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Pia Reiser

Filmflimmern

30. 7. 2013 - 11:17

Der goldene Robert

Für alle, die bei Robert Redford bloß an "Der Pferdeflüsterer" denken und mit den Augen rollen: Der Versuch einer Gegendarstellung anlässlich Redfords neuem Film "The Company you keep".

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Um das Wort "golden" kommt man bei Robert Redford nicht herum. Sei es, wegen seiner herrlichen Haarpracht und deren Couleur, dem breiten Lächeln, der Erfolgsgeschichte seiner immerhin fünf Jahrzehnte umspannenden Laufbahn oder seines Images. Das Image von einem, der alles richtig zu machen scheint. Obwohl - oder gerade weil - sowas wie ein Image ihn natürlich überhaupt nicht interessiert, hat Redford sich eine geradezu streberhaft einwandfreie öffentliche Persona geschaffen.

Den Feschak und Herzbuben des Kinos der 1970er Jahre interessierten die Eskapaden wie sie die wilden Kerle des New Hollywood - Dennis Hopper, Jack Nicholson oder Warren Beatty - vorlebten, nie. Den Exzess meidend, das Private hütend und mit seinem Verhalten so wie mit seinen Filmrollen den Status des "good guy" zementierend, wurde Redford zu einem Fixstern in Hollywood - von dem er sich geografisch so gut wie möglich fernhält.

Robert Redford

redford

Gülden!

Wahrheit statt Liebe

Mit einem Gesicht, das soviel besser in die Ära der strahlenden Stars des Studiosystems, die Ära der Cary Grants oder Clark Gables gepasst hätte, als in die Zeit, in der Publikum und Filmmemacher Gefallen an den Charaktergesichtern von Robert deNiro, Jack Nicholson oder Jon Voigt fand, wird der Kalifornier in den1970er Jahren zum umschwärmten und beseufzten Posterboy des amerikanischen Kinos. Umso paradoxer, weil er in dieser Zeit kaum romantische Rollen spielt. Und wenn doch, wie in "Barfoot in the Park" und "The way we were", werden seine Figuren von ihren Frauen (beinah) verlassen, weil sie zu fad, zu unpolitisch zu unengagiert sind. Redfords Figuren aus dieser Zeit (und das ist die Zeit, in der seine wohl interessantesten Filme als Schauspieler entstehen) sind eher auf der Suche nach der Wahrheit, als Liebe.

Als fesch gekampelter Bob Woodward deckt er in "All the president's men" den Watergate-Skandal auf, in "Three days of the condor" ist er als CIA-Mitarbeiter in der Situation, die man in so vielen, paranoiaumnebelten Politthriller der 1970er findet: Man kann niemandem mehr vertrauen. Als Zuseher kann man bloß darauf vertrauen, dass Redfords Figuren auch in diesen Situationen nie die Contenance verlieren. Und niemand sah beim Recherchieren, bei geheimen Treffen in dunklen Garagen oder beim Aufenthalt in Telefonzellen so gut aus wie Robert Redford mit der leicht gelockerten Krawatte.

robert redford in "all the presidents men"

columbia

Geerdet und integer

Seine Figuren sind geerdete Männer, er spielt Baseball-Legenden, Piloten und Gefängnis-Direktoren und ist meist ein leuchtendes Beispiel für Integrität. Und eigentlich auch für den "Great Gatsby", den er 1974 spielen wird, zu sehr mit beiden Beinen am Boden verhaftet. Bei Redfords Gatsby hätte es mich nie gewundert, wenn man ihn beim Rasenmähen gesehen hätte. Redford ist auch zu strahlend für einen Underdog. Das wurde Regisseur Mike Nichols bei Probeaufnahmen für "Die Reifeprüfung" klar; für den zweifelnden, ein wenig ungelenken Benjamin Braddock verkörperte Redford zuviel Selbstsicherheit - und das sogar noch vor seinem großen Durchbruch in Tinseltown.

The Sundance Kid

Der findet zwei Jahre später statt. Im Kugelhagel und Pointenregen von George Roy Hills "Butch Cassidy and the Sundance Kid" wird Redford zum Star. Sein Schauspiel-Stil hat nichts mit dem teilweise zerfleischenden method acting zu tun, das das Kino der 1970er Jahre prägen wird. Er macht eher eine Geste zu wenig, als eine zu viel. Ab Mitte der 1980er Jahre beschleicht einem rückblickend das Gefühl, es wäre vielleicht besser gewesen, er hätte mal auch ein paar Filme weniger gemacht. The Sundance Kid wird zum Leinwand-Sunnyboy.

Zu dieser Zeit, irgendwo zwischen "Legal Eagles" und "Up, close and personal" wird er zu einem Paradebeispiel für die in Hollywood gern exerzierte Inszenierung von Leinwandhelden, deren love interests Jahrzehnte jünger sind. Richtig übel nimmt ihm die Kritik aber eigentlich nur "Indecent Proposal". Da verlässt eine Filmfigur von ihm einmal den moralisch-einwandfreien Pfad und bietet einem Ehepaar eine Million Dollar für eine Nacht mit der Frau und schon wird er für eine Goldene Himbeere als "Schlechtester Schauspieler" nominiert. Dass er in den 1990er Jahren nicht in die völlige Irrelevanz abgedriftet ist, hat auch mit seinem zweiten Standbein zu tun: Der Regie.

mgm

Unschuldsverlust

Als Filmemacher wird sich Redford schließlich noch vielseitiger erweisen, als als Schauspieler. Auf die Frage, was ihn als Regisseur interessiert gibt er die Antwort, die so viele Filmemacher von sich geben: Die Risse im System, das Hässliche hinter der schönen Oberfläche. Viel treffender beschreibt es Daniel Kothenschulte in dem Buch "Nachbesserungen am amerikanischen Traum. Der Regisseur Robert Redford": Es gehe in diesen Filmen so oft um den Verlust der Unschuld. 1980 dekonstruiert er mit seinem Debüt "Ordinary People" eine gut situierte Familie - u.a. Donald Sutherland und Mary Tyler Moore - zwischen Trauer und Tablettenkonsum. Die Institution "Familie" ist nur der Anfang, Redford wird sich an weiteren Konstrukten und ihrer Fäulnis abarbeiten.

Ralph Fiennes

arthaus

/11 Jahre vor Voldemort: Ralph Fiennes in "Quiz Show"

The Company you keep

In "Quiz Show", meinem Lieblingsfilm vom Regisseur Redford, inszeniert er den Verlust der Integrität des Fernsehens. Weil ein Quiz-Show-Kandidat so gut beim Publikum ankommt, beschließen die Produzenten ihm die Fragen vorab zu geben. In den 1950er Jahren reichte das noch für einen Skandal, Redford macht daraus ein Sittenbild, in dessen Mitte der noch haarprächtige Ralph Fiennes, den Verheißungen des Scheinwerferlichts nicht entsagen kann. In den 00er Jahren greift er zu großen politischen Themen: "The Conspirators" nimmt sich im Kostümmäntelchen das amerikanische Justizsystem vor, "Lions for Lambs" streift den Krieg in Afghanistan und in seinem neuesten Film "The Company you keep" wirft er einen Blick auf die revoltierende Sixties-Generation abseits von friedlichem Sit-Ins und den ganzen Tag Peace-Zeichen in die Luft halten.

Robert Redford

constantin

The Company you keep

Der Politthriller beginnt mit einem Blick auf die "Weathermen", eine Gruppe von Aktivisten, die den gewaltlosen Widerstand hinter sich ließen und u.a. planten, die Regierung zu stürzen. Der Film erzählt von einem Banküberfall, bei dem ein Sicherheitsbeamter getötet wird. Die Weathermen-Mitglieder tauchen unter, nehmen neue Identitäten an. Dreißig Jahre später wird ein ehemaliges Mitglied (Susan Surandon) verhaftet und ein junger, engagierter Journalist, so einer, den Redford früher selbst gespielt hätte, enttarnt den angesehenen Anwalt Jim Grant als früheren Weatherman Nick Sloan. Sloan ist nun auf der Flucht und versucht, seinen Namen von der Verbindung mit dem Tod des Sicherheitsbeamten reinzuwaschen. Man zweifelt keine Sekunde an dessen Unschuld, schließlich besetzt der Regisseur Redford den Schauspieler Redford in der Hauptrolle.

Auf der Flucht

Der Anwalt zieht sich eine Baseballkappe tief ins Gesicht und besucht seine Freunde aus Aktivistentagen; "The Company you keep" stellt die Frage, was aus der engagierten, kämpfenden und idealisierten Sixties-Generation geworden ist. Wirft man seine Überzeugungen über Bord und tauscht sie gegen ein Leben ein, das man zuvor als viel zu angepasst gefunden hat? Oder kämpft man weiter?

Eine ganze Riege an großartigen Schauspielern und Schauspielerinnen lässt Redford auftauchen. Richard Jenkins, der Uniprofessor, der die alten Zeiten am liebsten vergessen würde, Julie Christie, die immer noch hinter den damaligen Idealen steht oder Nick Nolte mit seinem "Liberty or Death"-T-Shirt. Als Gegenpol zu dieser Generation findet man in dem Thriller Shia LaBoeuf. Mit der klassischen Journalisten-Hornbrille auf der Nase geht es ihm vor allem darum, endlich Anerkennung von seinem Chef zu erhalten.

Shia La Boeuf in "The COmpany you keep"

constantin

"The Company you keep" läuft bereits - getarnt als "Die Akte Grant" - in den österreichischen Kinos

Klassisch und solide erzählt Redford von Sühne, Reue, Läuterung und von fehlender Moral. Pathos umschifft er meistens gekonnt, ebenso widersagt der Film der Hektik, die dem Thrillergenre gerne spätestens im Schnittraum verpasst wird. Wieder spielt er einen Mann mit Gewissen und Überzeugungen - und einer elfjährigen Tocher. Die ist aber dermaßen als dramaturgisches Plot-Element angelegt, dass man den Gedanken, Redford würde sich hier eitel mit Virilitätsbeweis-Lorbeeren schmücken, gleich wieder beiseite schiebt. Für viele wird "The Company you keep" über "solide" nicht hinausgehen. Wenn man aber für Thriller eine Schwäche hat, oder so wie ich Filmen schon erliegt, wenn sie ein paar Szenen in Redaktionsbüros ansiedeln und/oder jemand sich zu einer Mikrofiche-Recherche aufmacht, dann hat man doch so seine Freude mit "The Company you keep".

Filme ändern nichts

Belehren will einem der Regisseur Robert Redford ohnehin nie, da zeigt sich der 76-Jährige abgeklärt. Filme würden weder Systeme noch Regierungen ändern können, davon ist er überzeugt. Wohl auch deswegen engagiert sich Redford seit Jahrzehnten in der Politik und im Umweltschutz. Was Redford macht, ist mehr als das obligatorische Sich-Sehen-Lassen bei der Democratic National Convention oder das Einzeiler-Aufsagen in einem Spot gegen Waffengewalt, wie es in Hollywood zum guten Ton gehört. Jeglicher Optimusmus ist dem ehemaligen Sunnyboy in Sachen Politik allerdings abhanden gekommen. Seine Einschätzung der politischen Lage beschreibt er als "It's so dim, it's almost black".

Robert Redford

EPA

Der Festivalflüsterer

Sundance und Paris

Die Welt und vor allem die Umwelt gilt es noch zu retten, die Filmwelt hat er schonmal gerettet. Seit 1978 ist das Sundance Festival unter seiner Schirmherrschaft und war vor allem in den 1980er und 1990er Jahren die wichtigste Platform in den USA für junge Regisseure und unabhängige Produktionen. Wo genau Regisseure wie Steven Soderbergh oder Kevin Smith ohne Sundance wären, weiß man nicht. Inzwischen finden sich dort genauso große Studioproduktionen und doch wacht Redford noch über das, was im Kern des Festivals steckt und versucht es zu wahren: Utah dürfe nicht Beverly Hills werden und deswegen ist er nicht nur nicht erfreut, dass Paris Hilton die Sundance-Partys aufsucht, er poltert geradezu. "She and her hard-partying, swag-grabbing cohorts have made the festival not much fun. There are too many people who come to the festival to leverage their own self-interest."

Da verliert er dann doch ein wenig Contenance und die Zurückhaltung, die seine öffentliche Person aber auch seine Figuren ausmacht. Golden diffidence nannte die legendäre Filmkritikerin Pauline Kael diese Zurückhaltung. Nichtmal sie ist um das golden drumrum gekommen.