Erstellt am: 6. 8. 2013 - 17:15 Uhr
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So wie einem alten chinesischen Sprichwort zufolge eine gute Geschichte einen guten Anfang, eine guten Schluss und einen guten Mittelteil haben soll, hat die Chefin des heiligen Internets beschlossen, dass ein gutes Mixtape sorgfältiger Überlegung bedarf und nicht aus einer reinen Stichwortsuche bestehen soll. Aber weil das Fluchen in Radio und Netz für Frühgeborene wie mich, der noch nicht in diesem Ausmaß mit HipHop großgeworden ist, so eine diebische Freude ist, mach ich es trotzdem. Die Stichwortsuche nämlich, auf der Suche nach unaussprechlichen Bandnamen.
Denn in der Frage der Four-letter words gibt es eine Liste, die vom US Komiker George Carlin 1972 in seinem Sketch "Seven Words You Can Never Say on Television" definiert wurde. Er nennt sie die "Happy seven".
Diese Wörter sind: shit, piss, fuck, cunt, cocksucker, motherfucker, and tits. Diese in die iTunes Bibliothek eingegeben, ergeben ca. 90 Prozent Lieder und etwa 10 Prozent Bandnamen. Doch ein Mixtape mit 200.000 "Fuck" Songs wäre doch zu langweilig. Deshalb hier eine Liste mit Bandnamen, die ein anständiger Radiomoderator nur unter Protest ansagt. Zuerst zwei Themenverfehlungen (es soll hier um Bandnamen, nicht um Songs gehen, ihr habt es schon bemerkt):
Blink 182 - Family Reunion
Die harmlosen Spaß-Punks haben es vorgemacht. Der Bandname wird hier nicht das Problem sein, aber "Family Reunion" von Blink 182 gibt einen schönen Überblick über die vierbuchstabigen Wörter, nach deren Gebrauch man sich den Mund mit Seife auswaschen muss. Zu den "Happy Seven" kommen noch Turd und Twat dazu - fertig. Ein Lexikoneintrag als Punkkinderlied verkleidet.
Rolling Stones - Cocksucker Blues
Nach einem Streit mit der Plattenfirma Decca nahmen die Stones 1970 diese Nummer auf - sie mussten laut Vertrag noch eine Single produzieren. Offiziell hieß die Single "Schoolboy Blues" und die Plattenfirma weigerte sich, sie zu pressen, weshalb sie bis heute nur als Promotion Single existiert und somit eines der wertvollsten Vinyl-Sammlerstücke aller Zeiten geworden ist.
GG Allin - Ass Fuckin', Butt Suckin' Cunt lickin', Masturbation
Diese Gelegenheit darf nicht vorüberziehen, ohne sich auf den kranken Großmeister der Four-Letter-Word-Lyrik zu beziehen. Allin operierte zwar unter seinem bürgerlichen Nachnamen (er soll Gerüchten zufolge mit Vornamen Jesus geheißen haben), seine Bands hießen aber Texas Nazis, Scumfucks und Murder Junkies. Über sein Oevre könnte man eine Diplomarbeit schreiben oder aber auch kein weiteres Wort verschwenden, es sei nur erinnert, dass dieses bizarre Fäkal-Gesamtkunstwerk von einem Musiker seine Piss und Ficklyrik stets mit süßlichen Kinderliedmelodien unterlegte (was bei US Punk ja fast Pflicht sein soll), die man sich schon gut anhören kann (wenn man den zweifelhaften Charakter dahinter auszublenden oder künstlerisch zu relativieren bereit ist). Auch die Allin-Doku "Hated" ist sehenswert.
Butthole Surfers - Hey
Die wohl bekannteste Four-Letter-Word-Band des 1980er-Underground. Gibby Haines, King Coffey und Paul Leary benannten sich nach einem homophoben Slang Ausdruck, ihr Bandname wurde tatsächlich im US College Radio manchmal B.H. Surfers oder nur "Surfers" ausgesprochen. Hört euch "Kuntz" an und wundert euch, wie es die Band - die im Übrigen behauptet, nie ein Konzert gegeben zu haben, wo nicht alle Musiker auf LSD waren - überhaupt ins Radio geschafft hat.
Selfish Cunt - I see a Rat
Selfish Cunt sind die grandiosen Retter des politischen UK-Hardcore, deren Namen die honorigen Kollegen von der BBC nur ungern ausgesprochen haben dürften. Nimmt man die linksradikalen Texte und Manifeste der Londoner ernst, dürfte der unaussprechbare Bandnamen wohl auch als politische Strategie gedeutet werden können. I see a Rat
Anal Cunt - You quit doing heroin, you pussy
Die Improvisations-Grindcore-Band um den verstorbenen Sänger Seth Putnam hatte einen Namen gesucht, der so "stumpf, beleidigend und blöd wie möglich" sein sollte - gelungen, wie ich finde, und nicht nur ich, auch Fäkalmeister GG Allin widmete der Band einen Song gleichen Namens. Die Band hatte selbst auf ihren Covers meist nur die Initialen A.C. verwendet, wenn auch in eindeutig auf den Bandnamen hindeutender Grafik. You quit doing heroin, you pussy
Fuck - Fuck Motel
Die liebliche Postrock-Folk-Band Fuck aus Kalifornien ist als erste draufgekommen, einfach einen der "Happy Seven" als Bandnamen zu wählen, was neben Unaussprechlichkeit auch zu Ungoogelbarkeit und somit zu totalem Vergessen geführt hat. Ihre Musik hat überhaupt nichts besonders unanständiges, eher im Gegenteil, und hier hat sich der Bandnamenwitz wirklich zu einem Bandnamenfluch ausgewachsen: Fuck Motel
Holy Fuck - Lovely Allen
Auch bei der Shoegazer/ Spielzeugelektronik Band Holy Fuck aus Kanada ist der Name eher irreführend, hat ihre Musik doch überhaupt keine abseitigen Tendenzen, sondern ist eher lovely, wie bei dieser Nummer. Vielleicht die beste der aktuellen Four-Letter-Bands. Oder sind das vielleicht doch die ...
Pissed Jeans - Boring Girls
Die Pissed Jeans, die großartigen Verwalter des frechen Seattle-Happy-Hardcore kommen aus dem Kaff Allentown und wollten sich offenbar ursprünglich "unbelohnter Ständer" nennen - da ist einem die angepisste Hose doch lieber. Boring Girls
Fucked up - Queen of Hearts
Diese GG Allin-Verehrer haben es in vorhistorischer Zeit schon mal zum Song zum Sonntag geschafft und haben ein unglückliches Namenshändchen (die Musiker heißen Senfgas und Konzentrationslager), aber - wie man hier sieht - ein umso besseres für niedliche Melodien und hübsche "verliebt in die Lehrerin"-Videos.
Das mittwöchige Gastspiel von Fucked Up im Wiener B72 ist übrigens der Anlass für diese kleine Liste, und ihre Shows - bei der sich Sänger Pink Eyes inmitten einer ausgeklügelten optischen C.I. Show gerne Allin-mäßig entäußert - sind für jeden, der so etwas nur annähernd zu schätzen weiß, ein unbedingter Pflichttermin.