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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

29. 7. 2013 - 13:23

Fußball-Journal '13. Eintrag 30, Rerun.

Sehenden Auges in den Untergang. Sturm Graz bereitet den Weg für eine komplett verpatzte Saison. Jetzt mit Post-Grödig-PS rechterhand!

Das ist das Journal '13, meine heuer (wegen Jungvater-Pflichten) im Gegensatz zu 2003, '05, '07, 2009 und 2011 nicht sehr regelmäßige oder gar tägliche Web-Äußerung in ungeraden Jahren.

Heute wieder mit einem Eintrag ins Fußball-Journal 13 - und zwar einer kurzen Nachlese zum europäischen Durchfall von Sturm Graz.

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Ein kleines PS nach der hier ja quasi angekündigten Niederlage (mit Anlauf) gegen Grödig am Sonntag, den 28.7.: die Hauptschuld an der Misere trägt die bewusst nicht gefüllte Lücke im mit vielen Funktionären vollgestopften System "Sturm neu": der Sportdirektor fehlt. Dessen Job wäre es einem Coach, der wie Milanic Achter und Zehner in starre Sechser-Schemata pressen will, klarzumachen, dass die Vereine-Philosophie (die immer über der des jeweiligen Coaches steht) sowas nicht zulässt; dass man Offenbacher und Hadzic (auch Beichler ist zentral effektiver als auf den Flanken) nicht dafür geholt habe, dass sie sich abwartend vor der Abwehr bewegen. Dieser Job hätte bei der Coach-finding-Mission (Milanoc hatte mit Maribor deutlich für jeden sichtbar mit der Doppel-Sechs agiert) oder bei den ersten Abstimmungen der Trainingsvorbereitungen erledigt werden müssen. Geht aber nicht, weil Sturm keinen Sportchef hat, sondern einen General Manager, der diese Aufgaben (aus seiner Sicht womöglich zurecht) nicht als seinen Job sieht. Das hat sich nun bitter gerächt. (Nachtrag 29.7., mb).

Siehe dazu auch die Analysen auf 90minuten.at und sturm12.at.

Jetzt ist schon wieder was passiert.
Sturm Graz, der Verein, der sich schon im letzten Meisterschafts-Spiel sichtbar gegen die Teilnahme am internationalen Bewerb gesträubt hatte, legte diese gestern zurück. Mit einer Leistung, die ein Weiterkommen auch in der 2. Quali-Runde schlicht unmöglich macht. Die Schuld daran trifft (wie schon im Mai) weniger die Akteure auf dem Rasen als vielmehr die Verantwortlichen dahinter.

Ich habe am Montag den letzten Warnschuss erwähnt, den die müde und armselige Leistung im Sonntags-Spiel der Grazer darstellen muss, um ein nächstes Kapitel (nach den Personalwirren in Trainer- und Management-Bereich oder dem Schopp-Desaster) des Scheiterns zu verhindern.

Und ich habe in der Liga-Preview ein paar Tage vorher geunkt dass vielleicht nicht Rapid, sondern Sturm die vordringliche Herbstbaustelle sein könnte, was Publikumsunruhen betrifft. Weil der Geduldsfaden in Graz - zurecht - bereits sehr kurz ist; auch weil - im Gegensatz zu Rapid - nicht neu aufgebaut wird, sondern eine Truppe zusammengeholt wurde, die vorne mitspielen soll.

Milanic legt die Europacup-Teilnahme freiwillig zurück

Dass sich das nicht ausgeht, war sowohl gegen PSG als auch in Innsbruck mehr als augenfällig. Dass dies medial nicht transportiert wurde, lag an den Resultaten: ein Sieg, ein Remis. Wer da nicht selber analysiert, wird von der öffentlichen Analyse im Stich gelassen, weil die Mainstream-Medien nicht aufklären, sondern Ergebnissen hinterher reden. Das war auch gestern vor dem Match mit einer kapitalen Fehleinschätzung des isländischen Gegners so. Gestern um 19.45 Uhr hat es dann aber auch der letzte Dolm mitbekommen.

Und, nein, es lag nicht an "individuellen Fehlern", "blöden Gegentoren" oder einem just an diesem Vorabend auftretenden Spiel "ohne Ideen", zuwenig "Biss" und noch nicht so recht funktionierenden Lauf/Passwegen, wie es das (eh immer) saublöde Geschwätz der Protagonisten nach dem Match weismachen will.

Das Problem liegt im Prinzip.

Darko Milanic ist (wie Peter Hyballa, wie auch Markus Schopp) ein Trainer mit einer Idee, einem Konzept, einer Ausrichtung. Milanic stellt aber (wie auf seine Art auch Schopp) Form über Funktion. Er versucht Spieler, die für andere Aufgaben und Positionen geholt wurden in ein ihm als Ideal vorschwebendes System hineinzupressen. Er bleibt beinhart bei seinem knochentrockenen falschen 4-4-2, wiewohl er mit Hadzic und Offenbacher über den besten Achter und den besten jungen Zehner der Liga verfügt und somit ganz andere strategische Möglichkeiten hätte.

Kurzer Exkurs zum Reizbegriff Hyballa...

Peter Hyballa hatte in seinen ersten vier Pflichtspielen bereits fünf verschiedene Systeme erprobt (von denen er dann später zwei bis drei konkreter weiterentwickelte und gesicherter spielen ließ). Milanic hielt sogar nach der scheinbaren Offensiv-Variante der 2. Halbzeit (mit Beichler statt Weber) weiter am flachen 4-4-2 fest und auch das finale 4-3-3 ab der 60. Minute sah nicht wie das Happelsche Hollywood, sondern wie ein trapattonisches Absicherungswerk aus. Dröge und angstvoll, "Fehlpass-versessen und ideenmüde, das nächste Kapitel im Trauerspiel der zum Scheitern verurteilten Coaching-Konzepte."

Milanic ist von seiner fixen System-Idee überzeugt; anders sind seine Versuche Spieler, die da nicht hineinpassen, so zu beschneiden, damit sie das tun, so wie die bösen Stiefschwestern von Aschenputtel, die sich den Zeh abschneiden um in den Prinzen-Pantoffel zu passen.

Fixe Ideen oder Anpassung von Systemen an Spieler?

Das ist vor allem angesichts des über allen schwebenden Beispiels des Pep-Gotts so offensichtlich hirnlos: der probiert seine Idee eines 4-1-4-1 im jüngsten Test gegen Barca in einer defensiveren 4-3-3-Grundvariante, einfach weil er so viele gute defensiver orientierte, zentrale Mittelfeldspieler hat. Selbst der Trainer-Gott richtet sich also nach seinem Material. Milanic tut das nicht. Und scheitert. An Breidablik.

Bitte jetzt hier nicht den Fehler einfügen, dem die Prohaskas dieses Felds verfallen: dass sich so ein Gegner nur hinten reinstellen kann. Der zweite der isländischen Meisterschaft hat selbstverständlich ein offensives Gesicht - und aus dem 4-5-1, das man sich für Europa zurechtgelegt hatte, schälte sich alsbald das 4-2-4, das dieses Team beherrscht, heraus. Da rochieren die offensiven Vier höchst fluid - ganz im Gegensatz zum starren Milanic-Werkl.

Milanic fordert nun Geduld, legitimerweise, die Saison ist jung. Allerdings ist Geduld nur dort sinnvoll investiert, wo interessante Ansätze und hoffnungsfrohe Blüten zu erkennen sind. Das kann Sturm Graz unter Milanic im Sommer 2013 aber nicht vorweisen. Selbst die gutmeinende Fansite sturm12.at schlägt diesbezüglich bereits recht forsche Töne an.

Wer die letzte Warnung überhört, kann keine Geduld fordern

Es kann nach einer letzten Warnung keine allerletzte Warnung geben - es sei denn, man will sich lächerlich machen - und angesichts des europäischen Ausscheidens ist der Schaden (nicht nur der für Sturm, auch der für den UEFA-Koeffizienten, der uns heuer die bequeme Quali-Lage in CL und EL beschert hat) ja bereits angerichtet.

Wer die Möglichkeit hat, in Graz gegen untätige Schein-Geduld zu arbeiten, der sollte das tun - ansonsten wird man dort auch in die nationale Blamage laufen.