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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

19. 7. 2013 - 14:50

Die Apokalypse geht K.O.

Guillermo del Toro lässt gigantische Monster gegen gigantische Mechas kämpfen. "Pacific Rim" ist der Blockbuster des Jahres.

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Nein, das sind keine Roboter in Pacific Rim, sondern Mechas. Und darin liegt ein gewaltiger Unterschied. Denn während Roboter selbstständig funktionieren und sogar ein Bewusstsein entwickeln können, müssen Mechas von Menschen gesteuert und belebt werden. Vom Grundprinzip her sind sie demnach einem Panzer gar nicht unähnlich: jede Erschütterung des Fahrzeugs wird auf die Piloten übertragen. Fällt der Mecha, fällt auch der Mensch darin.

Deshalb tut man Pacific Rim Unrecht, wenn man ihn als Film beschreibt, in dem Roboter gegen Monster kämpfen. Ganz so, als würde der Mensch darin zur unwichtigen Staffage reduziert, wo er doch ganz im Mittelpunkt steht. Hollywoods Edel-Fantast Guillermo del Toro macht klar, dass sein gigantisches, detailreich designtes Summer Movie eben kein technokratisches Spektakelstück ist, sondern eine in allen Farben der Nacht schillernde Fantasy-Oper.

Man braucht nicht viel Vorstellungskraft, um im Kampf der Titanen inmitten des Ozeans, während die digitalen Wellen sich beinahe symphonisch aufwallen, eine sehr altmodische Qualität zu erkennen: Ritter kämpfen gegen Drachen. Und natürlich steht dabei nicht weniger als die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel.

Monster

Warner

Francisco de Goyas "Der Koloss"

myartprints.co.uk

Francisco de Goyas "Der Koloss" hat Guillermo del Toro atmosphärisch und hinsichtlich des Größenverhältnisses merklich beeinflusst

Menschmaschine vs. Meeresmonster (SPOILERS AHEAD!)

In naher Zukunft hat man sich damit arrangiert, dass regelmäßig gigantische Monstren, Kaiju genannt, aus einem interdimensionalen Portal am Meeresgrund in unsere Welt gespuckt werden. Eine knackige Vorspann-Montage serviert einen Abriss über die bisherigen Ereignisse: man wird Zeuge der menschlichen Hybris, die sich schnell siegessicher gegen die Ungeheuer wähnt. Die Kaiju werden zu popkulturellen Ikonen, zu Pokémon-artigen Kreaturen verniedlicht und verkleinert. Menschen in Gummianzügen clownen sich durch japanische Fernsehsendungen, während diejenigen, die mit den Körperflüssigkeiten der Kaiju in Berührung gekommen sind, an Krebs erkranken.

In einer beispiellosen multinationalen Anstrengung hat die Weltgemeinde ihre wissenschaftlichen, technologischen und materiellen Ressourcen vereint, um das Jaeger-Projekt zu verwirklichen. Jaeger sind wolkenkratzergroße Mechas, pilotiert von jeweils zwei Menschen, die aufgrund großer Vertrautheit eine neuronale Brücke zwischen sich und der Kampfmaschine bauen. Jede ihrer Bewegungen wird vom Mecha kopiert: del Toro illustriert gleich zu Beginn die Wirkkraft dieses Systems, als die Brüder Yancy und Raleigh an Bord ihres Gipsy Danger-Mecha gegen einen Kaiju antreten. Ein strategischer Fehler führt dazu, dass das Monster die Oberhand erhält, die Hülle des Mecha durchbricht und Yancy aus seinem Sitz reißt.

Warner

Yancy (links) und Raleigh (rechts) pilotieren ihren Mecha Gipsy Danger

Im Alleingang gelingt es Raleigh (perfekt besetzt: Charlie Hunnam) seinen Gipsy Danger an die Küste Alaskas zu steuern, wo er zusammenbricht. Nach dieser traumatischen Erfahrung quittiert der junge Pilot seine Teilnahme am Jaeger-Projekt und beginnt, an einem alternativen Kaiju-Defensivprogramm mitzuarbeiten. Um das Festland der Kontinente soll eine gigantische Mauer gebaut werden, die verhindern soll, dass die Kaiju in bewohnte Gebiete eindringen. Wenig verwunderlich geht der Plan nicht auf: Raleigh wird erneut zum Jaeger-Programm geholt und muss gemeinsam mit der Japanerin Mako (Rinko Kikuchi) gegen die monströse Bedrohung antreten.

PIlotin

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Die wunderbare Rinko Kikuchi als Jaeger-Pilotin Mako Mori.

Monströser Minimalismus

Hört sich jetzt alles sehr martialisch an, aber Guillermo del Toro ist – zum Glück! – nicht Michael Bay und verzichtet demnach auch auf fetischisierte Militärbilder und sonstiges eitles Techno-Gewichse. Der Mexikaner ist erklärter Humanist und demnach auch Pazifist: sein Willen, Pacific Rim so fantastisch wie möglich zu halten, geht sogar so weit, dass er seinen Figuren keine realen militärischen Ränge zugesteht, sondern sie Marshalls und Rangers sind. Das bedeutet gleichzeitig natürlich auch, dass dieser "Barockbuster" alle Verbindungen zu unserer Wirklichkeit gekappt hat und dezidiert nicht als Allegorie auf oder Parabel über Irgendetwas gelesen werden will.

Die große Kunst dieses Films ist jedenfalls, sich auf die Essenz des Genres zu konzentrieren. Während es aktuell kaum eine Großproduktion mehr gibt, die auf politische Kommentare oder gesellschaftliche Analysen verzichtet, und jedenfalls immer irgendwie 9/11 oder der War on Terror als inhaltliche oder ästhetische Referenz herhalten müssen, hat Pacific Rim so viel Diskursgewicht wie eine Episode von Neon Genesis Evangelion, also wenig. Die kultisch verehrte Anime-Serie dürfte del Toro und seinem famosen Design-Team im Übrigen ebenso wie die Mecha-Zentralstelle Gundam Wing jedenfalls als bildhafte Inspirationsquelle gedient haben.

Roboter

Warner

Crimson Typhoon hat drei Arme und wird von Drillingen aus Hong Kong gesteuert

Die neuen Drachen

Prinzipiell geht es diesem Regisseur, der Monster versteht wie kein zweiter in Hollywood, darum, mit Pacific Rim ein neues Universum aufzureißen. Eines, das seine Liebe und Leidenschaft für die all die Kaiju Eigas (wörtlich übersetzt als "Monsterfilme") der Vergangenheit (am bekanntesten sicherlich Godzilla) zwar nicht versteckt, gleichzeitig aber auf offensichtliche Referenzen und/oder Hommagen weitgehend verzichtet.

Es ist sicherlich nicht verkehrt anzunehmen, dass einiges von der Designarbeit, die del Toro mit seinem Team in der Vorproduktion der dann überraschend abgesagten Lovecraft-Adaption At the Mountains of Madness geleistet hat, jetzt in die Monster von Pacific Rim geflossen ist. Die sind zwar insgesamt nicht so verspielt wie die Myriaden von anderen Kreaturen, die der Mexikaner für seine bisherigen Filme imaginiert hat, aber dennoch voller verspielter Details.

Besonders beeindruckend ist ein drachenartiges Kaiju geworden, das sich wie eine gigantische Seeschlange durch den Ozean fortbewegt, aus seinem Rachen eine fluoreszierend blaue Säure spucken kann und irgendwann dann sogar ledrige Flügel aufspannt, um mit einem Mecha zwischen den Klauen durch den Himmel über Hong Kong zu gleiten.

Roboter

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Eine Texttafel am Ende des Films widmet Pacific Rim dem Stop Motion-Guru Ray Harryhausen und dem Regisseur des originalen Godzilla aus dem Jahr 1954, Ishirō Honda. Beide sind bereits verstorben und zweifelsohne sieht sich del Toro in der würdigen Tradition dieser Monster-Meister verhaftet, aber, wie schon oben geschrieben, kommt sein Monster Melee ohne nostalgisches Augenzwinkern und analoge Romantik aus.

Es muss reichen, dass Mechas gegen Kaijus kämpfen, und zwar vorrangig mit ihren stählernen Fäusten. Da fliegen dann Körperteile in 3D durch die Luft, bis einer der Giganten in die Knie geht. Die Apokalypse wird nicht nur gecancelt, wie Marshall Pentecost (Idris Elba) in einer Independence Day-artigen Kampfrede ins Pilotenrund brüllt, sie wird K.O. geschlagen. Und wem da jetzt nicht zumindest ein kleines Grinsen übers Gesicht flitzt, der hat seine Kindheit schon vergessen.