Erstellt am: 22. 7. 2013 - 10:53 Uhr
Liebe oder andere Unzulänglichkeiten
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Ein schlichtes "For You" hat David Schalko seinem neuen Roman als Widmung vorangestellt. Nach den vielen Dialogen für die Drehbücher zu "Braunschlag" war Schalko sehr nach einer Sprache, die "Prosa, Prosa, Prosa" ist. Darin, im Roman "KNOI" verpackt, schlummert ein Kriminalfall inmitten von Beziehungskonstellationen, die sich als Fallstricke erweisen. Schön gelöst sind die vielen Unterhaltungen, die als indirekte Reden manchmal direkt in die Gedankenwelt einer Figur übergehen. "Wenn etwas sehr Dunkles erzählt wird, kriegt das eine ganz eigene Dynamik, wenn du eine sehr leichtfüßige, helle Sprache verwendest", verrät David Schalko.
Jung und Jung Verlag GmbH.
Eineinhalb Jahre hat der Autor und Regisseur an "KNOI" geschrieben. Es ist sein dritter Roman und im Zentrum des Geschehens stehen von Beginn an zwei Paare: Jakob liebte einst Rita, doch nun lebt er mit Jennifer, die gelähmt ist, eigentlich gar nicht Jennifer heißt, Castingagentin war und ständig überall Fehlbesetzungen sieht. Und die das Kind von Rita und deren Lebensgefährten Lutz für gestört hält; "ein Kind, das jeden Tag ein anderes Tier sein wolle, das könne man getrost als gestört bezeichnen. Das letzte Mal habe er nicht schlafen wollen, weil er behauptete, ein Fuchs zu sein. Füchse seien eben nachtaktiv, sagte Jakob, dessen Feststellungen, dass etwas eben so sei, wenn es so sei, Jennifer von jeher rasend machten."
Derart gestaltet sich die Dynamik des Romans. In schön wechselnden Tempi steigert sich das Drama, ohne auch nur in der dunkelsten Passage auf einen Humor zu verzichten, der - bei aller Härte im Ton - den Charakteren ihre Glaubwürdigkeit geradezu verleiht.
Schonungslos und intim arbeitet "KNOI" die Sehnsüchte und Realitäten der Figuren auf, bis am Ende kaum eine Frage offen bleibt. So schonungslos Jennifer und die Erzählhaltung Schalkos auf das Leben blicken, so zärtlich manifestieren sich Wünsche.
"Nichts durfte jemals Erzählung werden", heißt es an einer Stelle über ein Liebespaar, das vielleicht nur im Kopf des einen existierte. Doch das ist Interpretationssache, wie einige Passagen in "KNOI", die tief in die Innenleben der Figuren eintauchen. "Wenn in den Nächten die Phantomschmerzen kamen, blieb Jakob neben ihr liegen. Sie hatten beschlossen, unter allen Umständen zusammenzubleiben. Ihre Liebe war räumlich, sie bewohnten einander."
Liebe oder andere Unzulänglichkeiten
Liebe und ihre Unmöglichkeit sind Grundthemen der Literatur, aber die Aufmerksamkeit auf eine derart private Geschichte, nämlich auf Beziehungsleben, zu lenken - ist das modern? "Modern... das ist immer eine gute Frage, was modern ist. Es ist kein Bobo-Roman", antwortet David Schalko. Das müsste er gar nicht klarstellen. Bis auf einen Burberry-Mantel sind Produktplatzierungen ausgespart. "Aber es ist natürlich ein Roman über das moderne Bürgertum, das schon. Für mich ist es eine Variante einer Geistergeschichte ohne Geister. Die Figuren ziehen so an einem vorbei und man verliert sich in dieser Sprache, es erzählt sich fast traumhaft", beschreibt Schalko seinen Roman und man kann ihm nichts entgegnen.
Radio FM4 / Maria Motter
Lebensfilme und Ästhetik
Geschrieben hat David Schalko, bevor er Fernsehen gemacht hat. Vom Schreiben konnte er nicht leben, doch losgelassen hat es ihn nie. Eine Idee für einen nächsten Roman hat Schalko schon. Zuvor müsse - nein - dürfe er aber eine Serie schreiben.
Vor "KNOI" erschienen von David Schalko die Romane "Weiße Nacht" (2009) und Frühstück in Helsinki (2006) sowie Erzählungen mit "Wir lassen uns gehen" (2007).
Ist es eine Sucht nach Erzählungen oder nach Bildern für David Schalko bei seinen Arbeiten? "Der Text kommt fast ohne Bildbeschreibungen aus. Es sind Atmosphären, die über Gerüche oder anderes beschrieben werden. Beim Film sind es konkrete Bilder, bei der Prosa entwickeln sie sich für jede und jeden anders", sagt Schalko.
Gerade die zwei weiblichen Hauptfiguren haben klare Vorstellungen davon, wie etwas sein sollte. Der Schein wird in Kauf genommen, um das Sein zurecht zu rücken. "Man hat von vielen Dingen einfach so ein Bild. Ich meine, das sind ja auch die Sachen, die ja letztendlich die Ästhetik unseres Lebens bestimmen. Wir machen uns ja auch so eine Art Lebensfilm für uns selber, glaube ich, und der ist halt dauernd von solchen Bildern beherrscht, die dann aber nichts mit der eigenen Begeisterung letztendlich zu tun haben, sondern einfach nur Bilder sind", so Schalko.
Rita, die zweite weibliche Hauptfigur, verfolgt das gute Leben mit einer Vehemenz, der sich alles zu unterwerfen hat. "Das ist ja ein sehr bürgerlicher Ansatz: Dieses Bild, dem sich alles gerecht werden muss", sagt Schalko, der in "KNOI" wie in vielen seiner Arbeiten Figuren hat, die nicht hunderprozentige SympathieträgerInnen sind. Aber wer sei das schon im Leben, fragt Schalko rhetorisch. Jeder Mensch habe seine dunklen Seiten, seine Grauschattierungen oder bestünde fast ausschließlich daraus und selten aus dem, was er gerne darstellen wolle.
Glück und Realität
Ein Blick ins Archiv:
David Schalko bei FM4 Fremdgehen und einer Angelobung am Heldenplatz.
Gibt es ein Ziel, wo "KNOI" hin sollte? Wünscht sich David Schalko, mit dem Roman mehr als zuvor als Autor zu reüssieren und in den - ohnehin kaum noch vorhandenen - Feuilletons besprochen zu werden? Wenn Menschen mehrere Dinge machen, würde man ohnehin in irgendeine Schublade gesteckt. Für ihn gehe es um die Erzählform und darum, in diese einzutauchen. Und darum, dass LeserInnen etwas mitnehmen, als Wahrnehmung oder Poesie oder wie auch immer.
In "KNOI" geht es viel um Beziehungen, um das Thema Liebe und um die Sehnsüchte, die man sucht und nicht findet oder auf eine gewisse Art findet. "Ich glaube, dass die Suche nach dem Glück ja so etwas Überschätztes ist. Dass Glück an sich etwas Überschätztes ist. Weil ich glaube, dass es nicht darum geht, im Leben möglichst glücklich zu sein, sondern das Leben als Erfahrung zu betrachten", sagt Schalko. "Es ist absurd, ständig nach dem Glück zu streben. Das macht ja eigentlich unglücklich, wenn man die ganze Zeit nur manisch nach dem Glück sucht". Das hört man letzthin des Öfteren. Aber ist das nicht Resignation? "Ja, vielleicht. Aber es ist Realismus. Und man kann mit der Realität auch sehr glücklich sein, finde ich. Ich glaube, was bescheuert ist, ist dieser gesuchte Dauerglückszustand, weil das etwas völlig Inexistentes ist. Ich glaube, nicht einmal ein buddhistischer Mönch ist in einem Dauerglückszustand."
Apropos Weisheiten und Rätselhaftigkeiten: Der letzte Satz des Romans sei ein sehr zentraler, so sein Autor. Wird aber klarerweise an dieser Stelle nicht verraten.
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