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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

5. 8. 2013 - 15:47

Fußball-Journal '13. Eintrag 31.

Schlaues Werkeln im Schatten. Einige Performances der heimischen 1. Liga stehen denen der Bundesliga kaum nach.

Das ist das Journal '13, meine heuer (wegen Jungvater-Pflichten) im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 nicht sehr regelmäßige oder gar tägliche Web-Äußerung in ungeraden Jahren.

Heute wieder mit einem Eintrag ins Fußball-Journal 13 - und zwar einer Sammel-Analyse nach den ersten drei Runden der heimischen 1. Liga, der zweithöchsten Spielklasse.

Heute Montag startet übrigens die 4. Runde mit dem steirischen Derby Kapfenberg - Hartberg (live auf ORF-Sport Plus ab 18 Uhr). Die restlichen Spiele der Runde (etwa das Spitzenduell Liefering gegen Altach) ist morgen (ebenfalls ab 18 Uhr) in einer Konferenz auf Sky Austria zu sehen.

Während sich in der Bundesliga einige Coaches (und nicht nur die schwächerer Teams) mit zutiefst ausrechenbaren Strategien in ihre Matches begeben und sich unflexiblen Systemen unterwerfen und (auch aufgrund der Tatsache, dass sich die drei Spitzenteams saisonübergreifend gefunden und nicht mehr groß verändert haben) wenig taktisch Neues oder Interessantes zu sehen ist, tut sich in der 2. Leistungsklasse (der 1. Liga) vergleichsweise Erstaunliches: im Schatten des Medien-Interesses (auch dem der Blogger/Netzmedien-Szene) haben sich einige Coaches zu hochmodernen und auch durchaus riskanten Systemen/Strategien entschlossen.

Neben den bisher bereits amtsbekannten 1.Liga-Strategen wie Martin Scherb und Damir Canadi sind bislang vor allem Willi Schuldes (obwohl seine Horner erst einen Punkt eingefahren haben) und der Deutsche Peter Zeidler, der das Farmteam von RB Salzburg betreut, einen genaueren Blick wert.

Wie auch im Vorjahr: no risk, no fun für Damir Canadi

Damir Canadi führt beim SCR Altach den Weg fort, den er im Vorjahr mit dem wirtschaftlich unrettbaren FC Lustenau sprortlich höchst erfolgreich einschlagen konnte. Canadi setzt auf ein hochoffensives 4-3-3, mit Stoßstürmer Hannes Aigner, zwei echten Flügeln und einem wunderbar austarierten Mittelfeld (ein Sechser, ein Achter, ein Zehner) dahinter. Auch Canadis Abwehr denkt offensiv, und zwar nicht nur die Außenspieler, sondern etwa auch Innenverteidiger Benedikt Zech; der ist eigentlich ein Bob-to-Box-Mittelfeldler.

Kogler ist übrigens bei seinem Ost-Abenteuer bei Rot-Weiss Erfurt mit zwei Siegen in die 3.Liga-Saison gestartet. Er vertraut auf ein 4-4-2, das wiederum an das von Martin Scherb erinnert.

Um jetzt nicht großkotzig internationale Superstar-Vorbilder zu zitieren, ein heimischer Vergleich. Canadis System ist, finde ich, eine Weiterentwicklung des sehr ähnlichen Walter Kogler-Systems für Wacker Innsbruck (das von Roland Kirchler nie folgerichtig entwickelt wurde). Der furchtlose Wiener legt sein 4-3-3 riskanter als selbst die Austria Wien (in der Meisterschaft) an. Damit geht er hohes Risiko, bislang wird es belohnt.

Das B-Team von Red Bull Salzburg geht eigene Wege

Auch Peter Zeidler, ein weiterer Mann aus der Rangnick-Schule, vertraut beim FC Liefering, dem B-Team von Red Bull Salzburg, auf ein forsches 4-3-3, ebenso erfolgreich (drei Spiele, drei Siege) wie Canadi, wenn auch nicht ganz so gewagt. Das ist jetzt eine gefühlige Interpretation, vielleicht hat es damit zu tun, dass man nicht wie Altach selber gestaltet, sondern auf Tempo-Gegenstöße setzt, vielleicht auch mit der inexistenten Atmo im leeren Salzburger Stadion, das die Vorstöße verhaltener wirken lässt. Zeidler hat ein ungeheures Talente-Reservoir zur Verfügung, das er aber auch sehr klug einsetzt. Bemerkenswert: Es gibt keinen Zwang, das System der großen Bullen (die sich ja aktuell ja ganz wunderbar mit einem 4-1-3-2 eingespielt haben) zu übernehmen; Zeidler kann sein auf die Bedürfnisse seiner Nachwuchs-Stars zugeschnittenes Ding machen.

Der dritte 4-3-3-Verfechter im Bunde hat bislang noch nicht die gebührenden Erfolge einfahren können; ich denke aber es ist nur eine Frage der Zeit, denn der SV Horn hat dreimal gut gespielt, aber gegen Liefering und Altach (was Wunder) dann doch keinen Punkt gelandet. Das 4-3-3 von Wilhelm Schuldes ist vorsichtiger angelegt, mit drei Achtern im Zentrum und noch ein paar Besetzungs-Problemen (vor allem rechts hinten und auf beiden Flügeln). Der ehemalige Leiter der FAL (der Fußball-Akademie von Linz) verfügt auch nicht über den Kader der Mitbewerber, zeigt aber inszenatorische Fantasie und strategische Konsequenz.

Scherb würde Sturm problemlos nach Europa führen

Mich erinnert Schuldes, auch in seiner verbalen Schlagfertigkeit und dem darin aufblitzenden Witz, an seinen Liga-Kollegen Martin Scherb.
Den habe ich in der Vorsaison, als er sein Ziel (die Top 3) ausgegeben hatte, noch für ein wenig wahnsinnig gehalten, mein Urteil aber schnellstens revidieren müssen. St. Pölten hatte da ebenso problemlos in der Spitze mitgespielt, wie auch heuer wieder. Und das mit ebenso deutlich eingeschränkten Möglichkeiten, vielen jungen Spielern und solchen, die anderswo abgeschoben wurden.
Scherb spielt (eigentlich seit immer) ein 4-4-2 mit zwei Ketten, aber eben kein klassisches flaches 4-4-2 mit zwei Sechsern (wie sich das Darko Milanic aktuell recht todbringend bei Sturm einbildet. seine zentralen Akteure sind derzeit Jano (ein bulliger Box-to-Box-Typ) und Konstantin Kerschbaumer, ein Junior, der wie ein Zehner denkt, und wie ein Achter arbeitet. Weil Scherb an den Flügeln defensiv wie offensiv das ideale Gleichgewicht sucht (und in talentierten Leuten wie Hofbauer oder Holzmann auch findet) geht das Kalkül auf.

Martin Scherb würde Sturm Graz problemlos nach Europa führen.

Der Rest ist noch diffuser unterwegs

Ein nachträgliches PS von Dienstag-Abend: Hartberg hat sich mit seiner durchaus beachtlichen Umschalt-Taktik (aus dem 4-1-4-1 schnell in ein 3-4-3 kommen) gegen die hinter die alten Gregoritsch-Zeiten zurückgefallenen Kapfenberger durchgesetzt.

Wie es mit einem 4-4-2 nicht so recht klappt, das führen die beiden (Ex-)Vienna-Trainer vor: Alfred Tatars Versuch, das, was bei der Vienna geklappt hatte, auf Mattersburg zu übertragen, ist gescheitert. Die Lösung liegt auch hier in der Interpretation dessen, was die zentralen Akteure spielen sollen, zuletzt waren im Pappelstadion Fortschritte zu erkennen. Gescheitert ist auch Gerhard Fellner daran, Vorgänger Alfred Tatar zu imitieren - und wurde vom machtbessenen Kurt Garger auch gleich entfernt.

Helgi Kolvidsson hat sein altes 4-2-3-1 nach der üblen Frühjahrsssaion und dem aktuellen Fehlstart verlassen und probiert jetzt ein riskantes 4-1-4-1 (mit Pat Salomon als Sechser!) - das gilt es zu beobachten. Ebenso ein verwandtes System, das Bruno Friesenbichler in den beiden letzten Spielen für Hartberg verwendet. Bei Parndorf und dem SV Kapfenberg unter Kurt Russ blicke ich noch nicht durch. Und werde, was den KSV betrifft, heute abend hoffentlich schlauer.