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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

17. 7. 2013 - 15:56

Als uns das Meer bis zu den Knien reichte

Böse Gefühle haben mich überwältigt, als ich in den letzten Wochen für einen Maturareise-Veranstalter in Kroatien gearbeitet habe.

Ich habe diesen Moment zwar erwartet, aber doch gehofft, dass er nicht so bald kommen würde. Ich habe ihn immer in die ungewisse Zukunft verschoben. Auf einmal klopfte er an meine Tür...

Mit Akzent

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Das Gefühl hat mich überwältigt, als ich in den letzten Wochen für einen Maturareise-Veranstalter in Kroatien gearbeitet habe. Hunderte von jungen Menschen aus ganz Österreich kommen dort hin, um das Vollenden einer Etappe ihres Lebens zu feiern. Eigentlich ist es völlig egal, ob die Reise nach Kroatien, nach Montenegro oder zum Mond führt. Und ich rede nicht ohne Grund vom Mond, da die meisten Maturanten ihre Zeit in Schwerelosigkeit verbracht haben. Ich weiß nicht, wie ich sonst diesen körperlichen und seelischen Zustand, in dem du schon morgens trinkst, kotzt und dann wieder trinkst, beschreiben sollte.

Meiner Beobachtung nach haben 80 Prozent der Maturanten nicht einmal bemerkt, dass sie in einem anderen Land waren. Niemand hat mitgekriegt, dass genau zu dieser Zeit Kroatien in die EU aufgenommen wurde. Alle tanzten zu den neusten Sommerhits.

Bananenboot

http://www.flickr.com/photos/joshfriedmantravel/

Manchmal dachte ich mir, diese Jungs und Mädchen sind wie Schildkröten, die ihre österreichische Panzerrüstung am Rücken tragen und Angst haben, ihre Köpfe zu zeigen. Alles, was anders war, erschien den meisten als fremd und feindlich. Alles außer das gewohnte Schwimmen in der Brühe Alkohol. Fast niemand wechselte einen Wort mit den Einheimischen, obwohl viele von ihnen auch Deutsch sprachen. Es kam mir vor, als ob es für die meisten keine Welt außerhalb ihrer Heimatstadt gibt. Der Höhepunkt meiner Verwunderung kam, als ein Junge sich beschwerte, dass der Mann der sein Bananenaboot zieht, ein Kroate sei. "Was soll er denn sein?", fragte ich. Er hob nur seine Schulter. "Scheiße!", sagte er dann.

Ist diese Arroganz mit dem Alter zu entschuldigen? Wo ist die Weltoffenheit, die Toleranz, die einfache menschliche Neugier, die auch typisch für dieses Alter sein sollen? Ist dass du dafür zahlst Grund genug, alle zu ignorieren, die nicht zu den Sommerhits tanzen?

An sich habe ich nichts gegen Sommerhits. Es macht mir nur Angst, dass mir die Lieblingsmusik von Menschen, die nur zehn Jahre jünger sind als ich, zu laut und disharmonisch vorkommt. Dass die Themen, über die sie sprechen, mich nicht interessieren. Wie schon gesagt, ich fühlte mich wie ein Onkel. Als ob es erst gestern gewesen wäre, dass mein Vater nach Hause kam und mich aufforderte diese "quietschenden Bestien", wie er die Songs aus der frühen Zeit des Drum'n'Bass nannte, abzudrehen.

Nichts neues eigentlich. Irgendwann im dritten Jahrhundert vor Christus publizierte der griechische Philosoph Sokrates einen Aufsatz, wo er sich über die Jugend, die "zu laut und unanständig" sei, beschwert.

"Gehen wir zu einem Konzert von 'Leningrad' in Budapest!", sagte mein Freund Niki, als ich von der Maturareise zurückkam. "Mann, ich bin schon zu alt für so was!", sagte ich. "Komm schon, reiß dich zusammen!" Ich sah mich um. So alt bin auch wieder nicht.