Erstellt am: 18. 7. 2013 - 14:31 Uhr
Game of Thrones Fieber? Nicht mit mir.
Mit 15 hab ich aufgehört mit Fernsehen. Nicht aus Protest - ich hab einfach drauf vergessen. Mit 23 war ich das erste Mal in Westafrika. Da waren fliegende Händler auf den Straßen, damals noch mit Videokassetten, heute handeln sie mit DVDs. Und es gab Fernseher, ebenfalls auf der Straße, vor denen man sich auf den Boden setzen und gegen einen Obolus einen Film anschauen konnte - homemade, trashig, irgendwie abgefahren.
Dann hab ich das erste Mal einen Artikel über die Videoindustrie in Nigeria gelesen, von einem deutschen Journalisten, der nach Lagos aufgebrochen ist, um diese innerhalb von kürzester Zeit boomende Industrie zu erforschen. Und noch bevor es überhaupt dazu kommen konnte, dass der Journalist Fragen stellt, war er schon gecastet. Als der böse Weiße im Busch.
Seitdem bin ich ein Fan von Nollywood.
Am liebsten mag ich die kpa kpa kpa movies - im Eilschritt zusammengeschusterte Geschichten, es sind die trashigsten von allen. Fast immer geht es um Betrug - Frau betrügt Mann, Mann betrügt Frau, Boss betrügt Angestellte und zweigt Geld ab, über den Boss wird ein Fluch gelegt und je mehr Geld einer hat, desto mehr fürchtet er sich vor Geistern.
Die typische Nollywood-Geschichte ist unvollständig, wenn sie nicht als Serie daherkommt. Bei den Titeln wird auch nicht lang herumgefackelt, sie verschleiern nichts - "Money never sleeps", "Desperate Singles", "The Pastor and the Harlot".
Einer der Serienhits aus Nollywood nennt sich Classique und handelt von zwei Frauen und einem Mann, die frisch von der Uni kommen und eine Agentur gründen. Während die Frauen streng nach Businessplan agieren, schwebt dem Mann eine gbogbonise Agentur vor, eine Agentur, die Heilmittel für und gegen alles bietet.
Mich faszinieren die ungebrochene Lust am Schaffen und das gänzliche Fehlen von Scheu oder Ehrfurcht, das Selbstbewusstsein dieser Industrie. Ihr einziger Maßstab ist sie selbst. Wenn’s euch nicht gefällt - Pech für euch!
Der Nollywood-Experte Onookome Okome bezeichnet die Industrie als künstlerisch raffinierte Kleptomanin, deren Wurzeln in der Yoruba-Wandertheatertradition genauso wie in Soap Operas liegen, die in den 1980er Jahren nach Nigeria importiert wurden. In dieser Zeit hat auch das Kinosterben begonnen.
Mittlerweile ist Celluloid in Nigeria tot und es gibt kaum mehr Kinos. Aber es gibt tonnenweise Filme, die die Lebensrealität der Menschen verhandeln, die Essenz des Alltags filtern, den afrikanischen Kontinent in seiner Modernität zeigen. Denn mittlerweile hat sich das System Nollywood auf Ghana, Kenia, Tansania ausgeweitet, wo Ghalliwood, Riverwood und Suahelliwood Furore machen.