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Christian Stiegler

Doktor für grenzwertiges Wissen, Freak-Shows und Musik, die farblich zu Herbstlaub passt.

12. 8. 2013 - 13:14

Interessiert mich sowas von Nüsse

Einfach drauf pfeifen: Mit der "Fuck it"-Philosophie von John C. Parkin soll einem der innere Frieden sicher sein.

"[...] auf etwas scheißen (keineswegs geneigt sein, jemandes Wunsch zu erfüllen, seiner Aufforderung nachzukommen)"
(Duden: Wendungen, Redensarten, Sprichwörter)

Alles beginnt mit der Gefängnis-Metapher. Verbildlichen lässt sich diese laut Ober-Guru John C. Parkin mit den berühmten Szenen aus der Stephen King-Verfilmung "The Shawshank Redemption" ("Die Verurteilten"), in der alle Protagonisten (zumindest nach eigenen Aussagen) unschuldig hinter Gittern festsitzen. Kommt jemand nach vielen Jahren frei, ist er dermaßen von der Veränderung geschockt, dass er sich sehnlichst wieder zurück in die Isolation wünscht. Ein Leben in Freiheit ist unvorstellbar.

Ähnlich ergehe es laut Parkin uns allen, sind wir doch alle Hamster im eigenen Käfig. Ständig auf der Suche nach "ES": dem idealen Partner, der vollkommenen Traumwohnung, dem bestbezahlten Job inklusive Selbstverwirklichung, dem günstigsten Handytarif, dem perfekten Haarschnitt, dem gesündesten Essen, dem ruhigsten Platz am Strand, und die Liste ist unendlich.

Sein Vorschlag, um dem zu entkommen: Fuck it, scheiß drauf, hau den Hut drauf, interessiert mich Nüsse, wahlweise Bohne.

Funny photo Shawshank Redemption

IMDB

Lustiges Bild aus dem Film. Inkl. Rechtschreibfehler. Mehr hab ich nicht. Fuck it.

Das Gegenteil von Besessenheit

"Fuck it"-Buchcover

Ariston

John C. Parkin: "Die Fuck it-Lösung. Der praktische Weg zur inneren Freiheit" ist 2013 in deutscher Übersetzung von G. Maximilian Knauer bei Ariston erschienen.

Es geht zu schnell? Einfach "Fuck it" sagen und vom Gas gehen. Es geht zu langsam? "Fuck it" sagen und das Leben bei den Eiern packen.

Parkin versucht sich Stück für Stück durch seine Gefängnismetapher zu ackern. Er unterteilt sie realitätsnah in verschiedene Blöcke, hinter denen sich unterschiedliche Charakterbeschreibungen verstecken. Hinter Block B verbergen sich all jene, die Angst haben, sich zu wehren. Hinter Block C jene, die mit zuviel Ernst an Sachen herangehen. Hinter Block D die Selbstzweifel, hinter F der Drang nach zuviel Perfektionismus und so weiter. Und dann kommen all die Optionen, die einem helfen sollen je nach Typ die Mauern zu durchbrechen.

Unabhängig davon, welche der unterschiedlichen Übungen, von Mind- bis Entspannungstraining, man durchführt, sie führen immer zur simplen Einsicht, dass man an sich glauben soll und nur jene Dinge angeht, die einem Spaß machen. Kein Druck, kein Stress, kein Zwang. Das Leben ist einfach, wir müssen es nur Tag für Tag hinnehmen. Dafür nutzt Parkin immer wieder die direkte Ansprache an den Leser, der Ober-Guru wird zum Ober-Coach, inkl. einer kurzen Einführung in fernöstliche Philosophie und buddhistische Ansätze. Ohne diese explizit zu nennen.

Seinfeld-Mehr Gelassenheit!

NBC

"Mehr Gelassenheit" beschwörte schon George's Vater (aus "Seinfeld")

Ist es echt so schlecht, wie es klingt?

Schon wieder so eine Lebenshilfe in Buchform. Die "Nimm-dein-Leben-und-dich-nicht-so-ernst-sonst-bringt-es-dich-um"-Attitüde verpackt in eine Gefängnis-Metapher, aus der man nach rund 350 Seiten ausbrechen soll. Am Ende soll man im besten Fall wie Andy Dufresne durch den langen Kanal voller Fäkalien krabbeln und sich rein waschen. Ein Autor, der nervig auf Kumpel macht. Riecht gewaltig nach Sommerloch und ganz großer Cash-Cow. Dass John C. Parkin mit seiner "Fuck it-Philosophie" enormen Umsatz mit mehreren Büchern, Vorträgen und Seminaren macht, sei ihm nicht vorzuwerfen. Inhaltlicher Natur ist das Buch nämlich ein entspanntes Lesevergnügen, das man aufs eigene Leben umlegen kann.

Shawshank Redemption Szenebild

Sony

Nehmen wir diese kleine Online-Rezension als Beispiel: Sie benötigt Titel, Teaser, ein paar gut gewählte Überschriften, sollte verständlich und informierend, trotzdem mit einem Augenzwinkern und etwas persönlicher Meinung sein. Das Ganze bis zu einem redaktionellen Abgabetermin, der wiederum von einem mir persönlich auferlegten Abgabetermin eingeholt wird, da ich Dinge nicht gerne auf den letzten Drücker erledige. Erfüllt sie all diese Kriterien? Nach John C. Parkin: Who cares, fuck it! Es machte Spaß sie zu schreiben und darum geht es. In diesem Sinne ist Parkins Buch ein witziges, selbstironisches, wenn auch teils pathetisch und allzu spirituell angehauchtes Wachrütteln - jedoch keine Lebenshilfe.

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Denn hier hakt Parkins Ansatz dann doch. Auf alles lässt sich im Leben doch nicht pfeifen, vor allem dann, wenn es um Begriffe wie Engagement, Professionalität und Rücksichtnahme geht. Ob wirklich jeder Mensch tun und lassen kann, was er will, sollte man infrage stellen und innere Freiheit ist in diesem Ansatz - wenn man ihn konsequent zu Ende denkt - schlichtweg selbstsüchtig und egoistisch.

Denn sollten oben gelistete Punkte nicht den Anforderungen einer Online-Rezension entsprechen, dann war es vielleicht meine letzte. Und ob sich "Fuck it" dann noch so leicht sagen lässt, ist zu bezweifeln.