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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

13. 7. 2013 - 12:30

A little Magic

"Now You See Me" und "What Maisie Knew": Einmal Mainstream, einmal Indie, zweimal unterschiedliches US-Kino auf der Suche nach dem besonderen Zauber.

Es gibt Regisseure, die sehen sich als direkte Nachfahren von Gauklern und Illusionisten. Während manche ihrer Kollegen erziehen, belehren oder verstören wollen, geht es ihnen primär um das Erstaunen, die Verwunderung, die letztliche Verzauberung des Publikums. Und dazu ist ihnen oft jeder Trick recht, auch aus der billigsten Kategorie.

Christopher Nolan zählt zweifellos zu dieser Spezies von Filmemachern, wählt seine manipulativen Mittel aber sorgfältig. „The Prestige“, vielleicht bislang das Meisterwerk in der Karriere des Briten, erzählt nicht nur von Magiern und ihrer faszinierenden Disziplin - er ist dabei selbst wie ein Zauberkunststück konstruiert.

The Prestige

Warner Bros

The Prestige

Nolan mag bei der finalen Auflösung schummeln, wie es auch etliche Taschenspieler tun. Und er öffnet über einen eleganten, pseudowissenschaftlichen Pfad tatsächlich die Tür zum Fantastischen, was die beinharten Realisten im Auditorium verärgert. Aber nie verlässt sich "The Prestige", der im Grunde die Getriebenheit und den Fanatismus seiner Protagonisten untersucht, auf visuellen Hokuspokus und CGI-Finten, die von der Festplatte kommen. What you see is what you get, lässt sich auch nach mehreren Sichtungen sagen.

"Now You See Me", ein neuer Actionthriller im Magier-Milieu, der jetzt bei uns anläuft, hält sich dagegen an keinerlei diesbezügliche Regeln. Zu sehr ist Regisseur Louis Leterrier, der seit Blockbustern wie "The Incredible Hulk" oder "Clash Of The Titans" zu den wohl gefragtesten Franzosen in Hollywood zählt, in der digitalen Welt verankert. Was der Pariser bei all dem heftigen Einsatz von Computerzauberei übersieht: Ein Film, der seine Spannung aus aufwändigsten Täuschungsmanövern bezieht (des Publikums auf und vor der Leinwand), kann nur scheitern, wenn er dabei so sichtbar tricktechnisch nachhilft.

Now You See Me

constantin film

Now You See Me

Unfassbar und kriminell

Im Mittelpunkt der hektischen Inszenierung stehen die Four Horsemen: Ein arroganter Illusionist (Jesse Eisenberg), ein abgefeimter Mentalist (Woody Harrelson), eine höchst selbstbewusste Entfesselungskünstlerin (Isla Fisher) und ein virtuoser Taschendieb (Dave Franco, der kleine Bruder des berühmten James). „Die Unfassbaren“, wie der deutsche Titel die Gang nennt, sind nicht bloß das erfolgreichste Magierteam aller Zeiten. Sie gehören auch zu den gesuchtesten Kriminellen.

Das grelle Quartett beendet seine spektakulären Shows nämlich immer mit einem ganz besonderen Showdown. Am Ende wird eine Bank ausgeraubt und das Geld an die Zuseher verschenkt. Allerdings befindet sich das Kreditinstitut nicht unbedingt in der Nähe des Veranstaltungsorts. Bei ihrem atemberaubendsten Coup erleichtern die Four Horsemen eine Pariser Bank um sämtliche Geldvorräte, obwohl sie selber in Las Vegas auf der Bühne stehen.

Nach einigen weiteren Auftritten, bei denen das FBI und Interpol stets zu spät kommen (Mark Ruffalo und Mélanie Laurent hetzen als Beamte hinterher), zieht sich aber die Schlinge um die Unfassbaren etwas zu. Schwerreiche Mogule und Geheimgesellschaften machen ebenfalls Jagd auf die Magiergruppe. Alle versuchen hinter das Geheimnis der apokalyptischen Reiter zu kommen, natürlich auch wir im Zuschauersaal.

Now You See Me

constantin film

Now You See Me

Schall, Rauch und Zuckerwatte

Dass man dem Regisseur und seinem Film, wie erwähnt, von Anfang an nicht trauen kann, mindert den Nervenkitzel. Auch wegen der käsigen Wendungen bis zur enttäuschenden Enthüllung würde Louis Leterrier wohl aus jeder Illusionistenschule geworfen werden.

Allerdings – und hier kommt ein fettes Aber: In all seiner Blödheit und trotz der aalglatten Machart macht "Now You See Me" ziemlich viel Spaß. Es ist ein lauter, plärrender und infantiler Spaß.

In einem Kinosommer, in dem sogar die einst dem puren Eskapismus verschriebenen Comic-Helden wie Superman der Melancholie verfallen sind, gelingt Louis Leterrier die sinnbefreiteste Blockbuster-Achterbahnfahrt, die man sich trotzdem belustigt anschauen kann. Dass sich die erwähnte Starbesetzung, zu der auch noch die Nolan-Stammakteure Michael Caine und Morgan Freeman zählen, offensichtlich auch amüsiert, hilft natürlich. "Now You See Me" ist die Antithese zu "The Prestige", keine große Magie, sondern bloß Schall, Rauch und Zuckerwatte. Irgendwie ist die Zeit in diesem billigen Vergnügungspark aber angenehm schnell verflogen.

Now You See Me

constantin film

Now You See Me

Abseits von Kidsploitation

Ich gebe zu, dass der andere bei uns startende Film, den ich gerne hier erwähnen würde, wirklich überhaupt nichts mit Illusionisten am (Zauber-) Hut hat. Und dennoch geht es dem Regie-Duo Scott McGehee und David Siegel in "What Maisie Knew" um eine spezielle Magie, wie sie vor allem in romantischen Mainstream-Komödien gerne beschworen wird. Die Rede ist von der Anziehungskraft, die putzige Kinder auf weite Teile des Publikums ausüben.

Der gezielte Einsatz von lieben kleinen Mädchen und Buben in seifigen Hollywood-Machwerken kann einem schon gehörig auf den Magen schlagen. Und auch manche Indiefilme setzen ganz kalkuliert auf den infantilen Charme.

Scott McGehee und David Siegel, die mit dem surrealen Thriller "Suture" ihren Leinwandeinstand feierten und kühle Dramen wie "The Deep End" verantworteten, haben für ihre neue Tragikomödie ebenfalls eine blutjunge Hauptdarstellerin gecastet, die selbst eingefrorene Herzen zum Schmelzen bringt. Die sechsjährige Schauspieldebütantin Onata Aprile darf ihre immense Begabung aber in den Dienst eines Films stellen, der mit der üblichen Kidsploitation im RomCom-Bereich glücklicherweise wenig zu tun hat.

What Maisie Knew

Polyfilm

What Maisie Knew

Plädoyer für Patchworkszenarien

"What Maisie Knew" basiert auf einem Roman, der wahrscheinlich höchstens einem minimalen Prozentsatz von Lesern hierzulande mal zufällig im Englischunterricht untergekommen ist. Der New Yorker Autor Henry James verhandelt darin die Trennung eines Elternpaares und die daraus resultierenden Probleme für die kleine Tochter. Über hundert Jahre später überträgt der gleichnamige Film nun die Grundzüge der Geschichte ins moderne New York.

Zwar hat sich der Skandal verflüchtigt, den eine Scheidung mit einem involvierten Kind in den 1890er Jahren des Henry James bedeutete. Aber gehörig an den Nerven und der Substanz zerren kann so ein Fall natürlich immer noch. Vor allem, wenn man wie die kleine Maisie eine frühere Rock-Ikone als Mutter (Julianne Moore) und einen arroganten Kunsthändler (Steve Coogan) als Vater hat.

What Maisie Knew

Polyfilm

Heftige Dispute zwischen den Elternteilen führen zu einer Trennung, bei der Maisie zum bedauernswerten Spielball wird. Das Kind wandelt dabei mit einer stillen Nonchalance durch den Film, die manche Erwachsenen ganz schön armselig aussehen lässt. Dabei – und das ist der Knackpunkt – moralisieren die Regisseure kaum und schenken den meisten Charakteren eine emotionale Tiefe, die in Mainstreamschnulzen wohl nicht er erahnen wäre. Vor allem die fantastische Julianne Moore lässt die Zerrissenheit ihrer Figur, zwischen rockender Neurotikerin und liebevoller Mutter, intensiv spüren.

Letztlich erweist sich „What Maisie Knew“, ganz in der Tradition der genialen TV-Serie „Six Feet Under“, als Plädoyer für Patchworkszenarien und den bestmöglichen Kompromiss. Dem schnuckeligen Bösewicht-Darsteller Alexander Skarsgård, der hier als Babysitter mit seinem Rollenbild brechen darf, würde man sein Kind ebenso anvertrauen wie der Newcomerin Joanna Vanderham, die sich als großes Talent präsentiert. Dass die famosen The Kills am Soundtrack mitwirkten, ist nur noch ein weiteres Plus für einen sympathischen Indiefilm, der Menschlichkeit ganz ohne Schleimspur aufs Podest hebt.

What Maisie Knew

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