Erstellt am: 4. 8. 2013 - 16:38 Uhr
Die Altersweisheit der Jugend
- King Krule
- Alle Songs zum Sonntag auf FM4
- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Manch einer hat eine Stimme, aber alles andere als eine eigene. In komischen Shows im Fernsehen wird angehenden Sängerinnen und Sängern und auch Zuschauern allerlei schlechte Musik aus beispielsweise Musicals und das Missverständnis, dass es sich bei Celine Dion und Mariah Carey um Soul handle, als interessant verkauft. Der Umstand, dass supergefühliges Geknödel und Schmerzenspoesie aus dem Reim-Dictionary nicht unbedingt mit markerschütternder oder auch das Herz sonnig stimmender emotionaler Spannung gleichzusetzen sind, weiß mittlerweile ohnehin fast jeder. Mit Ausnahme vielleicht derer, die Jahr für Jahr für die Auswahl des österreichischen Kandidaten für den Eurovision Song Contest verantwortlich sind. Das ist wohl das Publikum? Man hat es nicht anders verdient.
Das macht aber alles auch nicht gar so viel – was schlecht ist, soll schlecht bleiben. Manchmal aber kommt ein junger Mensch um die Ecke, der schon früh so prall mit prickelnder Identität, mit Stimme und Stimme, eigener Ausdrucksform und Plan und Lebensmodell ausgestattet ist, man möchte vor Freude fast aus den Stiefeln steigen und vergessen, dass das hässliche Wort "Kultur-Pessimismus" überhaupt jemals existiert haben soll.
King Krule
Archie Marshall ist genauso ein Typ, nicht umsonst wird der Musiker und Sänger aus London seit gut zweieinhalb Jahren als das nächste große Ding quer durch alle Kanäle gereicht. Unter dem Namen King Krule, vormals Zoo Kid, entwirft Marshall Musik von erschütternder Kargheit und hübscher Schlichtheit. Große Poesie, verdichtet in wenigen, knappen Zeilen, getragen von kaum mehr als ein paar mürrischen Tönen aus der Gitarre und seiner Stimme. Eine Stimme, die man, hat man sie einmal gehört, immer wieder erkennen wird.
Die ersten Zeilen von "Out Getting Ribs", einem frühen Stück von Marshall, lauten " And hate runs through my blood", im Video zum Song blickt der dünne, mittlerweile gerade einmal 18 Jahre alte junge Mann fordernd in die Kamera. Das Video zeigt nur ihn, singend, vor weißer Wand. Mehr braucht es nicht – King Krule ist jetzt schon, er weiß es, große Kunst und Haltung. Ein übellauniges Aufbegehren, ein Dagegen-Sein. In seiner Musik hallen Punk und Postpunk nach, The Clash, runtergestrippt aufs Skelett, und das aufrührerische Songwritertum von Billy Bragg. Dabei hat dieses brüchige, aufgeraute Gebell von King Krule aber auch immer Soul.
Ende August wird nach einigen Singles und einer EP endlich das Debüt-Album von King Krule erscheinen, der Song "Easy Easy" ist der Single-Vorbote. Wieder einmal ein minimalistischer, zunächst unscheinbarer Song, der erst mit der Zeit seine kaputte Schönheit offenbart. Und wovon singt der Künstler hier so wunderbar ruppig? Davon, dass "easy, easy", immer mit der Ruhe und schön langsam, ihm wohl schon einmal gar niemand zu erzählen hat, was zu tun ist. "Man, just leave us alone", sagt er.
Zum einen versprüht der Song also eine punk-typische Anti-Haltung und Indifferenz - dem gegenüber steht die Paraphrase eines Zitats von Winston Churchill: "Cause if you’re going through hell/ We just keep going". Anstelle von No Future heißt es hier also "Kopf Hoch" und Weitergehen und an den Optimismus glauben. Schon allein anhand dieser kleinen Opposition lässt sich im Kopf ein interessanter Charakter herbeiimaginieren. Und das ist erst das Eröffnungsstück des Albums von King Krule.