Erstellt am: 11. 7. 2013 - 05:51 Uhr
"Unbezahlte Praktika gehören verboten"
Veronika Kronberger
Veronika Kronberger ist die Vorsitzende der Plattform Generation Praktikum, die sich seit 2006 mit Forschung zum Thema beschäftigt, gemeinsam mit anderen Plattformen im Ausland arbeitet und verschiedene Informationsveranstaltungen zum Thema abhält.
Weitere Infos zu Rechten von PraktikantInnen gibt es bei der Gewerkschaft
Was kann das Wort "Praktikum" alles bedeuten?
Das ist deshalb eine sehr schwierige Angelegenheit, weil das Wort Praktikum für ganz unterschiedliche Dienstverhältnisse angewendet wird. Die meisten kennen das klassische Ferialpraktikum, das von SchülerInnen absolviert wird. Es gibt Pflichtpraktika, das sind die, die entweder von der Universität oder Hochschule im Curriculum vorgeschrieben werden. Es gibt aber auch in Schulen Pflichtpraktika, die absolviert werden müssen, um in die nächste Klasse aufzusteigen. Dann gibt es sogenannte Volontariate, die sind rein ehrenamtlich, da darf man nicht in den Betrieb eingebunden sein. Da geht es nur ums "Schnuppern" und man kann kommen und gehen, wann man will. Und dann gibt es eben reguläre Dienstverhältnisse, die von vielen Praktika genannt werden, aber eigentlich keine sind. Einen Mindestlohn gibt es für keine dieser Gruppen.
Gibt es dann wenigstens eine maximale Arbeitsdauer?
Auch das gibt es leider nicht. Es wird zwar vorgeschrieben, dass viele Praktika nicht hintereinander absolviert werden dürfen. Es heißt, dass sie ein halbes Jahr nicht überschreiten sollten. Erfahrungsgemäß ist es aber so, dass viele Unternehmen - auch staatliche - die Verträge gerne immer wieder verlängern, dazwischen ein, zwei Monate Pause einlegen, dann wird wieder ein neues Praktikum begonnen. De facto befindet man sich also oft in einem regulären Anstellungsverhältnis, wird aber immer wieder kurzfristig als Praktikantin oder Praktikant angestellt.
Das klingt nach einer sehr verfahrenen Situation. Wie ist es dazu gekommen? Waren die PraktikantInnen immer allen egal?
Das möchte ich so nicht unterstellen. Die ursprüngliche Idee war ja gar nicht bösartig. Es sollte damit jungen Menschen der Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtert werden. Was de facto von den Unternehmen aber daraus gemacht wird, ist dass ganze Stellen durch PraktikantInnen langfristig ersetzt werden. Das bedeutet: Angestellte werden reduziert und dafür immer wieder aufs Neue Halbjahres-PraktikantInnen aufgenommen. Die sind in ganz vielen Branchen und Betrieben mittlerweile absolut notwendig, um den laufenden Geschäftsbetrieb am Laufen zu halten. Und so sollte es eigentlich nicht sein.
Praktika können natürlich dazu genutzt werden, Berufserfahrung zu sammeln. Haben PraktikantInnen einen Anspruch auf eine "sinnvolle Tätigkeit"?
Was arbeitsrechtlich und auch in der Idee des Praktikums sein sollte, ist eine Mischung aus Arbeits- und Ausbildungsverhältnis. Das heißt, die jeweiligen Tätigkeiten sollten mit dem Ausbildungsziel der jeweiligen Bildungsinstitution übereinstimmen. Ich sollte keine niederen Hilfstätigkeiten verrichten oder regulär arbeiten, sondern tatsächlich etwas lernen. Wenn dem nicht so ist, dann absolviere ich kein Praktikum, sondern befinde mich in einem Dienstverhältnis. Falls so etwas passiert, kann ich das drei Jahre rückwirkend einklagen. Ich kann zur Gewerkschaft gehen und um Vertretung bitten, weil ich im Nachhinein als Angestellte bezahlt werden muss. Weitere Anlaufstellen für Probleme bei Praktika sind die Arbeiterkammer oder die ÖH.
Immer mehr Studienrichtungen verlangen Praktika. Gibt es von seiten der Unis oder FHs Unterstützung, so einen adäquaten Praktikumsplatz zu finden?
Jein. Vorgeschrieben wird einmal gar nichts. Gerade in den Geisteswissenschaften ist es irrsinnig schwer, da irgendeine Form der Unterstützung zu finden. Die WU hat aber zum Beispiel ein eigenes Programm, das die Studierenden vor allem im Bereich der Auslandspraktika vermitteln will. Dafür braucht's aber immer ein wenig Glück und es ist von der jeweiligen Hochschule abhängig.
Wenn Studierende ein Pflichtpraktikum absolvieren müssen aber einfach keines finden, was sind dann die Konsequenzen?
Die schlimmste Konsequenz ist natürlich die, dass man sein Studium nicht abschließen kann. Das führt dann natürlich wieder dazu, dass sich viele PraktikantInnen ausbeuten lassen, eigentlich normale Arbeit verrichten und dass sie ihr Praktikum unbezahlt absolvieren. 60 Prozent der Studierenden, die ein Pflichtpraktikum machen, bekommen kein Geld dafür. Das heißt, die PraktikantInnen sind in einer sehr schlechten Situation. Umgekehrt wissen die Unternehmen, dass die PraktikantInnen zu ihnen kommen müssen und haben damit ein Freispiel.
Welche Unternehmen haben sich als besonders fair gegenüber den PraktikantInnen ausgezeichnet?
Es gibt das "Gütesiegel Praktikum", das von der ÖH, der Arbeiterkammer und der Plattform Generation Praktikum ins Leben gerufen worden ist. Damit werden Unternehmen ausgezeichnet, die sich unter anderem dazu verpflichten, adäquate Ansprechpersonen zur Verfügung zu stellen, dass das Ausbildunsziel im Arbeitsvertrag festgeschrieben wird und die PraktikantInnen versichert werden müssen. Bis jetzt haben 24 Unternehmen dieses Gütesiegel erhalten.
Wie sieht die Situation in anderen Ländern aus?
Sehr unterschiedlich. In Frankreich wird zum Beispiel seit Jahren dagegen gekämpft, dass gratis gearbeitet wird. Seit kurzem gibt es dort jetzt ein Gesetz, das unbezahlte Praktika verbietet. In England ist die Situation viel dramatischer. Da werden Praktikumsplätze von den Unternehmen versteigert und die potentiellen PraktikantInnen müssen mitsteigern und Geld investieren, um überhaupt einen Platz zu bekommen.
Der Worst Case wäre, im Studium unbezahlte Pflichtpraktika zu absolvieren und nach dem Abschluss gleich direkt in ein prekäres Arbeitsverhältnis rutscht.
Noch schlimmer. Es gibt die sogenannten graduierten PraktikantInnen. Das sind AkademikerInnen, die nach dem Studium weiter in der Praktikumsschleife hängen. Viele Studien haben gezeigt, dass diese Menschen ihre Arbeitsmarktchancen noch weiter verschlechtern. Da wäre es sogar klüger, nach dem Studium mal ein halbes Jahr arbeitslos zu sein, als weiterhin PraktikantIn zu sein.
Vor zwei Jahren hat ein österreichischer Minister gesagt, dass es "diese Generation Praktikum" gar nicht gibt und ein "Mythos" sei. Warum sagt er das?
Es wäre strategisch natürlich relativ unklug, zuzugeben, dass dieses Phänomen besteht und diese Problematik da ist. Denn dann müsste man ja tatsächlich etwas dagegen tun.
Was gehört auf politischer Ebene so schnell wie möglich geändert?
Praktika sollten auf jeden Fall dem normalen, regulären Arbeitsrecht unterliegen, so wie alle anderen Arbeitsverhältnisse auch. Das heißt: Unbezahlte Praktika gehören verboten.