Erstellt am: 9. 7. 2013 - 16:42 Uhr
Wie geht es im Gezi-Park weiter?
Der Istanbuler Gezi-Park, Ausgangspunkt der Proteste gegen die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan, die immer noch andauern, wurde am Montag, 8. Juli, wieder eröffnet. Ein Gericht hat beschlossen, dass doch kein Shopping-Center gebaut werden darf. Gestern ist es wieder zu Zwischenfällen zwischen DemonstrantInnen und Polizei gekommen, mit Wasserwerfern, Tränengas und Verhaftungen ist die Polizei gegen die rund 1000 Protestierenden vorgegangen.
Heute ist der Gezi-Park nach einer nächtlichen Abriegelung wieder offen, das Symbol des türkischen Protestes bleibt bestehen. Was ist aus der Protestbewegung der letzten Wochen geworden?
EPA/TOLGA BOZOGLU
FM4 La Boum de Luxe-DJ Erdem Tunakan ist ein naher Beobachter der Entwicklungen in Istanbul.
Du hast familiäre Wurzeln in der Türkei und warst während der Proteste in Istanbul und kennst auch einige Aktivisten. Ein Bekannter von dir ist bei den so genannten "Unabhängigen" aktiv, die organisieren Gesprächsgruppen im Gezi-Park. Der Mann ist auch schon zwei Mal verprügelt worden. Wie hast du diese ganze Situation der Aktivisten vor Ort erlebt?
Unter dem Wort "Demonstrationen", da stellt man sich Leute vor, die Parolen brüllen und etwas fordern. Ich sehe die Proteste am Taksim-Platz eher als Zusammenkünfte und habe sie immer als sehr friedlich erlebt. Es gibt verschiedene Formen, wie protestiert wird, zum Beispiel die stehenden Frauen, die sich mit Blickrichtung auf die Polizei aufstellen. Diese war bis vor kurzem noch in Zelten im Gezi-Park stationiert. Es hat auch geheißen, dass die Polizei massig Alkohol bekommt und alles, das das Aggressionspotenzial fördert.
Die Polizei bekommt Alkohol, damit sie aggressiv wird?
Das sagen viele Demonstranten, die mitbekommen, dass die Polizei nicht aus den Zelten darf. Die Polizisten müssen den ganzen Tag dort verbringen und dürfen nicht weg, es ist quasi so eine milde Schikane seitens des Regimes - ich sage Regime, weil Regierung kann man das nicht mehr nennen.
Sind das Istanbuler Polizisten oder kommen die von irgendwo aus der Türkei?
Die kommen ganz weit aus dem Osten und diese Polizisten sind eigentlich Einsätze gegen kurdische Demonstranten gewohnt. Das sind Elite-Schläger, sozusagen. Es ist ein ziemlicher Horror, was dort abgeht, weil die prügeln halt alles nieder.
Jetzt ist der Park eröffnet worden, es gibt schon wieder Proteste. Wie ist unter den Protestierenden die Stimmung vor Ort, wie kann es weitergehen?
Es wird sich nichts ändern, weil die Leute, die zu diesen Treffen gehen in den verschiedenen Parks werden auch nicht von heute auf morgen sagen: Nützt nichts. Ganz im Gegenteil: Es nutzt insofern etwas, dass dieser Erdogan-Regierung mal gezeigt wird, dass man nicht mal nach Gutdünken, wie es einem gerade passt, Sachen durchzieht ohne Rücksicht auf das Volk, wie zum Beispiel eine Brücke nach sich selbst zu benennen oder den Familien aufzuoktroyieren, wieviel Kinder sie haben müssen und wie sie sie zu erziehen haben. Lauter Korruptionssachen: Es werden unnötige Bauprojekte forciert während Krankenhäuser halb zerfallen sind. Die Leute haben keinen Bock mehr auf das Ganze.
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