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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

7. 7. 2013 - 16:49

Lieder vom Weltenbrand

Der Song zum Sonntag: Ellery James Roberts - "Kerou's Lament"

Die Band WU LYF hat während ihrer kurzen Existenz eigentlich alles richtig gemacht. Abgesehen davon, dass ihr einziges Album keine großartige, sondern bloß eine sehr, sehr gute Platte war. Der Name WU LYF ist eine Abkürzung und steht schön prätentiös für World Unite! Lucifer Youth Foundation. Möglicherweise kann man da ganz leicht an die großen kanadischen Postrock-Mysteriker von God Speed You! Black Emperor denken – die Gruppe WU LYF hat sicher schon von ihnen gehört.

Das Quartett WU LYF aus Manchester spielte gerne mit der Anonymität und wollte die Identitäten seiner Mitglieder zunächst nicht preisgeben. 2008, 2009 tauchten WU LYF nicht auf – man hörte nur da und dort, dass es diese merkwürdige Band wohl gäbe. Ein paar Songs wurden auf der nicht besonders aufschlussreichen Website von WU LYF gepostet, dazu ein bisschen religiöse Symbolik, politische Schlagwörter und eine Ikonografie des Okkulten und Nebulösen bemüht. Interviews gab es keine, der Wikipedia-Eintrag zur Band wurde immer wieder mal gelöscht. Bandfotos zeigten WU LYF, wie sie aufrührerisch mit revolutionär vermummten Gesichtern inmitten von Rauchschwaden stehen.

Ellery James Roberts

Ellery James Roberts

Ellery James Roberts: Es wird gefühlt

Der Anti-Hype generierte freilich erst recht einen Über-Hype. Everbody loves a good Geheimniskrämerei. WU LYF jonglierten mit Radical Chic und dem geilen Charme des Protests. Man durfte wieder hoffen. Ohne zu wissen worauf. Nachdem WU LYF als das heißeste Ding seit der Erfindung der Wendejacke durch alle Kanäle gereicht worden waren, musste sich diese Band natürlich auflösen. Explosion. Ende der Geschichte.

WU LYF hinterließen mit ihrem Album "Go Tell Fire To The Mountain" aus dem Jahr 2011 eine souverän-solide Platte, die dem großspurigen Image-Engineering der Gruppe aber nicht ganz gerecht werden konnte: Aufbrausender Indie-Rock, sperrig und nervös, geschult an Postpunk genauso wie am Überschwangspathos von Bands wie Modest Mouse oder Arcade Fire. Hier konnte man die Aufregung eines 12-jährigen verspüren, der die Sex Pistols entdeckt. Alleinstellungsmerkmal von WU LYF war jedoch die Stimme von Frontmann Ellery James Roberts, die die vom Whiskey gegerbte Lebenserfahrung von Tom Waits in sich trug.

Ellery James Roberts macht nun mittlerweile alleine Musik, die verbliebenen Ex-Mitglieder von WU LYF musizieren unter dem super dämlichen Namen Los Porcos gemeinsam weiter– vermutlich jetzt Fun Punk. Ellery James Roberts jedenfalls bleibt der großen Geste treu. Eine weihevolle Orgel trägt sein erstes Solo-Stück mit dem Bedeutsames verheißenden Titel "Kerou’s Lament". Er samplet einen Track des zwischen Witch House und Cloud Rap beliebten Produzenten Clams Casino. Ein ganzes Orchester, wohl ein synthetisches, alle Violinen und alle Flöten, schwillt an und Roberts kann mit seinem mit dem ganz groben Lederriemen bearbeiteten Gesang nach wie vor den weltgrößten Stahlträger zum Schmelzen bringen.

Und natürlich kann dieser allerhöchstens in seinen mittleren Zwanzigern steckende junge Mann, der in diesem Song wunderhübsch die Phrasierung des großen Geschichtenerzählers Bruce Springsteen imitiert, von nichts weniger singen als vom Ende der Erde. Vom Scheiß-System! "To the powers of old, to the powers that be: You fucked up this world, but you won't fuck with me" wiederholt Ellery James Roberts am Ende des Stücks wieder und wieder. Mit hoher Wahrscheinlichkeit klopft er sich dazu mit der Faust auf die Brust. Starker Tobak, dargeboten in barocker Opulenz und mit glorreichem Schmelz. Wenn die Welt dann endlich untergeht, soll "Kerou’s Lament" im Endlosloop im Hintergrund laufen. bis es soweit ist wollen wir nicht vergessen und mögen uns diesen Slogan auf unsere Banner, T-Shirts und Fahnen schreiben: "You Fucked Up This World, But You Won’t Fuck With Me".