Erstellt am: 10. 7. 2013 - 17:00 Uhr
Wenn Jeans töten
Abdulhalim Demir
Als 15-jähriger hat Abdulhalim Demir sein Dorf in Anatolien verlassen, um in Istanbul Arbeit zu finden, um seine Familie versorgen zu können. Er findet einen Job als Sandstrahler in einer Fabrik. Er spritzt mit einem Schlauch unter Hochdruck Quarzsand auf Jeans, damit sie einen abgetragenen Look erhalten. Als er mit 20 Jahren in die Armee muss, kann er nicht laufen, ihm wird Silikose diagnostiziert. Das ständige Einatmen des Sandstaubes in der Fabrik hat bei ihm zu dieser unheilbaren Lungenkrankheit geführt, die für viele tödlich endet.
"Du verlierst an Gewicht, kannst nicht mehr laufen. 46% meiner Lunge funktionieren nicht mehr", erzählt Abdulhalim. Allein aus seinem Heimatdorf sind 147 Arbeiter, weil sie auch als Sandstrahler tätig waren, an Silikose erkrankt. "Elf Menschen sind in meinem Dorf daran gestorben. Viele sitzen zuhause und warten auf den Tod. Es sind vor allem junge Männer, die Familien haben." 2008 hat Abdulhalim das türkische Solidaritätskomitee für SandstrahlarbeiterInnen gegründet und damit viel erreicht. 2009 verbietet die Türkei auf Druck des Komitees das Sandstrahlen in den Fabriken, seit 2010 erhalten alle erkrankten ArbeiterInnen kostenlos Medikamente und seit 2011 eine kleine Pension von 250 Euro.
IHLO
Produktionsverlagerung nach Verbot in der Türkei
Das türkische Solidaritätskomitee kooperiert mit der international agierenden Clean Clothes Kampagne (CCK) gegen Sandstrahlen. Nachdem die Türkei die Methode verboten hat, wurde die Produktion in Fabriken in Pakistan, China, Bangladesch und Ägypten verlagert. Nicht zuletzt aufgrund einer Clean Clothes Kampagne vor drei Jahren reagierten 40 Firmen, darunter H&M, Levis und Gucci, mit einem Verbot von Sandstrahlen für ihre Produkte.
Ein nun veröffentlichter Bericht von CCK enthüllt, dass die Verbote oftmals nicht greifen. CCK hat in sechs chinesischen Fabriken recherchiert und in nur einer wurde die gesundheitsgefährdende Methode gestoppt. "Es wird versteckt hinter verschlossenen Türen produziert. Wenn ein Kontrollor kommt, dann wird die Sandmaschine vorher ab- und danach wieder aufgebaut", so Michaela Königshofer von CCK Österreich. Wie reagieren Textilketten wie H&M auf den aktuellen Bericht, dass ihre Verbote in den Fabriken nicht wirken? "Wir haben seit 2010 keine sandbestrahlten Produkte mehr in Auftrag gegeben", versichert Elin Hallerby, Pressesprecherin von H&M auf Anfrage von FM4. Auch habe man mit der entsprechenden Fabrik einen Dialog aufgrund der aktuellen Vorwürfe geführt. Die Fabrik Yida in Zhongshan etwa sei auf andere Methoden umgestiegen und habe die Arbeitsplätze durch bessere Belüftung und ergonomische Designs verbessert.
"ArbeiterInnen riskieren ihre Gesundheit und da reicht es nicht, wenn H&M sagt, wir haben es versucht", kontert Michaela Königshofer von CCK. Auch alternative Jeansbehandlungen, wie Stone-Washing, chemische Methoden oder Hand-Sanding bringen Gesundheitsrisiken mit sich. Darüber hinaus schuften die FabriksarbeiterInnen unter schwersten Bedingungen in Schichten von 12 bis 15 Stunden mit einem Monatslohn von umgerechnet 130 Euro, der auch in China nicht ausreicht.
Sacom
Aufrufe zu Boykott und Verbot
"Müssen Menschen für einen Modetrend sterben? Nein! Jeder Konsument und jede Konsumentin kann das vermeiden, indem er oder sie zu einfärbigen Jeans greift anstatt zu Jeans mit aufgehellten Flecken" so appelliert Königshofer an die KäuferInnen. International verlangen CCK und Abulhalim Demirs Komitee ein Sandstrahlverbot und von der EU fordern sie ein Importverbot von sandbestrahlten Textilien.