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Christian Pausch

Irrsinn, Island, Ingwer.

25. 7. 2013 - 13:52

Weekend

Auf der Liste "Filme, die ich gesehen haben sollte" darf dieser Geheimtipp nicht fehlen. Und welch glücklicher Zufall: "Weekend" kommt diese Woche in die heimischen Kinos.

Mein Freund N. kam vor zwei Jahren ganz aufgeregt von einem weit entfernten Filmfestival zurück: "Die meisten Filme waren so mittel, aber der eine, der war ein Wahnsinn!" Der eine Film heißt "Weekend" und hat auf diese Empfehlung hin auch mich in seinen Bann gezogen. Ein Liebesfilm? Ja, aber der unaufdringlichste und unkitschigste Liebesfilm seit langem.

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QUINNFORD & SCOUT

Nur ein One-Night-Stand?

Irgendwie kennt man das, oder zumindest die furchtbare Vorstellung davon: Man ist Freitag abends bei Freunden eingeladen. Die stecken alle in Beziehungen und haben Kinder und Einfamilienhäuser. Plötzlich fühlt man sich wie der letzte Single auf der Welt und weil man das niemanden von denen wirklich erklären kann, tut man so als hätte man noch was vor und verschwindet früher von der Party, um dann alleine in einem Club zu enden, wo man wiederum alleine an der Bar herumsitzt und noch melancholischer wird.

Genau so ergeht es Russell (Tom Cullen) am Anfang von "Weekend", doch an diesem Abend ist etwas anders: auf der Tanzfläche entdeckt er Glen (Chris New). Kurz darauf sitzen die beiden gemeinsam an der Bar und ein wenig später bei Russell zuhause. Ein One-Night-Stand, sollte man meinen, und auch die beiden haben eigentlich anfangs nur das eine im Sinn. Doch oft kommt es eben anders als man denkt.

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Über den beiden hängt ein schlechtes Omen: "Amerika" in Form von aufgeklebten Postkarten und Erinnerungsstücken.

Am Morgen bringt Russell Kaffee ans Bett und da wo normalerweise der One-Night-Stand endet, beginnt der schönste Teil von "Weekend". Russell und Glen beginnen sich kennenzulernen und führen Gespräche über Gott und die Welt. Fast wie Julie Delpy und Ethan Hawke in "Before Sunrise" - nur mit dem wichtigen Unterschied, dass hier nichts totgeredet wird - treffen in der kleinen Wohnung zwei vollkommen unterschiedliche Menschen aufeinander mit divergenten Ansichten und dennoch einer großen Zuneigung füreinander.

Besonders schön ist die fingierte Outing-Szene bei den Eltern, die Russell - in einem Waisenhaus aufgewachsen - nie in echt erleben musste/durfte. "Dad, I'm gay.", sagt er zu Glen, woraufhin dieser antwortet: "It doesn't matter to me. I couldn't be more proud of you than if you were the first man on the moon." Der Griff zum Taschentuch ist vorprogrammiert.

Nur ein Wochenende.

Doch lange hält das Glück der beiden nicht an, denn Glen geht fort. Schon am Sonntagnachmittag soll sein Flieger nach Amerika gehen und dort bleibt er dann auch erstmal für die nächsten zwei Jahre. Und plötzlich wird ihnen (und uns im Kinosessel) klar: Alles was bleibt, ist dieses eine Wochenende.

Mitmenschen, egal wie lange bzw. kurz sie in deinem Leben eine Rolle spielen, können dich verändern, bereichern und berühren - das zeigt "Weekend" auf eine beeindruckend stille und unprätentiöse Art und Weise. Besonders in der Figur des eher introvertierten Russell vollzieht sich eine starke Wandlung durch den Umgang mit dem viel selbstsichereren und more outgoing Glen, doch auch wir sind nach 97 Minuten mit den beiden nicht mehr die Selben.

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"Weekend" ist nicht nur das internationale Debüt des bis dato nur Insidern bekannten britischen Regisseurs Andrew Haigh, sondern auch die Schauspieler, die er einsetzt, sind zum ersten Mal in einer derart beachteten Produktion zu sehen. Der Cast ist gelungen, denn Tom Cullen und Chris New sind die Idealbesetzung für diesen ruhigen und empfindsamen Streifen.

Die Filmmusik tut ihr Übriges zum Gelingen der Story und diesen Song kann man erst wirklich dann wertschätzen, wenn man die letzte Szene trotz starkem Ins-Sofakissen-Schluchzen mehr oder weniger heil überstanden hat. "Weekend" ist ab Freitag in ausgewählten Kinos zu sehen.