hat sie nie kennengelernt, vom Stiefvater wurde sie schwer misshandelt und als 14-Jährige wird sie schließlich von einer Gruppe von fünf jungen Männern vergewaltigt. Anne B. Banks entschließt sich zur Flucht nach vorne und heiratet, um ihrem schlimmen Elternhaus zu entkommen, einen Mann, den sie kaum kennt. Die Ehe wird nach 24 Stunden annulliert. Doch zurück nach Hause kann sie nicht mehr und so heiratet sie kurz darauf, nach nur einer Woche, Ehemann Nummer 2, einen Verkäufer, dem sie nach Kalifornien folgt. Aber auch diese Ehe sollte um keinen Deut besser sein.

Als ihr Ehemann Nummer 2 nach nur sechs Monaten Ehe mitten in der Nacht in einer Eifersuchtsattacke mit einer Schrotflinte den Tod androht, beschließt sie zu fliehen. "Ich bin gelaufen, so schnell ich konnte und habe nur mehr das Klicken der Schrotflinte gehört", hat sie Autorin Leslie Zemeckis im Interview für das im August erschienene Buch "Behind the Burly Q – The Story of Burlesque in America" erzählt. Ihren Ehemann sieht sie nie wieder und mit 16 Jahren ist Annie B. Banks zwei Mal geschieden, mittellos und landet schließlich wenig später mitten in Hollywood, wo sie als Kellnerin in einem Drive-in-Restaurant anheuert. So ist sie ihrem großen Traum, ein Star zu werden, zumindest geografisch näher.

Tempest Storm

Jo McCaughey

Eines Tages meint ein männlicher Gast an der Bar, sie soll sich doch einmal im Follies Theatre vorstellen, ein damals bekannter Stripclub in der Stadt. Mehr oder weniger begeistert davon bewirbt sich Annie B. Banks und beginnt schließlich als Tänzerin im Hintergrund, um bald darauf von der Tanzlehrerin des Clubs, Lillian Hunt, dazu überredet zu werden, auf der Bühne zu strippen. Diese verpasst ihr auch gleich den neuen Namen. „Sunny Day“? Nein Danke. „Tempest Storm“? Das passt auf die Tänzerin mit den roten Haaren wie die Faust auf Auge.

Tempest Storm Plakat

Russ Meyer

Auch ihre darauf folgende Karriere gleicht einem Wirbelsturm: 1956 wird ihr der Mickey-Award verliehen, ein Oscar-ähnlicher Award für Burlesquetänzerinnen. Überreicht wird er von den Superstars Dean Martin und Komiker Jerry Lewis. Von da an ist Tempest Storm Teil der High Society Hollywoods, fährt einen roten Cadillac und wird von den größten Superstars verehrt und hoffiert. Zu ihren Geliebten zählten John F. Kennedy und Elvis Presley. Doch billige One-Night-Stands sind nicht ihr Ding.

Selbst Männern wie diesen hat sie – wie allen anderen Männern auch – verboten, einfach so durch die Hotellobby zu ihrem Zimmer zu spazieren, um ihrem Ruf nicht zu schaden. Und so musste der junge Elvis über den Hotelzaun klettern, um zu ihrem Zimmer zu gelangen. Beim Drüberklettern blieb Elvis hängen und "fuchtelte wie wild mit den Händen und Füßen herum", hat sie in einem anderen Interview erzählt.

"Elvis war 21 Jahre alt und ich 29! So muss es sein! Junge Männer sind einfach besser, mit denen hat man mehr Spaß!", erzählt sie mir lachend.

Und was war mit JFK?

"Es ging nicht nur um Sex. Elvis und John F. Kennedy waren wunderbare Menschen. Ich erinnere mich daran, als mich ein Journalist kurz nach dem Tod von John F. Kennedy gefragt hat, wie denn unsere Beziehung war und worüber wir so gesprochen haben. Mir war das zutiefst unangenehm und ich wollte der Frage ausweichen, aber er ließ nicht locker. Also entgegnete ich ihm frech: 'Honey, Sie wollen wissen, worüber wir im Bett miteinander gesprochen haben? Ganz sicher nicht über Politik!' Da wurde er dann endlich still (lacht)! Ich habe mit dem Präsidenten geschlafen. Aber ich habe niemals ein Wort darüber verloren und alle intimen Details für mich behalten. Eine Lady genießt und schweigt."

Elvis und Tempest Storm

Elvis und Tempest Storm

Elvis und Tempest Storm

Übrigens: Jack White hat vergangenes Jahr ein Interview mit Tempest Storm geführt und auf 7'' veröffentlicht.

Demnächst erscheint auch ein Dokumentarfilm über das Leben von Tempest Storm. Via Kickstarter kann man das Projekt ab 9. September 2013 unterstützen.

www.tempeststormfilm.com

Der Niedergang der Burlesquekunst

Lange Zeit lebt Tempest Storm in Saus und Braus, sie hat unzählige Geliebte und heiratet insgesamt vier Mal. Einer ihrer vier Ehemänner ist Herb Jeffries, ein Jazzmusiker und Schauspieler, der mit einer Serie musikalischer Western als erster - und bisher einziger - afroamerikanischer singender Cowboy in die Geschichte eingeht. Die beiden heiraten 1959, zu einer Zeit als "gemischte Ehen" noch als Tabu gelten.

Und nicht nur ihr Lebensstil sorgt für Furore: Ihre Brüste - die sie liebevoll "Moneymakers" nennt und um deren Größe immer wieder spekuliert worden ist - lässt sich Tempest Storm sicherheitshalber für eine Million Dollar versichern, was in den prüden 1950ern für viel Aufsehen gesorgt hat.

Anfang der 1960er Jahre gingen in vielen Stripclubs Amerikas die Lichter allerdings für immer aus: Im Zuge der sexuellen Revolution und Emanzipationswelle bleiben die Besucher fern, viele Clubs müssen schließen. Tempest Storm schafft es als eine der wenigen, weiterhin gutbezahlte Jobs zu ergattern. Dieses Glück hatten andere, wie etwa Bettie Page, nicht. Sie lebte in ihren späten Lebensjahren zurückgezogen von Sozialhilfe und von Nervenzusammenbrüchen gemartert. Auch ihre späte Wiederentdeckung im Zuge der Pin-Up-Girls-Retrowelle in den 1980er und 1990er Jahren brachte ihr weder persönlichen Erfolg noch Geld ein: Sie starb 2008 im Alter von 85 Jahren verarmt in Los Angeles.

Tempest Storm hingegen hat nie aufgehört zu tanzen. Erst 1995, im Alter von 67 Jahren, hat sie sich offiziell zur Ruhe gesetzt. Nebenbei ist sie aber gelegentlich, bei besonderen Events, trotzdem aufgetreten. Seit sich die Grande Dame allerdings vor drei Jahren mitten auf der Bühne in Las Vegas die Hüfte gebrochen hat, ist es ruhiger um sie geworden.

An den Glanz der alten Tage erinnert heute nur mehr das prunkvolle Collier um ihren Hals. Tempest Storm ist alt und krank. Auf die Bühne gehen kann sie seit einem Gleichgewichtsschaden im Ohr kaum noch allein und so muss sie im Star Theatre von zwei Assistentinnen gestützt werden. Strippen und Tanzen, das überlässt sie heute lieber den Jungen.

Auch von den verdienten Millionen ist heute nicht mehr viel übrig: Für ein Autogramm nach der Show muss man 15 Dollar bezahlen, für ein Foto mit ihr 20 Dollar. Tempest Storm scheint das Geld zu brauchen. Jeder ihrer vier Ex-Ehemänner hat es nämlich geschafft, dass sie nach der Scheidung beinahe Bankrott gegangen wäre und so lebt Tempest Storm heute zurückgezogen in einem kleinen Appartement in einem eher schlechten Stadtteil von Las Vegas.

Tempest Storm und Dita Von Teese

tempest storm film/ filmcrew

Tempest & Dita Von Teese, beim Dreh zur aktuellen Doku über Tempest Storm

Und trotzdem: Hier sitzt eine Königin, die sich nicht unterkriegen lässt. Und sie hat alle anderen überlebt. Tempest Storm ist eine Frau, die sich nicht ihrem Schicksal ergeben hat, sondern die sich trotz widriger Umstände aus eigener Kraft nach oben gekämpft hat. Das hat natürlich auch einen ganz großen emanzipatorischen Moment. Im Interview bemerkt sie auf die Frage, wie sie es geschafft hat alle anderen zu überleben, lachend:

"I am gonna be here forever! The man upstairs doesn't want me and the devil gave up a long time ago. So I don't have any place to go. I am stuck on earth!"

Jungen Frauen auf dem Weg nach oben kann sie einiges an Ratschlägen mit auf den Weg mitgeben: Nicht trinken! Nicht rauchen! Nicht mit jedem Typen mit heimgehen! Denn Tempest Storm findet es traurig mitansehen zu müssen, wie Talente wie Lindsay Lohan sich selbst kaputt machen. Und wer noch mehr gute Ratschläge fürs Leben braucht: Hier ein Ausschnitt aus dem Gespräch mit Tempest Storm.

Wie schafft man es ein Star zu werden?

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