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David Pfister

Rasierklingen, Schokolade, Zentralnervensystem, Ananas, Narzissmus und Ausgehen.

1. 8. 2013 - 11:19

Will man auf Nummer sicher gehen, bestellt man einen Hotdog

Glenn Danzig spielte gestern in einer restlos ausverkauften Arena Wien. Feat. Gastauftritt vom Misfits-Gitarrist Doyle Wolfgang von Frankenstein. Wie es hätte sein können und wie es war.

Bad luck wind been blowing at my back,
I was born to bring trouble to wherever I’m at,
Gott he number thirteen tattooed on my neck,
When the ink starts to itch, then the black will turn to red

Glenn Danzig, 1999

Mit dem von Rick Rubin produzierten „American Recordings“ begann 1994 das spektakuläre Comeback des gefallenen Countrystars Johnny Cash. Nach einer Reihe von zum Teil schauderhaften Aufnahmen und Auftritten in den Achtzigern war Johnny Cash zwar noch immer legendär, sein kreativer Stern galt aber mehr oder weniger als verglüht. Bis er vom Metal- und HipHop-Produzenten Rick Rubin verführt wurde, Songs von zeitgenössischen Popacts, oftmals alternativer Artisten zu covern. Zenith sollte wohl seine Version von Nine Inch Nails „Hurt“ werden.

Johnny Cash

Johnny Cash

Acht Jahre und eine Reihe von „American Recordings“ später, war Johnny Cash dann der alle Genres und Grenzen überwindende Popmusik-Merlin. Die Lieder, derer sich Rick Rubin und Johnny Cash annahmen, waren nicht immer die geschmackvollsten. Aber sie waren alle wahrhaftig. Die beiden Männer schafften es, die Herrlichkeit grauester Kieselsteine ans Tageslicht zu bringen. Schönes Beispiel hierfür wäre die liedgewordene Abscheulichkeit „Desperado“ von den Eagles.

Horror Business

Unter einem nicht ganz so wenig schmeichelhaften Image wie die Eagles hatte Glenn Danzig zwar nicht zu leiden, trotzdem musste der Amerikaner sich ständig seines humoresken Images erwehren. Nicht zu unrecht. Glenn Danzig torpedierte seine musikalischen Fähigkeiten stets mit einer Fülle von geschmackloser und primitiver Ikonografie. Was auch wiederum sinnvoll erscheint, wenn man an das nicht unklug konstruierte Image seiner anderen berühmten Band Misfits denkt. Und jetzt sind wir auch gleich beim gestrigen Wienkonzert. Zuvor müssen wir aber noch einen Moment bei Johnny Cash verharren. Glenn Danzig schrieb für eines der American Recordings-Alben den Song „Thirteen“ welches er dann selbst auf der Platte „6:66 Satan's Child“ veröffentlichte. Johnny Cash demaskierte mit diesem Lied was die Magie des Glenn Danzig wirklich ausmacht: großartiger, epischer Blues. Selbstverständlich pathetisch, aber wahrhaftig und in all seiner Maßlosigkeit überwältigend. Dieses Lied spielte Glenn Danzig nicht. Und jetzt sind wir schon bei der Richtung seiner momentanen 25. Jubiläumstour.

Misfits

Misfits

Blackacidevil

Stücke wie „Thirteen“ mit einem tatsächlich ehrhebenden Nimbus gibt es im Danzig-Fundus nicht wenige, aber die werden weitestgehend ausgespart. Glenn Danzig macht seinen ewigen Fehler und entscheidet sich wie so oft für den breiten und angenehmeren Weg und sein Fast-Food-Herz und mit Kalibern wie „Mother“ oder „Dirty Black Summer“ hat man die Konzertnacht sowieso schon im vorhin erobert. Aber dem psychedelisch-doomigen Blues-Zauber, der sehr wohl hinter all der Redneck-Einrichtung des Glenn Danzig versteckt ist, wird kaum Raum gewährt.

Erfrischend gestalteten sich da die Gastauftritte des Paul Doyle Caiafa alias Doyle Wolfgang von Frankenstein. Der stieß 1979 im Alter von 15 Jahren zu den Horrorpunkern Misfits. Die Misfits wurden 1977 von Glenn Danzig gegründet und haben millionenfach mehr T-Shirts als Platten verkauft. 1983 verlässt Glenn Danzig die Misfits, um sich um sein neues Projekt „Danzig“ zu kümmern. Auch Doyle Wolfgang von Frankenstein steigt bei den Misfits aus, um dann doch wieder einzusteigen um dann wiederum auszusteigen. Die wunderbare Evolution der Misfits ist eine nie enden wollende Soap. Am 6. August spielt die aktuelle Inkarnation der Misfits beispielsweise im Rockhouse Salzburg. Als auch nur irgendwie authentisch dürfen die allerdings nur bedingt betrachtet werden. Aber wollen wir doch wieder zu den Danzig-Festspielen gestern in der ausverkauften Arena kommen.

Deth Red Sabaoth

Glenn Danzig

Glenn Danzig

Zweimal wird das Danzig-Set unterbrochen und Doyle Wolfgang von Frankenstein für Misfits-Songs auf die Bühne gebeten. Mit Corpse Paint im Gesicht und Heman-Figur prügelt der gute Mann einfach nur mit den Fäusten auf sein Instrument und macht nicht einmal den Versuch, so etwas wie einen Akkord zu greifen. Was auch herzlich egal ist, denn der Sound und die Lautstärke sind ein alles verzehrender Mahlstrom. Das ist schon alles sehr zauberhaft und niedlich und „London Dungeon“ live selbstverständlich ein großes Amüsement, aber dann halt doch auch nicht mehr als ein strammer aber wenig nachhaltiger Hotdog mit Senf und Ketchup. Radikaler Kick und sofort vergessen. Es ist die heroische und großartige amerikanische Geschmacklosigkeit, die Glenn Danzig ewig nährt, aber niemals auf den Gipfel kommen lässt.